Männig

Virales Marketing. Ein offener Brief.

Liebe Vivian Wagner,

Ich bin auf der Suche nach Werbepartnern für unser neustes virales Video, haben Sie mir heute als Mitarbeiterin von Unruly Media in London per E-Mail geschrieben, offenbar, nachdem sie meine Webseite besucht haben. Und weiter: Wenn Sie Interesse haben, bieten wir Ihnen einen Video Player, den Sie auf Ihrer Seite einbetten und zahlen Ihnen einen festen Betrag pro Abruf (aus Deutschland).

Einen Link zum Code, mit dem man das Video einbetten soll und zu den kommerziellen Bedingungen, wie Sie sich ausdrücken, wird auch gleich mitgeliefert, natürlich nicht ohne ein Anhängsel, das Ihnen und Ihren Kollegen zeigt, von welchem angeschriebenen Seitenbetreiber das Interesse kommt. Mal ehrlich, Frau Wagner, wenn Sie sich schon so viel Mühe mit der Personalisierung machen, hätte dann die Anrede in der E-Mail nicht neben einem schnöden Hallo auch gleich noch den Namen des Angeschriebenen enthalten können?

Klickt man den Link zu Ihrem Angebot, dann landet man erstmal auf einer Registrierungsmaske mit zahlreichen Pflichtfeldern bis hin zur Telefonnummer. Aber damit es nicht zu einfach wird, muss man sich zunächst einmal mit den Terms & Conditions des Unternehmens Unruly Media einverstanden erklären, die immerhin 3.588 Wörter und 58 Absätze in englischer Sprache umfassen. Ich für meinen Teil habe an dieser Stelle aufgegeben. Wobei ich ohnehin nie die Absicht hatte, meine Seiten mit anderer Reklame als der für mich zu verunzieren.

Und das gähnend langweilige, sich über fast 10 Minuten quälende Demo-Video

für das Samsung Galaxy Tab ist schon gar nicht geeignet, mich in dieser Beziehung umzustimmen, habe ich es doch nicht einmal geschafft, es bis zum Ende anzuschauen. Würde man die keim- und stimmungsfreien Bilder der Produktpräsentation vielleicht noch ertragen, so nervt einen spätestens die Beschallung durch gleichförmige Synthesizer-Loops zu Tode. Und dann das beworbene Gerät selbst: Ein weiterer Versuch, Apples iPad ein paar Prozent seiner Marktanteile abzujagen. Wie öde.

Viral, liebe Frau Wagner nebst Kollegen bei Unruly Media, geht anders. Und Geschäfte machen auch. Da setzt man einem potentiellen Kunden oder Partner nicht erstmal hohe Hemmschwellen in Form von vertraglichen Bedingungen vor die Nase, die er unterschreiben muss, um überhaupt erst ein Angebot vor Gesicht zu bekommen. Aber ich bin sicher, eine ganze Reihe Blogger und private Seitenbetreiber werden doch wieder auf Ihre wenigen Cent pro Klick scharf genug sein, dass sie sich dafür gern demütigen und für dumm verkaufen lassen.

Gespannt werde ich in der nächsten Zeit den Suchmaschinenbetreiber meines Vertrauens bemühen, um zu sehen, auf welchen Seiten ich den Link zu Ihrem schicken Viral-Video finde. Das gleiche werden vermutlich auch einige neugierige Beamte der deutschen Finanzämter tun, die sich auch für das Einkommen der deutschen Bloggerszene aus Werbeschaltungen und dessen ordnungsgemäße, gewerbliche Versteuerung immer interessieren.

Aber mal was anderes, Frau Wagner: Nachdem ich jetzt immerhin brav auf ihr virales Video eingebettet habe, wenn auch nicht mit Ihrem Code, bekomme ich jetzt auch was? Und wenn Sie mal jemanden brauchen, der Ihnen und Ihren Kollegen erklärt, wie man zielführend akquiriert und mit Prospects, Kunden und Geschäftspartnern so umgeht, dass sie sich wohl fühlen und gern mit einem arbeiten, dann rufen Sie mich doch einfach an.

Herzliche Grüße

Ihr Jens Arne Männig