Vor nicht einmal zwei Tagen wurde mit iOS 6 eine neue Version des mobilen Apple-Betriebssystems veröffentlicht, und das Lamento ist schier unermesslich: Da hat doch das Unternehmen aus Cupertino einfach die lieb gewonnenen Landkarten-App ersetzt! Wurde bisher auf den Datenbestand von Google gesetzt, so greift das Maps der neuen Generation auf ein wildes Gemenge von Quellen zurück, wobei der Schwerpunkt beim niederländischen Anbieter TomTom liegen soll.
Klar ist: Während mit der vektorisierten Kartendarstellung gegenüber den Google-Pixelgrafiken ein deutlicher Fortschritt erzielt wurde, hat die Qualität des Kartenmaterials selbst durch den Lieferantenwechsel deutlich gelitten. Warum der Vertrag zwischen Apple und Google nicht verlängert wurde, darüber wird in den Fachblogs seit Tagen kräftig spekuliert. Die wahrscheinlichste These: Apple mag die Bewegungsdaten seiner Kunden nicht länger an Google durchreichen, sondern will sich durch die direkte eigene Auswertung neue Vermarktungsmöglichkeiten erschließen.
Ist nun aber der Verlust der Google Maps auf dem iPhone nun wirklich so betrauernswert? Nach wie vor ist der vielen Usern lieb gewordene Datenbestand ja im Browser unter maps.google.com voll abrufbar. Aber vergleichen wir doch einfach einmal die Kartendarstellungen am Beispiel meiner eigenen Wohnstraße:
Der Klassiker: Das Google-Kartenmaterial, diesmal im Browser
Mit dieser Kartendarstellung geht Apple als Herausforderer ins Rennen
OpenStreetMap in der App OpenMaps: Detailreichtum dank Crowdsourcing
Dieser Vergleich zeigt, warum auch die Google-unterstützte Karten-App der letzten Betriebssystemversionen auf meinem iPhone längst vom Homescreen auf eine Fallback Position verbannt war: OpenStreetMap und sein Derivat OpenCycleMap bieten einfach mehr. Mehr Details, mehr Aktualität, mehr Realitätsbezug. Sicher mag der eine oder andere einwenden, in seinem eigenen Umfeld seinen die OSM-Karten längst nicht so detailliert und fein gegliedert. Das liegt dann aber an den Usern selbst, haben sie es doch einfach versäumt, die entsprechenden Daten der Bereiche, die sie gut kennen, einzupflegen und zu verbessern.
Bei OpenStreetMap kann jeder mitmachen, ein exzellentes, weltweites Kartenwerk zu erstellen, das jedermann unter einer liberalen Lizenz zur Verfügung steht. Wie das geht, darüber kann man auf den OSM-Einführungsseiten mehr erfahren. Für die Verwendung auf dem iPhone kann ich die Apps OpenMaps Pro und MotionX GPS empfehlen. Wärend man in OpenMaps neben den Kartenansichten auch einzelne Datenpunkte bearbeiten kann, beherrscht MotionX das Aufzeichnen von Tracks und vieles mehr. Und auf Desktoprechnern und Notebooks aller Couleur tut die Java-App JOSM beste Dienste zum professionellen Verbessern des OSM-Kartenmaterials.
Hört also bitte auf, über die schlechten, proprietären Landkarten zu jammern, sondern nutzt lieber die Gelegenheit und setzt von nun an auf ein flexibles, offenes System. Und helft vor allem mit, dass es noch besser und noch aktueller wird. Die Mitarbeit an OpenStreetMap ist wie Geocaching für Erwachsene!
Harald Lux
Danke für den Tipp mit MotionX-GPS.
OpenMaps bekommt dagegen im itunes Store nicht unbedingt gute Noten. ich nutze hier bisher MapsWithMe.
Jens Arne Männig
Verzeihung, meine Nachlässigkeit: Ich verwende OpenMaps Pro und habe das gerade im Artikel oben entsprechend geändert.
orangeguru
Danke einmal mehr für Deine Goldgräberei!
Benedikt Hotze
Hast du eigentlich die ganzen Kinderwippen dort in dem OpenStreetMap-Dingens eingezeichnet? Oder wer berühmt sich um diese Aufwertung?
Jens Arne Männig
Ich bin leider nicht in der Lage, Kinderwippen zu zeichnen. Wie einzelne, kartografierte Attribute (hier der Tag leisure=playground) dargestellt werden, ist die Sache des Renderers und damit auf der Seite des Betrachters. So betrachtet hast du die Kinderwippen eingezeichnet, weil du das Mapnik-Toolkit verwendest hast. Sofern du keine Kinderwippen-Icons magst, solltest du einfach über einen anderen, ggf. frei konfigurierbaren Renderer auf OSM zugreifen oder einfach den Maßstab so verändern, dass Details wie Spielplätze nicht mehr dargestellt werden.