Männig

Adieu, Klout!

Ich bin ja nun eitel. Deshalb google ich auch bisweilen, wenn auch lieber mit meiner bevorzugten Suchmaschine DuckDuckGo, nach mir selbst. Oder ich schaue zum Beispiel nach, wer mich bei Twitter wieder mal in irgendwelche Listen gepackt hat. Bei dieser Gelegenheit stellte ich vor einiger Zeit fest, dass ich auf einer Liste namens Klout Germany Top Influencers gelistet war. Noch erstaunter war ich allerdings, dass ich sogar über einen eigenen Account auf klout.com verfügte, der ebenfalls mit beachtlichen Kennzahlen ausgestattet war.

Als einer der etwa 80 einflussreichsten Menschen in Deutschland geführt zu werden, das kann einem schmeicheln – muss es aber nicht. Denn zum einen habe ich seit jeher eine ausgeprägte Aversion gegen Hack- und Rangordnungen jeder Art, wie auch gegen Auszeichnungen und Orden, zum anderen bestimme ich ganz gern selbst, in welchem Verein, Club oder Kreis ich Mitglied bin. Noch kritischer werde ich allerdings, wenn es sich bei denjenigen, die mich unerwartet lobpreisen, um Trittbrettfahrer handelt, die sich der Daten Dritter bemächtigen und diese versilbern wollen.

In dieser Beziehung reiht sich nämlich die Klout, Inc. mit Sitz in San Francisco nahtlos in die Riege der Schleppnetz-Datenfischer wie Yasni oder 123people ein: Man scannt die Datenbestände anderer Webseiten und vermarktet die daraus generierten Zusammenstellungen und Auswertungen. Dass dieses Vorgehen zumindest in Deutschland nicht in Übereinstimmung mit dem Datenschutzrecht stehen kann, muss jedem klar werden, der schon einmal einen Blick ins Bundesdatenschutzgesetz gewagt hat. Bereits in § 4 Abs. 2 heißt es dort:

Personenbezogene Daten sind beim Betroffenen zu erheben.

Klout jedoch zieht die zur Verwertung bestimmten persönlichen Daten jedoch aus den Beständen der einschlägigen sozialen Netzwerke – ohne die Zustimmung der Nutzer selbst oder gar deren Mitwirkung. Freilich stellen die Networks diese Daten auch Unternehmen wie Klout recht generös per API-Zugang zur Verfügung. So hat die Social-Media-Branche wie auch die Social-Media-Nutzer mit dem Klout-Score also ein neues Lieblingsspielzeug gefunden, dessen detaillierte Hintergründe allerdings im Verborgenen bleiben. Denn wie das Unternehmen den publizierten Index letztlich im Detail berechnet, das ist bis heute ein wohl gehütetes Geheimnis geblieben.

Ein Großteil der Fach- und Publikumsmedien scheint sich jedoch mit derlei banalen Fragen nicht aufhalten zu wollen und berichtet derweil lieber wortgetreu von der Klout, Inc. lancierte Geschichten. Die von dem Bewerber um eine Stelle im Social-Media-Bereich beispielsweise, der seinen Traumjob nicht antreten durfte, weil sein Klout Score zu niedrig war. So wird die intransparente Kennzahl eines kleinen Unternehmens mit der Finanzkraft seiner Investoren aus dem Venture-Capital-Bereich offenbar recht erfolgreich als esoterisches Must der Branche positioniert.

Wie schon gesagt: Das kann man mögen, man muss es aber nicht. Um zumindest ansatzweise besser zu verstehen, wie der Klout-Algorithmus funktioniert, habe ich zunächst die Accounts des Unternehmens auf Twitter wie auch auf Google+ geblockt. Der Block auf Twitter hat die erfreuliche Nebenwirkung, dass man auch in den Listen des entsprechenden Accounts nicht mehr geführt werden kann. Erstaunlich nach etwa drei Monaten der weiteren Beobachtung: Mein Klout-Score ist seither nur wenig gesunken. Dies lässt verschiedene Deutungen zu:

  1. Der Score ist wenig aktuell.

  2. Der Score berechnet sich aus Daten, die bei der Klout, Inc. selbst vorgehalten werden.

  3. Klout bezieht aktuelle Daten unter Umgehung klassischer Blocks, beispielsweise via anderer Accounts oder des Direktzugriffs auf die Datenbestände der Social Networks.

  4. Der Score beinhaltet ein hohes Fantasiepotential.

Wie dem auch sei, gestern habe ich beschlossen, dem Schauspiel endgültig ein Ende zu bereiten. Nun ist es natürlich nicht ganz einfach, einen Account zu kündigen, den man selbst niemals angelegt hat. Klout bietet hierzu zwei Möglichkeiten:

  1. Eine E-Mail an contact@klout.com mit der Bitte um Auflösung des Accounts.

  2. Den Opt-Out via Web-Interface.

Beim Abmeldeweg über die Webseite handelt es sich jedoch über einen denkbar merkwürdigen: Man muss sich nämlich hier zunächst einmal per OAuth mit seinen Twitter- oder Facebook-Zugangsdaten anmelden. Damit erteilt man Klout gleichzeitig Lesezugriff auf den eigenen Account beim jeweiligen Netzwerk. Ich habe mich dennoch für diesen Weg entschlossen, da mir der Sinn nicht nach Rückfragen und Bestätigungsmails des Klout-Supports stand.

Der Abmeldeprozess funktionierte in der Tat schnell und unproblematisch – zumindest, nachdem ich meine Proxy-Filter für problematische Social-Media-Inhalte vorläufig abgeschaltet hatte. Statt der im Interface angekündigten 24 bis 48 Stunden bis zur Abschaltung meines Accounts war dieser schon nach wenigen Minuten nicht mehr erreichbar. Man sollte allerdings danach nicht vergessen, Klout den zwangsläufig eingeräumten Lesezugriff auf das eigene Twitter- oder Facebook-Konto auch wieder in den entsprechenden Account-Einstellungen zu entziehen.

Adieu, Klout! Und nun harre ich des Tages, an dem jemand die Zusammenarbeit mit mir ablehnt, weil ich nicht über einen Klout-Score verfüge.