Männig

Noch eine Twitter-App: Tweetbot

Viel Zeit ist seit der ersten Ankündigung vergangen, doch nun ist schließlich Tweetbot von Tapbots doch erschienen. Für die originelle Bedienlogik ihrer Frühwerke Convertbot und Weightbot wurde die amerikanische App-Schmiede viel gepriesen. Etwas schlichter wurden die Design-Eskapaden schon bei der Clipboard-Erweiterung Pastebot und dem Rechner Calcbot. Alle Tapbots-Produkte bieten dem verspielten iPhone-Nutzer zunächst ein hohes Begeisterungspotenzial, mussten jedoch zumindest auf meinem Taschen-Apple stets nach einiger Zeit wieder pragmatischeren, unoriginelleren aber übersichtlicheren und flinker nutzbaren Alternativen Platz machen.

Nun also stürzt sich der App-Entwickler auch noch in den überfüllten Markt der Twitter-Apps, in dem man meinte, schon alles gesehen zu haben. Umso mehr bemühen sich die Tapbots-Designer abermals, alles etwas origineller zu machen. Die Timeline erstrahlt zunächst im haustypischen Grau in Grau, das für Menschen ohne perfekte Sehfähigkeit aufgrund der geringen Kontraste leider keine sehr glückliche Lösung ist. Für hervorgehobene Elemente werden kräftigere Blautöne gewählt. Mit einem fetten, schraffierten Balken in der Timeline wird beispielsweise angekündigt, dass neue Tweets eingetroffen sind. An Retweets wird ebenfalls ein zusätzlicher Balken angehängt, der allerdings lediglich in einem etwas dunkleren Grauton gehalten ist. Abgeschickte Tweets quittiert Tweetbot dagegen wieder mit einem mächtigen blauen Balken, der jedoch, man ist schon fast froh darum, nach kurzer Zeit wieder verschwindet.

Übernommen hat Tapbot die von Tweetie eingeführte Schiebefunktion bei Tweets. Schiebt man einen Tweet nach rechts, dann – passiert meist gar nichts. Hier ist nämlich die Thread-Anzeige versteckt, die freilich nur eine Funktion hat, wenn der betreffende Tweet auf einen anderen Tweet antwortet. Wird der betreffende Tweet nach links verschoben, so soll nach verwandten Tweets gesucht werden – was auch immer sich hinter diesem Begriff verstecken mag. Im Kurztest wurde stets nur die Meldung Keine verwandten Tweets gefunden angezeigt. Die prominente Schiebefunktion scheint damit im Fall von Tweetbot eher fragwürdig Verwendung zu finden.

Eine Funktionsleiste, wie sie bei Tweetie, heute Twitter for Mac, durch Schieben erscheint, lässt sich in Tweetbot durch einen einfachen Tipp auf einen Tweet öffnen. Diese Leiste erscheint dann abermals als Balken in der Timeline, unter dem betreffenden Tweet. Ein Doppeltipp auf einen Tweet öffnet dessen Detailanzeige. Trifft man beim Doppeltipp allerdings beabsichtigt oder versehentlich auf einen Usernamen oder einen Hashtag, dann werden die Userinformationen oder weitere Tweets mit gleichem Hashtag eingeblendet. Während der Suche nach gleich getaggten Tweets darf der Nutzer von Tweetbot jeweils eine schwarze Seite mit einem mysteriösen Symbol betrachten, bei dem es sich wohl um das Logo des Entwicklers handelt.

Neu eingeführt hat Tapbots die Funktion des Dreifach-Tippens. Im Einstellungsmenü kann der Twitterer wählen, ob dadurch eine Antwort oder ein Retweet generiert werden soll, ob der Tweet als Favorit gekennzeichnet oder übersetzt wird. Ein weiteres Menü kann per Tippen und Halten aktiviert werden. Hier kann ein Tweet kopiert und bei Bedarf in einen neuen, eigenen Tweet eingefügt oder per Mail verschickt und abermals übersetzt werden. Dieses Menü stellt sich allerdings nicht als Balken in der Timeline dar wie das beim Einfachtipp, sondern als Liste von Textbuttons, die den größten Teil des iPhone-Bildschirms überlagern. Eine konsistente Bedienlogik würde der App besser zu Gesicht stehen. Was sich dem Nutzer ebenfalls nicht sofort erschließt, ist die Frage, warum bestimmte Funktionen gleich an mehreren Stellen in verschiedenen Menüs auftauchen. Das verwirrt zunächst eher, als dass es bei der schnellen Eingewöhnung in das Programm unterstützt.

Alle Funktionen werden Tapbots-typisch noch mit mehr oder weniger originellen Geräuschen untermalt. Menschen, die ihre Jugend am Flipperautomaten verbracht haben oder denen es gleich ist, ihre Mitmenschen zu belästigen, werden das lieben, alle anderen können das Zischen und Piepsen glücklicherweise im Einstellungsmenü abschalten. Dort kann auch aus einer reichlichen Anzahl von Linkverkürzern gewählt werden. Leider ist es jedoch nicht möglich, einen individuellen API-Schlüssel für solche Dienste zuzuordnen. Sechs Bilderdienste und drei Videohoster stehen ebenfalls zur Auswahl, sowie die für das zeitversetzte Lesen verbreiteten Services Instapaper und Read It Later. Die Mobilizer von Readability, Google oder Instapaper zur schlankeren Darstellung verlinkter Webseiten wurden in Tweetbot leider nicht integriert, ebenso wenig wie Filteroptionen für die Timeline.

Alles in allem präsentiert sich Tweetbot als ein Twitteragent, bei dem dominante Grafik und starke Effekte über die Inhalte dominieren. Die Timeline selbst wird unter dem Blinken und Getöse der App eher zur Nebensache. Wer allerdings die Breitreifen, das marktschreierische Styling und das überfrachtete Cockpit an seinem BMW liebt, der wird vermutlich auch Tweetbot mögen und vielleicht sogar das hässliche Programmicon auf seiner iPhone-Homescreen dulden. Ich allerdings bin nach kurzem Test freudig zu meiner derzeit favorisierten, unaufgeregten, funktionellen und contentorientierten Twitter-App Tweetlist zurückgekehrt.