Jeder Münchner kennt sie, die Löwenköpfe an der Ostseite der Residenz, links und rechts der Zugänge zum Kapellen- und Kaiserhof. Und immer, wenn man vorbei kommt, gilt es, flink mit der Hand über eine der Löwennasen zu streichen. Das bringe Glück, so sagt man. Unter den Touristen, die die Nasen der Bronzelöwen fast ebenso eifrig rubbeln, geht die Sage, man würde dadurch sicher stellen, bald wieder nach München zurück zu kommen – was ja wiederum in den Augen eines echten Münchners den Inbegriff des Glücks schlechthin darstellt.
Seit 2008 ist im Münchner Stadtmuseum die rundum empfehlenswerte, lokalhistorische Ausstellung Typisch München! zu sehen. Deren Bereich mit dem wunderschönen, von Lion Feuchtwanger entliehenen Titel Kasperl im Klassenkampf ziert nicht zuletzt eine Bronzebüste, die den Schriftsteller Thomas Mann darstellt. Und siehe da, die Nase des Dichterfürsten, bei Eröffnung der Ausstellung mit seriöser, dunkelbrauner Patina belegt wie sein gesamtes Antlitz, leuchtet heute, viereinhalb Jahre später, in goldschimmernd polierter Bronze.
Was wünscht man sich wohl, während man Thomas Manns markanten Gesichtserker reibt? Welche Götter möchte man beschwören, welches Schicksal hold stimmen? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass der Münchner offenbar rubbeln muss, sobald eine Bronzenase in greifbare Nähe rückt. Man sollte allerdings davon ausgehen, dass Mann, trotz fast vierzig Jahren Aufenthalts in München zeitlebens ein steifer Hanseat, die Modifikation seines markanten Profils durch die Hände der bajuwarischen Plebs wohl kaum wohlwollend begrüßt hätte.