Twitter ist ein schönes Kommunikationstool, das flinken Informationsaustausch ohne lange Prozeduren ermöglicht. Leider haben es aber in den letzten Monaten auch vermehrt Network Marketer für sich entdeckt, die hoffen, über diesen Kanal schnell zum Erfolg zu kommen. Das Interessante ist, dass verheißungsvolle Tweets auch immer wieder schnell Gläubige finden, die Werbenachrichten per Retweet wiederholen oder selbst über ihren Account Werbetweets absetzen, um in den Genuss eines Geschenks oder Gewinns zu kommen. So sucht uns zur Zeit beispielsweise die Spam-Invasion einer Webseite namens Macbuzzer heim:
Hinter der Seite steckt der österreichische Interface Designer Dietmar Kerschner, der ein Dateikomprimierungs- und Entpackungs-Programm für den Mac entwickelt hat. Derartige Programme gibt es, kommerziell wie auch als Shareware, Freeware oder im Open-Source-Modell, schon zuhauf am Markt. Um die Kunde von seiner neuen Applikation in den Markt zu tragen, hat sich Kerschner ein nicht ganz neues Modell ausgedacht: Er verspricht einen kostenlosen Lizenzcode für die downloadbare Testversion, die sonst nach vierzehn Tagen ihre Funktion verlieren würde. Um diesem Geschenk einen respektablen Wert zu verleihen, hat Dietmar Kerschner sein Programm namens Rucksack auf der Hompage seiner Werbeaktion mit dem Preisschild 29 Euro versehen. Klickt man allerdings in der Testversion des Programms auf den Button Buy, dann soll einem das Programm plötzlich nur noch mit 24 Euro in Rechnung gestellt werden.
Letztlich spielt dies jedoch eine eher untergeordnete Rolle, wird doch dem interessierten Mac-User das Programm ohnehin gratis versprochen. Aber geschenkt? Weit gefehlt! Kerschner erwartet nämlich gleich ein ganzes Paket von Gegenleistungen: Hat man nämlich auf der Hompage der Werbeaktion den großen, roten Button mit der Aufschrift get now! geklickt, poppt ein Dialogfenster auf, das einen auffordert, sich bei Twitter anzumelden. In einer nicht ganz einfachen Prozedur wird man angehalten, @themacbuzzer zu folgen, da man, so ist zu lesen, sonst keinen Gratisschlüssel für das Programm erhalten wird. Sodann wird einem der Werbetext, der einem bereits seit Stunden, von allen erdenklichen Twitter-Usern wiederholt, die Timeline verstopft, ins Update-Fenster des eigenen Accounts geschickt:
Just got Rucksack for Mac OS X completely free. Nothing paid! Really awesome! But hurry, only until March 23rd at http://www.macbuzzer.com
Hat man ihn abgeschickt und seine Follower damit ebenfalls belästigt, so ist man allerdings noch längst nicht am Ziel. Erst will Kerschner noch die E-Mail-Adresse des künftigen Lizenznehmers haben, um den Lizenzcode dorthin zustellen zu können. Aber halt, ich habe doch schon getwittert, ich hätte die Leistung bereits bekommen! Nun, wer sich bis hierhin hat über den Tisch ziehen lassen, wird jetzt auch nicht aufgeben, und so wird die persönliche E-Mail-Adresse brav eingetippt. Schließich verheißen die Lettern über dem Eingabefeld ja: We will send you your free Rucksack license immediately!
Schon etwas sauer entfernt man wenigstens den Haken vor dem Satz Sign up for Newsletter. Aber schon hat man die Rechnung wieder ohne die Kerschnersche Drückermethode gemacht: Please sign up for the newsletter to receive your free Rucksack license!, reklamieren nämlich jetzt leuchtendrote Buchstaben. Man setzt also resigniert wieder den Haken, meit dem man einen Newsletter unbekannter Form und unbekannten Inhalts bestellt. Nachdem das Formular abgeschickt ist, gibts gleich die verheißungsvolle Rückmeldung:
LICENSE HAS BEEN SENT!
Your free Rucksack license has been sent to your email address.
Your email with your free Rucksack license has been sent.
Natürlich überprüft man sofort sein E-Mail-Postfach und findet dort – nichts. Auch nicht nach Stunden. Auch nicht am nächsten Tag. Keine Mail mit einem Bestätigungslink für die Newsletterbestellung nach dem Double-Opt-In-Verfahren und schon gar keinen Lizenzcode. Und bemüht man die Google-Suche, so stellt man fest, dass man mit diesen Erfahrungen offenbar nicht allein ist:
Zu Tausenden warten Sie da jetzt, die enttäuschten Twitterer, die gerade noch begeistert für ein Produkt Werbung gemacht haben. Für ein Produkt, das sie anderswo sowieso kostenlos bekommen hätten, ohne erst Reklame zu machen, ihre E-Mail-Adresse zum Abschuss freizugeben und Newsletter zu bestellen. Und das ganze noch mit unbekanntem Ausgang: Bisher hat wohl niemand einen Lizenzcode erhalten. Wiederholt man die Prozedur, so erhält man eine veränderte Bestätigung im Browserfenster, so dass zumindest davon auszugehen ist, dass die eigenen Daten schon in der Datenbank des Anbieters vorhanden und nicht verloren gegangen waren. Vielleicht haben ja Dietmar Kerschner und seine Helfer tatsächlich vor, die Seriennummern noch irgenwann zu verschicken. Aber bis hierher verlief die Aktion zutiefst unprofessionell und unseriös. Ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte.
Und jeder, der sich im Social Web bewegt, sollte sich dringend überlegen: Auch wenn solche Werbung laut der Statuten von Twitter und anderen Dienstleistern legitim sein mag, tue ich mir selbst einen Gefallen damit, wenn ich Spam von unbekannten und noch nicht als seriös aufgetretenen Personen und Unternehmen weiterverbreite? Oder schade ich damit möglicherweise doch eher meinem eigenen Ansehen oder gar meiner eigenen, mühsam aufgebauten Marke? Meine Meinung lautet: Die Verheißung eines Gewinns oder Geschenks, zu oft von zweifelhaftem Wert, ist es in den meisten Fällen nicht wert. Das einzige, was man nämlich ganz sicher als Spamverteiler erhält, sind einige Follower weniger.
Ergänzung am 16. März 2010
Da scheint wohl jemand wirklich überfordert gewesen zu sein: Laut Einträgen bei @themacbuzzer auf Twitter gibts nun also wirklich Lizenzcodes. Nicht wie versprochen per E-Mail, sondern zum Abholen auf einer neu eingerichteten Seite. Denn so wichtig sind die lieben Kunden dann doch nicht, dass man ihnen das Versprochene nachliefern würde. Was bleibt, ist dennoch ein schaler Nachgeschmack, nicht nur, was die katastrophale Methodik des Anbieters betrifft, sondern viel mehr noch die Verwunderung über Twitter-User, die ohne zu Hinterfragen für einen kostenlosen Lizenzcode fragwürdigen Werts alles zu geben bereit sind.
Christian Pohle
Klar, daß die Kettenbriefe vor Twitter auch nicht haltmachen. Wieso erwarten die Leute, die mitmachen, eigentlich einen Lizenzschlüssel?
Ich habe schon bei vielen “Leite dieses Mail weiter, sonst hast Du furchtbares Pech” Aktionen NICHT mitgemacht, aber das Pech kam irgendwie nie….
Heiko C.
Andersrum; Das Pech kommt sowieso, egal ob man mitmacht oder nicht. ;-)
Tio
Ob das Programm nun sinnvoll, besser oder schlechter ist als bereits vorhandene mag ich noch nicht beurteilen…
Ich allerdings hatte den Lizenzcode nach 1 Minute im Postfach…
Jens Arne Männig
@ tio: Der Mehrzahl der Interessenten scheint es aber immer noch anders zu gehen. Zumindest deuten die zahlreichen Beschwerden darauf hin. Aber wenn man noch gar nicht weiß, ob ein Programm brauchbar ist, warum unterwirft man sich dann der beschriebenen Tortur der Registrierung und leistet der Sache sogar vorab mit Werbung Vorschub?
Christof
Also ich hab nach dem entscheidenden Klick ca. 2sec später den Lizenzschlüssel im Postfach gehabt.
011i
Wie bei @Tio habe ich die Lizenz ebenfalls ruckzuck erhalten; sie landete allerdings im Spam-Ordner…
rosenkrieger
Ich kann nur sagen – ich habe meine Lizenz sofort erhalten.
Wer bei solchen Aktionen mit macht sollte sich bewusst sein WAS er da tut, nicht umsonst wird eine Anleitung gegeben. Somit sollte jedem klar sein das er bei Twitter folgend muss, den Newsletter abonnieren, etc.
Wer damit nicht einverstanden ist sollte an solchen Aktionen einfach nicht teilnehmen…
Ach ja und hier mein Screenshot aus dem Postfach ( Lizenz Code natürlich verschleiert )
http://img.skitch.com/20100315-emgb5ennrufuu2wj12x6j52cw2.png
Marcel
Egal wie nützlich und eben nicht das Programm auch sein mag, mit solchen Aktionen tut man sich als Entwickler und Mensch einfach keinen Gefallen. Aber eins hat Herr Kerschner ja nun einmal geschafft: Seine Software und sich selbst ins Gespräch zu bringen.
Sören
Schlimm dabei ist ja nur das unbeteiligte Follower mit dem Werbemüll belästigt werden. Es ist erstaunlich wie schnell bei manchen “Menschen” die Gier über das Hirn siegt!
sebastianf
für solche Zwecke habe ich aber auch einen zweiten Twitteraccount, damit ich meine follower nicht nerve. Der ist eh ganz gut um bestimmte Dienste zu testen
Ben
Hallo,
die Abfrage auf der Website überprüft gar nicht, ob man dem Twitter-Account folgt oder getweetet hat. Man muss nur auf den jeweiligen Link klicken und dann: Nichts tun. Ausser zum nächsten Schritt gehen.
Und zuletzt benutzt man einfach eine Trash-Mail Adresse. Hat beim ersten Mal auch nicht geklappt, gestern ging’s dann und der Code kam innerhalb weniger Minuten. Ohne das ich getweetet hätte, Macbuzz followe oder einen Newsletter abonniert habe.
Was natürlich nicht die Seriösität dieser Methode rechtfertigt. Denn im Grunde hast Du recht. Ich bin mit meinem “The Unarchiver” vollkommen zufrieden. Rucksack habe mich mir nur schnell gesichert, um den Code zu haben. Und wegen des tollen Plastik-Icons. Das Konzept scheint also auf zu gehen.
Mike
“Network Marketer” … Das ist doch nur ein Euphemismus für “Spammer”
Jan
Also ich kann dem Gedanken zum Thema Twitterspam durchaus folgen. Deshalb gibt es Leute, die mehrere Accounts bei Twitter haben ;-)
Ich habe übrigens ebenfalls bei der Aktion mitgemacht und meinen Lizenzcode bereits nach wenigen Sekunden erhalten (am Sonntagabend gegen 19 Uhr).
Übrigens kann man auf der Twitter-Webseite einen Tweet auch löschen. Das mache ich in solchen Fällen nach wenigen Sekunden. Alles in allem also durchaus ein “social-media fail” in Gold für den Anbieter – aber etwas mitdenken im Sinne von Schmarotzertum durch o.g. Maßnahmen kann dann auch nicht schaden. Oder steht in den AGB, dass es der eigene Hauptaccount sein muss und man den Tweet nicht löschen darf? ;-)
Basti
Das geschieht ihnen Recht!
Jonas
Hmm, Herr Männig, da freue ich mich aber, dass ich hier jetzt eine Anleitung bekomme, wie ich als Schmarotzer und “Mensch” an die Software komme, ohne meine Follower zu nerven. Danke!
Ach ja, ist es eigentlich ein Unterschied wenn MacHeist so etwas anbietet? Ich meine, die Spenden dann einen Teil der Erlöse. Oder ist es grundsätzlich verwerflich, Twitter für solche Dinge zu benutzen. Was passiert eigentlich mit meiner E-Mail-Adresse, die ich hier hinterlasse (ausser, das sie nicht veröffentlicht wird)? Ich habe meinen Lizensschlüssel schnell bekommen und habe auch nichts dagegen, anderen Menschen via Twitter von der kostenlosen Aktion zu erzählen…
Jens Arne Männig
@Jonas: Das Geschäftsmodell von MacHeist ist mir im Detail nicht bekannt. Ich tendiere ohnehin dazu, Software zu kaufen, die ich benötige und wenn ich sie benötige und nicht Bundles, weil diese gerade vergünstigt angeboten werden. Vom eingesparten Geld lässt sich dann auch gut für einen Zweck der eigenen Wahl spenden.
Die E-Mail-Adresse dient dem Zweck, bei Bedarf mit dem Kommentator Kontakt aufnehmen zu können und erlaubt darüber hinaus, dass ein Avatar (Gravatar) dem Kommentar zugefügt wird.
fatmike182
#1) Der Hinweis auf dieses Blogposting wurde ebenfalls via Spam verschickt — so what? http://twitter.com/RUCKSACKOSXSPAM/status/10732948777
Auf einer Seite solche Strategien verteufeln, aber dann selbst ausüben?
#2) Einem geschenkten Gaul…
Wäre ich an dem Produkt nicht interessiert gewesen, hätte ich die Prozedur nicht über mich ergehen lassen. In dem Fall (im Ggsatz zu #1) habe ich dadurch einen wirklichen Mehrwert: für split&concat, passwort-schützen von Archiven, entraren hatte ich bis dato 3 verschiedene Freewaretools im Einsatz, hier gehts mit einem einzigen.
Mit der Email-problematik war ich nichtmal konfrontiert (da die angegebene Adresse ohnehin eine 2.Adresse für Spammails ist auf die ich nahezu nie abrufe), da zu der Zeit die Lizenz-ausgabe-Seite bereits vorhanden war.
Ich verstehe den Frust hinter dem Blogposting nur sehr wenig. Den Schritt ins 10er Jahr haben wir schon getan & genauso wie man sich angewöhnt hat, aufgrund der vielfachen Mail-Angaben eine Spamadresse einzurichten, wird man sich in Zeiten von Twitter nun auch eben einen Spam-Twitter-Account anlegen (hab ich noch nicht gemacht – du scheinbar schon (?)).
Jens Arne Männig
@fatmike182: Weder bin ich Inhaber des Twitter-Accounts @RUCKSACKOSXSPAM, noch weiß ich, wer sich dahinter verbirgt. Dass sich der Sinn meines Artikels einem Teil der Leser nicht erschlossen hat, bedaure ich natürlich außerordentlich, freue mich aber selbstverständlich darüber, dass er auch von dieser Gruppe gern kommentiert wird.
Malte
Hört doch bitte auf zu jammern!
Dass ein Tool wie Twitter für Werbeaktionen genutzt wird versteht sich von selbst.
Ich habe einen Twitter Account der EXTRA dafür da ist!
Abgesehen davon gibt es keinen vernünftigen Grund ein kostenpflichtiges Programm zu verteufeln, nur weil es ein OpenSourve/Freeware Pendant gibt.
Ich bin zufrieden mit Rucksack.app und free mich darüber die Lizenz gratis bekommen zu haben. Ich hätte sie sonst sowieso gekauft.
Dass deswegen die paar Abonnenten meines Twitter Accounts leiden mussten: mir vollkommen egal!
Social Media Man
Wie Malte sagt! Das Twitter wie FB und fast alle anderen Seiten als Werbefläche, Viral-Tool/Mundpropaganda genutzt ist doch wohl klar bzw. war abzusehen.
Ob Firmen nur davon profitieren ist natürlich auf einem anderen Blatt geschrieben.
Frank
Schöne lesenswerte Beiträge.Vielen Dank.