In den Jahren 1946 bis 1948 plante Egon Eiermann die Doppelhäuser der Siedlernotgemeinschaft in Hettingen und ein Webereigebäude in Krautheim. Typisch für beide Bauten: Die schräg stehenden Stützen vor der Fassade, auf denen die Fußpfette der weit überstehenden Dächer gelagert ist. In ihrer V-förmigen Stellung sind diese Streben ein ansprechendes und statisch durchaus sinnvolles Mittel der Fassadengliederung.
Wie anders der Erweiterungsbau des Gymnasiums in Kirchheim bei München. Galten die ursprünglichen, 1982 errichteten Gebäude des Architektenehepaares Krebs noch als Vorbild für einige weitere Schulbauten in Oberbayern, regiert beim Neubau, bereits im Februar 2011 eingeweiht und inzwischen auch schon fast fertig gestellt, Einfallslosigkeit und Dekoration.
Die massigen Betonfertigteile wurden mit gelber Farbe durchgefärbt, die sich jedoch aufgrund schwankender Fertigungsqualität sehr unterschiedlich darstellt. Offenbar hatte der Architekt des schweren Gebäudeblocks dann doch ein schlechtes Gewissen und besann sich des eingangs genannten Eiermann-Motivs, um die wuchtige und nichtssagende Fassade dann doch wieder etwas erträglicher erscheinen zu lassen.
Die Streben haben am Kirchheimer Gymnasium allerdings keine Funktion, weshalb sie auch kurzerhand kreuz und quer angeordnet wurden. Die nicht vorhandene Aufgabe wollen die dürren Mikado-Stäbchen offenbar mit grellen Farben wett machen. Da wirkt es schon fast beruhigend, wenn ein vertikales, grau feuerverzinktes Fallrohr der Dachentwässerung die optische Stabilität wieder etwas herstellt.
Aber schließlich hat man wohl doch noch eine Funktion für die Fassadenstängchen ausgemacht: An jedes davon hat man einen Chinesischen Blauregen, eine aus Asien eingeschleppte Zierpflanze, gesetzt, die sich offenbar daran hochranken soll. Allerdings haben es die Gärtner, wie so oft, mit dem Rindenmulch nur allzu gut gemeint. Der übersäuert den Boden, was der Blauregen nicht mag. Und so bleibt in einigen Fällen nur ein abgestorbenes Pflänzchen zurück, noch bevor die Schule richtig fertig ist.
Zurück bleiben bunte, schief stehende Stängchen vor einer plumpen, einfallslosen Fassade. Manchmal wünschte man sich wirklich den alten Eiermann zurück.