Twitter ist ja immer mal für einen Schrecken gut. So auch heute Morgen. Da weist eine junge Dame, der man erst seit gestern folgt, darauf hin, dass sie gerade Milchschaum aus der Dose verwendet. Originalton im leider weit verbreiteten Twitterjargon: Weil ich es kann.
Aber halt: Milchschaum aus der Dose? Sollte unsere Zivilisation tatsächlich schon bei derart abgründigen Perversionen angelangt sein? Eine kurze Recherche ergibt: Tatsächlich. So etwas gibt es. Und das schon seit etwa vier Jahren. Einer der Anbieter ist die Allgäuer Alpenmilch GmbH, ein Unternehmen des Nestlé-Konzerns, das jedem reklameaffinen Kind der fünfziger bis nuller Jahre durch den drolligen Teddy bekannt ist, der für die konzerneigene Bärenmarke wirbt. Bärenmarke Milchschaum mit Alpenmilch heißt das Produkt. Die Sprühdose mit 250 Gramm Inhalt ist für einen Preis von 1,65 Euro im Lebensmitteleinzelhandel zu erstehen. Ein stolzer Preis, denn das sprühfertige Produkt kostet damit fast zwölfmal so viel wie handelsübliche frische Vollmilch.
Der Milchschaum mit Alpenmilch wurde noch vor einiger Zeit als Milchschaum aus Alpenmilch verkauft. Warum sich der Name wohl ändern musste, macht ein Blick auf das rückseitige Etikett deutlich. Dort findet man in der Zutatenliste Magermilch (88%), gehärtete Pflanzenfette (3,8%), Milcheiweiß, Emulgatoren E 471, E 472e, Stabilisatoren E 407, E 460, E 466, E 331, Aroma. Treibgas: Distickstoffmonoxid. Und als weiteren Hinweis: Zusätzliche Informationen für Allergiker: Kann Spuren von glutenhaltigem Getreide, Ei und Soja enthalten. Interessant: Der Milch wird das natürliche Fett entzogen und dann wieder Pflanzenfett in ungefähr gleichem Anteil zugesetzt. Praktisch auch, dass der Milchschaum mit Lachgas (Distickstoffmonoxyd), einem bewährten Narkosemittel, aufgeschäumt wird. So führt der Kaffee unter dem Milchschaum nicht zu allzu viel Aufregung, und gleichzeitig kommt wegen der weggeworfenen Dosenverpackung hoffentlich kein zu schlechtes Umweltgewissen auf.
Fazit: Milchschaum aus der Dose ist massiv überteuert, industriell zusammengepanscht und produziert eine Menge Müll. Wie aber dann den Milchschschaum für den Cappuccino bereiten? Als Verfechter der Kunst des einfachen Kaffeekochens habe ich vor einiger Zeit den Milchaufschäumer mit dem etwas albernen Namen Kult von WMF entdeckt. Der zuvor verwendete kleine Elektroquirl fraß einfach zu viele Batterien und war mit wiederaufladbaren Akkus aufgrund der niedrigeren Stromspannung nur mangelhaft zu betreiben. Der mechanische Milchmixer von WMF bereitet den Milchschaum trotz oder gerade wegen der Handarbeit schneller und zuverlässiger. Vor allem aber kann man den Milchschaum aus warmer Milch bereiten, so dass der Cappuccino oder Milchkaffee nicht fast kalt getrunken werden muss – ein weiterer Problempunkt der merkwürdigen Dosenmixtur.
Der Milchaufschäumer Kult ist für knapp 20 Euro in Haushaltswarengeschäften, Warenhäusern oder direkt auf der WMF-Internetseite zu kaufen. Nicht direkt ein Schnäppchen, aber rein rechnerisch ist der Bärenmarke-Dosenschaum schon nach gut 13 Büchsen teurer als der qualitativ hochwertige Kult und richtige, schmackhafte Vollmilch. Weniger Müll und vielleicht ein daraus resultierendes besseres Gewissen gibts kostenlos dazu. Meine Empfehlung der Woche für wirklich brauchbares Küchenwerkzeug!
Ach ja, und die erst frisch verfolgte Twitteruserin habe ich natürlich gleich wieder entfolgt. Denn mein Verständnis für Unsinn ist zwar schier unermesslich, hat aber irgendwo auch seine Grenzen. Hätte sie nicht geschützt getwittert, dann hätten wir uns das Folge- und Entfolgespielchen auch sparen können.
Frank Kemper
Wer einerseits nicht einfach den Perversionen der modernen Welt nachgeben will, andererseits aber schon auf eine gewisse technische Finesse Wert legt, der kann auch zum Bodum 1446-01 LATTEO Glas-Milchaufschäumer greifen. Das Grät funktioniert auf den ersten Blick wie die bekannten Bodum-Kaffeemaschinen. Für den der beides nicht kennt, eine kurze Erklärung: Eine Bodum-Kaffeemaschine besteht aus einem zylindrischen Glasbehälter mit einem Metalldeckel drauf. In der Mitte des Deckels sitzt eine Gleitbuchse, durch die eine Kolbenstange geführt ist, an deren Ende eine Metallscheibe mit eingebautem Dauer-Filter sitzt. Man füllt drei Messlöffel Kaffeepulver in das Glas, kippt einen Liter kochendes Wasser drauf, setzt den Deckel auf und drückt mit der Hand langsam die Stange mit der Filterscheibe bis zum Anschlag nach unten: Fertig ist der Kaffee – den Kaffeesatz hält der Filter im unteren Teil der Glaskaraffe fest. Nach dem Kaffeetrinken einfach Kolbenstange rausziehen, Deckel abnehmen, alles unter fließend Wasser abspülen – fertig.
Der Bodum-Milchaufschäumer funktioniert ähnlich, nur ist die “Filterscheibe” nicht aus Metall, sondern aus Kunststoff, und sie ist auch kein feinporiger Filter, sondern eher ein Sieb. Milchschaummachen ist damit eine Sache von zwei Minuten dreißig: Kalte Milch aus dem Kühlschrank nehmen, bis zum Maßstrich in den Glasbecher füllen (etwa 0,3 Liter passen rein), dann den Becher ohne Deckel in die Mikrowelle stellen (2 Minuten bei 500 Watt). Anschließend den Becher mit der jetzt heißen Milch aus der Mikrowelle nehmen, den Deckel aufsetzen und ein paarmal kräftig mit der Kolbenstange hoch- und runterstampfen (vielleicht zehnmal). Fertig ist der Milchschaum, der auf einem Spiegel aus heißer Milch schwimmt. Mit etwas Geschick lässt sich jetzt allerliebst regulieren, wie viel Milch und wie viel Milchschaum man in seinen Capuccino haben will.
Und weil Bodum – im Gegensatz zu WehEmmEff – ja nur billiges dänisches Designergeraffel ist, kostet das Ding auch weniger als 20 Euro, oder – anders gesagt – etwa so viel wie drei Kafee Tallafitti mit Sojamilch beim Starbucks. Immerhin, eins eint die deutsche und die dänische Hartware: Man kann damit – im Gegensatz zum Bärenmarke-Schaumzeugs – einen laktosefreien Cappucino zubereiten, etwas, wofür mir eine ganz spezielle Dame, die mir sehr am Herzen liegt, überaus dankbar ist.