Ich mag ja keinen Filterkaffee. Früher, als es hier, im mitteleuropäischen Raum, mit Ausnahme des kultivierten Österreich kaum was anderes gab, habe ich eben das Teetrinken zelebriert. Aber irgendwann, vor gut 20 Jahren, schwappte die Espressomode von Süden her über die Alpen. Dieses Zeug hatte mir schon in Italienurlauben geschmeckt, und so ließ ich mich gern anstecken.
Die erste Espressomaschine in meinem Junggesellenhaushalt war eine von Krups. Ein Siebträgergerät, das eher gut gemeint als gut konstruiert war und das an der Krankheit der meisten billigen Maschinen dieser Art litt: Es war einfach zu leicht. Beim Fixieren oder Lösen des Siebträgers musste stets mit der anderen Hand das Gehäuse festgehalten werden, damit man die Maschine nicht durch die ganze Küche wirbelte.
Da dies auf Dauer nicht befriedigend war, musste etwas Neues her. Mein Auge fiel auf das, was damals vermeintlich das Feinste auf dem Markt war, auf das damalige Spitzenmodell der Schweizer Jura Elektroapparate AG, die Impressa Ultra. Und tatsächlich: Der blitzende Vollautomat mit grünleuchtendem Display und Tasten für die Produktauswahl produzierte nach einigen Tagen Einstellarbeit wirklich brauchbaren Espresso.
Was sich als mühsamer erwies, war die Handhabung des Autocappuccinatore genannten Milchschaumbereiters. Der mochte nämlich nicht mit jeder Milchsorte, die man ihm vorsetzte, zurechtkommen, spuckte bei manchen statt luftigem Schaum nur lauwarme Milch aus und war ohnehin sehr pflegeintensiv. Stunden über Stunden brachte ich mit dem Zerlegen und Reinigen dieses Zusatzgeräts mit Bürstchen und Holzzahnstochern zu.
Der Kaffeetrakt der Maschine forderte in der Zwischenzeit seine regelmäßigen Reinigungsläufe und Entkalkungsvorgänge, natürlich stets mit besonderen chemischen Mitteln, die vom Hersteller der Maschine freigegeben und nicht ganz billig waren. Zwar waren diese Prozeduren teilautomatisiert, erforderten aber dennoch die ständige Präsenz des Besitzers, an den die Maschine per Befehl im Display die weiteren Aufgaben delegierte.
Eines Tages jedoch geschah, was wohl fast jeder Besitzer einer Jura kennt: Der Kaffee landete nicht mehr in der in das Gerät gestellten Tasse, sondern in der Tropfschale darunter. Die Ursache des Problems war mithilfe eines Internetforums bald gefunden. Offenbar hatte ein Dichtungsring am Brühwerk einen Dienst nach etwa 2.000 Tassen Kaffee aufgegeben. Die Lösung: Maschine zum Händler, der sie in die Werkstatt schickt. Von Fachhändler avisierter Zeitraum für die Reparatur: Zwei Wochen.
Nein, so lange wollte ich nicht ohne Kaffee sein, also beschloss ich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Dass dies nicht im Sinne des Herstellers der Maschinen war, wurde mir schnell klar. Das Gehäuse war mit exotischen Ovalkopf-Schrauben verschlossen, um den Gedanken an Selbsthilfe gar nicht erst aufkommen zu lassen. Als alter Bastler lässt man sich von so etwas natürlich nicht abschrecken. Und so drang ich, unter begleitendem Genuss einiger Gläser Weißbier, denn Kaffee gab es ja nun nicht mehr, allmählich zum Corpus Delicti vor.
Mit einem kaputten Gummiring in der Hand sprach ich am folgenden Tag bei der Kaffemaschinenwerkstatt am anderen Ende der Stadt vor. Nein, erklärte man mir, separat könne man diese Dichtungsringe nicht erwerben, lediglich die komplette Brüheinheit sei komplett zu kaufen, und überdies im Austausch. So führte also der Weg zunächst wieder nach Hause, um tags darauf abermals mit der vollständigen Brühgruppe der Maschine in der Werkstatt zu stehen.
Für einen fürstlichen Betrag durfte ich diesmal das Plastikinnenleben meiner Jura gegen ein identisches mit nicht defektem Gummiring eintauschen, und zwei Stunden Schraubarbeit und drei Weißbier später funktionierte die Kaffeemaschine wieder wie am ersten Tag. Doch dabei sollte es nicht dauerhaft bleiben. Mal war es die Dichtung des Wassertanks, mal der Schlauch des Milchschaumbereiters, mal die Kontakte der Tresterschublade und immer wieder die Brüheinheit, die intensiver Wartung und Pflege bedurften. Der Kaffeekonsum wurde immer überschaubarer, der des bei den Reparaturen getrunkenen Weißbiers immer exzessiver.
Schließlich verabschiedete sich auch noch, Schritt für Schritt, das bis dahin grün blinkende Display der Maschine. Zunächst waren es einzelne Pixel, die ausfielen, dann ganze Buchstaben, und schließlich konnte man die einzelnen Punkte, die leuchteten, bestenfalls noch für einen seltenen klingonischen Dialekt halten. Als dann noch von einem Tag auf den anderen die Heizung der Milchschäumeinheit ausfiel, hatte ich die Nase endgültig voll.
Ich erinnerte mich an die Bialetti-Espressokanne, die seit einem lange zurückliegenden Italienurlaub noch im Keller lag, füllte sie mit Leitungswasser und gemahlenem Espresso und genoss schon wenige Minuten später einen köstlichen Kaffee. Nanu, konnte das etwa so einfach sein? Aber wenn man mal einen Cappuccino wollte? Ein batteriebetriebener Milchaufschäumer war schnell besorgt.
Und siehe da: Fürderhin brauchte ich für meine Kaffeeleidenschaft nur noch ein Drittel bis die Hälfte der bisherigen Zeit. Keine Aufheizzeiten für die Maschine, keine langwierige Pflege, einfach das gute alte Aluminium-Espressokännchen auf den Herd und fertig. Auf der Herdplatte findet neben der Bialetti-Kanne fallweise noch ein kleiner Milchtopf Platz, so das die ganze Prozedur ruckzuck und gleichzeitig stattfindet.
Wo war jetzt nochmal der Vorteil eines Kaffee-Vollautomaten? Mit der klassischen Methode mit dem Espressokännchen wird weniger Zeit und weniger Strom verbraucht, und deutlich preiswerter ist sie ohnehin. Vom ursprünglichen Plan, mir wieder eine Siebträgermaschine zuzulegen, diesmal allerdings eine solidere, bin ich deshalb längst abgekommen. Ich werde bei der simplen Espressokanne bleiben. Wie sagte doch mal einer meiner Lehrer so richtig zu mir: »Da haben Sie jetzt lange und hart arbeiten müssen, bis alles so einfach geworden ist.«
Michael Jäger
Klasse geschrieben und absolut nachvollziehbar. Auch bei uns blockiert ein Vollautomat wertvollen Platz in der Küche.
Die einzige Funktion, die er immer noch tadellos erfüllt, ist die des Tassenwärmers.
Moritz
Ich habe inzwischen sogar schon dem Espresso abgeschworen und bin aufgrund der Vorliebe für Koffein und Menge gänzlich auf die “French-Press” umgestiegen. Kaffee in seiner urpsrünglichsten Form- Aufwand noch geringer als für die kleine Espresso :)
Wolfgang Mederle
Ich hab ja lang überlegt, wie ich die Kaffeesituation hier verbessern kann (billige, kaum noch genutzte Bosch-Siebträgermaschine, Bialetti-Kanne, als Kaffeemühle genutzter “Magic Max”-Zerkleinerer). Vollautomaten will ich keine — die Probleme mit Juras kenne ich zur Genüge aus der Arbeit, vor allem das Kontaktproblem der Tresterschublade, und mal schnell 300 Euro für eine Kaffeemühle und nochmal 300 für eine bessere Siebträgermaschine sind mir einfach zu viel.
Im Sinne des Weniger ist Mehr habe ich jetzt eine Hand-Kaffeemühle von Peugeot (und neue Dichtungen für den Mokkamacher) bestellt. Braucht gar keinen Strom und ist viel billiger. Jetzt muß ich nur noch herausfinden, wie ich mit der Bialetti eine Crema hinbekomme.
Gabriele
Genau so erlebe ich es im Moment in meinem Umfeld auch.
Frischer selbstgemahlener Kaffee, Kännchen und Milchtopf auf die Platte, Milch mit ‘nem Schneebesen aufschlagen – fertig!
holadiho
Schöner Artikel – habe sehr ähnliche Erfahrungen mit ein bisschen anderer Wegführung (Nespresso und so, siehe hier http://beimnollar.wordpress.com/2009/04/05/gebt-mir-meinen-kaffee-zuruck-die-produktifizierung-des-alltags-mit-nespresso-und-co/ ).
Simon
Hachja, dieses Vollautomatengedöns für zuhause hat mir noch nie zugesagt. Das Zeug gehört in die Kantine meinetwegen.
Ich bevorzuge dem (allermeisten) Automatenkaffee und -espresso ja Kaffee nach bodum-Runterdrücker-Art (nix Filterkaffee, der ist wiederum auch nicht ganz so gut!). Schon mal aufgefallen, dass auch jeder Senseo-Kaffee diesen typischen Senseo-Beigeschmack hat, der irgendwie das Geschmackserlebnis versaut? Vielleicht ist’s auch kein Beigeschmack, sondern eher ein Geschmacksfehler, oder sogar ein Fehlen des Geschmacks.
Gerade diese kleinen niedlichen Espressokännchen für’n Herd sagen mir da genauso zu wie die Milchschäumer-Töpfchen – wenn ich’s trinken würde. Die Batterieschäumer haben übrigens nie so einen feinen Schaum hinbekommen wie diese Topf-Milchschäumer bei mir.
Ähm, hjja.
Gut geschrieben, fasst meine Meinung hierzu ziemlich zusammen ;)
tornedo
Das ist mir bisher doch etwas zu einseitig. Also ich gestehe: Ich liebe meine Jura (S9). Aktueller Stand 11525 Bezüge.
Dank der Einschaltautomatik frühmorgens innerhalb von 20 Sekunden die erste Tasse von diesem unabdingbaren, heissen, schwarzen, morgentlichen Coffeinpushup.
Auch wenn die Jura nicht den besten Espresso macht, nach Meiner Meinung trotzdem um Klassen besser, wie diese komische cremafreie Brühe aus diesen aluminiumverseuchten Cafetieras:
Aufschrauben, Wasser einfüllen, Pulver mahlen, Pulver einfüllen, auf Herdplatte und dann warten….
Ok, man kann dann ja die Zeit nutzen, um das verschüttete Pulver wieder wegputzen… Wer Rituale mag…
Für mich ein NoGo!
Bei der Jura dagegen eine ausgefeilte, konsequente Art subtiler, netter, direkter und motivierender Kommunikation: “Trester leeren” “Wasser füllen” “Jetzt reinigen” ” Maschine entkalken”, “Schale leeren”. Bevor man das nicht mache geht gar nichts mehr. Das schult und ist soziales Coaching, weil es selbst Singles die zickige Partnerin nicht mehr vermissen lässt.
Was den Milchschaum angeht gebe ich Jens Arne recht. Da mache ich seit Jahren meine KanBan-Erfahrungen. Bisheriger Sieger war der Aeroccino+ von Nespresso. Macht zwar guten Schaum. Sabbert aber, hat zu wenig Inhalt und ist zu teuer. Mein aktueller Favorit: Kalte Milch mit Zauberstab (flache Scheibe) aufmixen. Danach für ein paar Sekunden in die Mikrowelle. Super Schaum in ca. 30 Sek.
Johannes
Servus!
Dein Artikel spricht mir aus dem Herzen. Filterkaffee… das gibts ja heut gar nich mehr. Ich fand das früher immer so “eklig” als meine Eltern die Brühe getrunken haben, aber jetzt bin ich ein absoluter Kaffee-Fanat.
Kannst Du mir eine Maschine empfehlen, die Espresso und Milchschaum machen kann, und das pro Tasse möglichst günstig?
Grüsse
Johannes
Jens Arne Männig
@Johannes: Meine Empfehlung habe ich ja versucht, in diesem Artikel auszusprechen. Aber gern fasse ich sie hier noch einmal kurz zusammen:
1. Kaffee
2. Milch
Timo Brandt
Jaja, das leidige Problem mit den Vollautomaten.
Ich nutze auch nur die Bialetti-Kanne, auf einem Gasherd, und freue mich jedes mal über schnell und unkompliziert aufgebrühten Espresso!
So long….
frauziefle
aber schön sehen sie schon aus, finde ich, da stehe ich schon immer gerne davor und staune.
Espresso machen wir aber auch schon seit … Moment ….15 Jahren in derselben Kanne. 10 Mark auf einem italienischen Wochenmarkt. Und viele Herde haben inzwischen solche 3 in 1 Platten, so dass man für die winzige Espressokanne auch nur die winzige innere Platte anmachen muss.
Kiki
Sehr schön. Nachdem mir der Kaffee aus der Bialetti nicht so gut schmeckt, ich eine Abneigung gegen Vollautomaten habe (noch dazu mit Milcheinheit, bei deren Ansicht ich grundsätzlich das Gefühl habe, die Keime quasi krabbeln und bockspringen zu sehen), meine Siebträgermaschine jedoch leider irgendwann hinüber war und die Reparatur nicht lohnte bin ich bei der guten, alten French Press hängengeblieben. Die teure und sehr gute Demoka Mühle aus der Siebträgerphase habe ich allerdings behalten, und mit dieser Kombi schmeckt der frisch gemahlene Kaffee einfach himmlisch. Ab und zu liebäugele ich doch noch mal mit einer Siebträgerschönheit, aber wer wie ich nur eine oder zwei Tassen Kaffee am Tag trinkt, schiesst da definitiv mit Kanonen auf Spatzen.
giardino
Gleicher Werdegang: Caffettiera für auf den Herd, Krups mit “Siebträger”, Jura Vollautomat (allerdings nur mit Dampfbügel). Die ständige Frage, was an einem Vollautomat eigentlich noch vollautomatisch ist, wenn man alle 2 Bezüge vom Display zum Bohnen füllen, Trester leeren, Wasser füllen, Reinigen, Entkalken usw. herumkommandiert wird. Da unsere Hochzeitsfeier plötzlich das Geld in unsere Kasse spülte, das wir sonst im Leben nicht dafür ausgegeben hätten, haben wir dann aber den Abzweig zu einer echten Siebträgermaschine genommen und uns endlich die Laspaziale Mini Vivaldi gekauft, um die wir in den Jahren zuvor virtuell herumgeschlichen waren, seufzend. Jetzt sind wir seit 2 Jahren glücklich damit, jeden Tag. Der Kaffee ist lecker, sie sieht toll aus und sie macht viel, viel weniger Arbeit als die Jura.