Männig

Feeds für Fortgeschrittene: Fever auf dem iPhone

Von den über 50 Millionen deutschen Internetnutzern ist nur ein geringer Prozentsatz mit der Funktionalität von Feeds vertraut. In diesem Segment verlassen sich die meisten User auf den Google Reader, lediglich wenige nutzen dezentrale Feedreader auf ihren eigenen Geräten oder gar serverbasierte Lösungen im eigenen oder gemieteten Webspace. Der prototypische Vertreter des letztgenannten Segments ist Fever. Lässt man sich von den Lizenzgebühren in Höhe von 30 US-Dollar und dem Installationsaufwand nicht abschrecken, dann verfügt man mit Fever über das schnellste und übersichtlichste Tool das man sich zum Bearbeiten einer großen Anzahl von Feeds vorstellen kann.

Fever bietet im Browser, über den stets auf den Feedreader zugegriffen wird, ein ansprechend gestaltetes Frontend. Doch was, wenn man unterwegs ist? Verfügt man nicht nur über eine eigene Fever-Installation, sondern obendrein über ein iPhone, dann bieten sich drei unterschiedliche Möglichkeiten an, die abonnierten Feeds auf dem Apple-Telefon zu lesen. Klar ist: Die Gruppe derer, die dies tut, dürfte in Deutschland vermutlich bei ungefähr zwölf liegen. Dennoch konnte ich es mir nicht verkneifen, meine diesbezüglichen Erfahrungen hier kurz zusammenzufassen.

Fever im Browser

Fever liefert eine für Mobilgeräte optimierte Ansicht, sobald ein mobiler Browser wie Mobile Safari oder das unübertroffene iCab Mobile vom System erkannt wird. Diese Ansicht ist elegant, neutral gestaltet und beinhaltet die überwiegende Zahl der Funktionen, die auch bei der Darstellung im Browser des Desktops oder Notebooks geliefert werden. Die reduzierte Bildschirmgröße des iPhones lässt freilich eine zwei- bis dreispaltige Ansicht nicht zu. Deshalb ist auf dem Mobilgerät ein deutlich häufigerer Wechsel zwischen den Einzelansichten erforderlich, was die Sache weniger komfortabel macht.

Was darüber hinaus einige Geduld erfordert, ist das Laden längerer Artikellisten. Hier werden jeweils nur einzelne Tranchen von je 20 Artikelheadern aufgerufen. Erst dann, wenn man bis zum letzten Eintrag der Liste gescrollt hat, werden die Überschriften von weiteren 20 Artikeln geladen. Erweiterungen und Übergabepunkte zu anderen Services sucht man in der selbstgehosteten Webapp freilich vergebens. Hier muss sich der Fever-Nutzer mit Bookmarklets behelfen, die die gewünschten Funktionen via JavaScript im Browser aufrufen. Das im Grundpaket enthaltene Original-Frontend des Feedreaders im Browser funktioniert damit zufriedenstellend, aber längst nicht so komfortabel, wie man sich dies zum schnellen Feedkonsum wünschen würde.

Reeder

Seit Erscheinen der Version 3.0 unterstützt Reeder, der Vertreter der Referenzklasse für Google-Reader-Apps auf dem iPhone, auch Fever. Die Verbindungsdaten sind schnell in den Einstellungen des Programms eingegeben, das Herunterladen der gespeicherten Feed-Informationen und Artikel gestaltet sich problemlos. Schon vor dem Öffnen der App liefert ein optionaler unread count badge die Information, wie viele Artikel zum jeweiligen Zeitpunkt noch ungelesen sind.

Nach dem Start zeigt Reeder ein elegantes und geschliffenes Interface, in dem sich Fehlsichtige lediglich manchmal etwas stärkere Kontraste wünschen würden. Schriftgrößen und die Ausrichtung von Überschriften sind individuell einstellbar. Durchdachte Gesten machen die Bedienung intuitiv und einfach. Wird von einem Feed statt der gesamten Artikelansicht nur ein Anriss geliefert, so lädt ein einfacher Tipp auf das Readability-Icon den gesamten Artikel im gleichen Bildschirm nach. Dies erweist sich in der Praxis als ein Feature, das man schon bald nicht mehr missen möchte.

Bilder in Artikeln können per Pinch-Geste vergrößert werden – oder man lässt sich mit zwei Tipps den Alt-Text anzeigen oder speichert das Bild in der camera roll des iPhones ab. Mit ganzen 13 Möglichkeiten der Weitergabe von Links gerade angezeigter Artikel erweist sich Reeder als social-media-orientierter Sharing-Meister. In der detaillierten Artikelansicht kann der User aus der normalen Webdarstellung und den Mobilizern von Readability, Instapaper oder Google wählen.

Auf die besonderen Möglichkeiten von Fever geht Reeder aber leider nur eingeschränkt ein. So verfügt er über die Option, bei Start und Abruf der Feeds einen refresh on server anzustoßen. Das Handling der Hot Links, einer besondere Funktion von Fever, mit der Hypes und viel diskutierte Nachrichten verfolgt werden können, beherrscht die App dagegen nur in überschaubaren Grenzen. So werden beispielsweise die Temperaturwerte mit denen Trendthemen klassifiziert werden, unter Reeder nicht angezeigt. Ganz verzichten muss der Reeder-Nutzer sogar auf die Darstellung der Sparks genannten Feeds zweiter Klasse, die normalerweise nicht gelesen werden, die jedoch in die aktuellen Trendberechnungen eingehen.

Reeder ist im iTunes Store für 2,39 Euro erhältlich.

Sunstroke

Sunstroke verfolgt einen anderen Ansatz. Die App wurde allein dazu entwickelt, alle Funktionen der Fever-Webinstallation bestmöglich auf dem iPhone abzubilden. Und dies ist auch rundherum gelungen. Ob Feed- oder Artikellisten, Hot Links, Kindlings oder Sparks: Sunstroke liefert alles genau dort, wo man es erwarten würde. Das Programm ist auch bei einer großen Zahl von Abos ausgesprochen schnell, was die Ladezeiten der Feeds und Artikel betrifft.

Auf der Benutzeroberfläche fühlt man sich sofort und bis tief in die Details hinein zuhause, wenn man zuvor den Reeder bedient hat. Zwar bleibt es dem Nutzer verborgen, wer sich hier von wem hat inspirieren lassen, jedoch ähneln sich die GUIs wie Zwillinge – die allerdings unterschiedliche Friseure und Visagisten konsultiert haben. Dabei kann Sunstroke nie an die Eleganz von Reeder heranreichen, bietet jedoch auch absolut Brauchbares. Die nahtlose Readability-Integration sucht man in Sunstroke vergeblich, aber mit einem Tipp ist man auch schon in der Artikel-Detailansicht, die optional per Instapaper Mobilizer und damit für das iPhone optimiert präsentiert wird.

Was das social sharing betrifft, bietet Sunstroke drei Optionen weniger als der Konkurrent, was jedoch für den größten Teil der Nutzer mehr als ausreichen dürfte. Die Einstellungen der App sucht man zunächst vergeblich, denn diese befinden sich – mittlerweile schon fast ungewohnt – in der Einstellungs-App des iPhones. Was schließlich auch noch auffällt, ist die freundliche und hilfsbereite Präsenz des Sunstroke-Entwicklers auf Twitter.

Sunstroke kann man im iTunes Store für 3,99 Euro kaufen.

Screenshots im Vergleich

Auf allen Screenshots ist jeweils links die Browseransicht von Fever mit iCab im Fullscreen-Modus, in der Mitte Reeder und rechts Sunstroke zu sehen.

Fazit

Wer auf ein elegantes und top-durchdachtes Interface Wert legt und Bonusfeatures in Fever, wie Hot Links oder Sparks, ohnehin kaum nutzt, der hat an Reeder nach wie vor seine Freude. Wer die Funktionen von Fever auch auf dem iPhone voll ausreizen will, der ist mit Sunstroke bestens bedient und wird das Fehlen einiger App-Features des Reeder gern verschmerzen.