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Online funktioniert nicht. Warum sonst müssen Tausende von Branchenexperten ausgerechnet in Köln-Deutz zusammenkommen, anstatt sich auf Internetplattformen, in Foren, Chats und Onlinekonferenzen darüber auzutauschen, mit welchen bahnbrechenden Neuerungen sie künftig dem gemeinen Internetnutzer das Geld aus der Tasche ziehen wollen?
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Der Branche scheint es dennoch prächtig zu gehen. Während die traditionellen IT-Fachmessen darben oder längst jämmerlich eingegangen sind, werden auf der dmexco seit drei Jahren die Messestände immer größer und prunkvoller.
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Die Zunft der Webvermarkter ist innovativ und weiß, was ihre Zielgruppe will. Auf den Messeständen gibt es deshalb Kugelschreiber, Feuerzeuge, Flaschenöffner und derlei höchst innovative Werbegeschenke, so weit das Auge reicht.
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Geeks? Nerds? Dorks? Nein danke. Auf der dmexco sind die schlipstragenden BWLer und Wirtschaftsingenieure unter sich – die freilich innovativ, sportlich und trendy genug sind, den Binder eigens für das Event zu Hause zu lassen.
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Frauen gibt es natürlich auch auf der dmexco. Die Branche ist ja aufgeschlossen. Die Damen tragen knappe Höschen und weit ausgeschnittene Tops und verteilen auf den Gängen vor den Messeständen Flugblätter, Tragetaschen oder Aufkleber an die Besucher.
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Mitten im 21. Jahrhundert verkaufen traditionelle Verlagshäuser Abos ihrer Printpublikationen per negativer Option: Kommse näher, kommse ran, unterschreimse hier, die ersten zwei Ausgaben sind KOSTENLOS! Leading the global digital industry, genau wie Anno 1967.
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Es gibt ein freies Messe-WLAN. Und gute Netzabdeckung aller Provider. Und es geht die Sage, dass es einige, wenige Besucher der Veranstaltung, die glücklicherweise über einen E-Netz-Vertrag verfügten, es trotzdem schafften, dann und wann eine Onlineverbindung aufzubauen.
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Im Messerestaurant herrscht das Konzept der Selbstbedienung. Die Preise sind hoch. Deshalb laden sich die Besucher so viel auf die Teller, wie nur irgendwie drauf passt. Deshalb sind die Preise hoch. Deshalb laden sich die Besucher so viel auf die Teller …
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Der Eintritt ist frei. Die Besucher qualifizieren sich jedoch durch die Angabe ihres Namens und ihres job titles für den Besuch. Der Aussteller will ja schließlich wissen, dass er Kaufentscheider vor sich hat. Der rangniedrigste Titel, der auf einem Namensschild auf der dmexco gesichtet wurde, war ein International Vice President Strategic Development.
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Der hochkarätige dmexco-Kongress gliedert sich in Seminare (vulgo Unternehmens- und Produktpräsentationen), Workshops (dito), Debatten (Unternehmenssprecher, die sich gegenseitig widersprechen) und die Vorträge in der Congress Hall, wo Unternehmenspräsentationen möglichst nicht wie Unternehmenspräsentationen aussehen sollen.
Danke für das abermals wunderbare Branchenevent, liebe dmexco-Veranstalter, und auf ein frohes Wiedersehen im nächsten Jahr. Dann ganz sicher mit noch prunkvolleren Messeständen, noch kürzeren Höschen und noch mehr Kugelschreibern!
Benedikt Hotze
Ich habe bisher noch nie von der “dmexco” gehört, und ausweislich deines pointierten Berichts habe ich offenbar auch nichts verpasst. Stellt sich die Frage, warum man überhaupt eine Messe besuchen sollte, bei der es um Werbung im Internet geht (so habe ich das Messeziel verstanden). Messe, Werbung und Internet sind doch schon per se negative Buzzwords. (Naja, das dritte jetzt nicht ganz ;-)
orangeguru
Danke für die gute Zusammenfassung dieses Wankfests – hatte eine Nanosekunde überlegt hinzufahren, aber da war mir meine Lebenszeit zu schade für …
Ralf Heinrich
Noch ein Bericht, der mir aus der Seele spricht. Danke, Jens.
Aber immerhin konnten wir uns so mal – wenn auch nur kurz – persönlich kennen lernen. :o)
drikkes
Trifft es ziemlich gut. Allerdings muß ich sagen, daß sich die Frauenquote auch jeneseits der Hostessen über die letzten Jahre doch etwas gesteigert hat. Aber natürlich sind es immer noch nicht genügend.
hans
Hört sich ganz geil an. Nächstes Jahr fahr ich hin!
professorbunsen
Die Damen auch ganz gerne hauteng im Glitzeroverall als Gogo-Tänzerinnen auf den Tischen oder im Dirndl mit Strapsen. Echtjetzt. #gendermainstreaming
Jens Arne Männig
Ja. Ich hab’s gesehen. Allerdings hatte ich diese elementare Information weggelassen, um zu vermeiden, dass es dann wieder heißt, er übertriebe ja wieder mal maßlos, der Männig.
hans
Scheisse. Warum war ich nicht da? Da kann man ja spitzen Kontakte knüpfen.
Wolfgang Mederle
Allen Zynismus beiseite, ist es eine stark wachsende Messe mit sehr vielen Besuchern, und wir überlegen uns, dort nächstes Jahr auch auszustellen. Meine Kritik wäre vor allem, daß die Messe dem Besucheransturm kaum gewachsen war. 30 Minuten Schlange stehen beim Eintritt, als Frau dann gerne nochmal so lange, um eine Toilette aufsuchen zu können, das geht nicht, finde ich.
Viele Firmen dort sind auch gerade auf einen Zug aufgesprungen, der demnächst schon wieder auf dem Abstellgleis landen wird. So viel Bannerplatz gibt es gar nicht, wie dort vermarktet werden soll, und Marketingfirmen, die keine Ideen haben, brauche ich nicht auf einer Messe finden, die sind auch dauernd in meiner Inbox … Aber ich habe ein paar interessante Kontakte geknüpft, und dafür war ich dort.
Mit BWLer-Bashing (habe ich früher auch gerne gemacht) kann ich inzwischen nichts mehr anfangen. Natürlich stellt man auf Messen aus, um Kontakte herzustellen, und man zieht sich was Ordentliches an, weil man nur wenige Sekunden Zeit hat, einen positiven Eindruck zu machen. Geht vielleicht auch in Adiletten, aber schwerer.
Jens Arne Männig
Ach, Wolfgang! Ich war ja auch dort, und das nicht zum ersten Mal. Bei meinem dmexco-Besuch war ich sogar halbwegs ordentlich angezogen. Und zumindest ein BWL-Grundstudium habe ich obendrein auch noch absolviert. Der Haken ist nur: Ich habe auch schon IT-Fachmessen und -Kongresse organisiert. Vor diesem Hintergrund sehe ich schon etwas Verbesserungspotenzial, was sich gestern Abend in den obigen ironischen (zu ironischen?) Äußerungen entladen hat.
Wolfgang Mederle
Habe ich Dich mal wieder zu ernst genommen …
Wolfgang Mederle
Nachtrag: Mein obiger Kommentar ist eigentlich aus einer E-Mail entnommen, die ich an einen Bekannten geschickt habe, welcher nicht auf der Messe war. Der hatte auf Netzpolitik oder so einen ähnlichen Artikel gelesen und fragte mich, ob es dort echt so schlimm war. Ich will meinen Kommentar eher so verstanden sehen, daß die Messe nicht völliger Stumpfsinn ist, denn auf die Idee könnte man kommen, wenn man sie nur vom Hörensagen kennt. Ich hatte übrigens einen Schlips im Rollkoffer dabei, man weiß ja nie …
Frank
Danke für diesen köstlichen Bericht. Und schade, dass ich mir die Kugelschreiber habe entgehen lassen.
Ansonsten nutze ich die dmexco zu persönlichen Gesprächen, meist mit Menschen, die ich nur alle paar Monate auf Konferenzen sehe. So mal zu Angesicht zu Angesicht ist einfach nicht verkehrt. Und wenn Randolf hinterher noch ne Party schmeisst, macht die Sache doppelt Spaß :)
Jan
Hehe, guter Bericht!
Was auch verbessert werden könnte, ist die Einstellung derjenigen, die an Ausstellerständestände komnen. Denn ich habe, nachdem ich am Stand festhing – es war wirklich sehr voll dieses Jahr -, keine Kugelschreiber, Feuerzeuge, oä bekommen. Verkaufen wollte aber trotzdem in den meisten Gesprächen -mir- jemand etwas.
Die hätten ruhig was mit an den Stand brungen können… Kein Anstand ;)
Jan Pötzscher
sensationell beschrieben :-) uns ging es ähnlich: http://www.queo-blog.com/2012/09/dmexco-die-branche-boomt-aber-wo-bleiben-die-innovationen/