Immer öfter stolpert man in den letzten Tagen in professionellen Blogs über eine neue Form der Kommentarverwaltung. Dort, wo über dem Kommentarfeld die Logos von Disqus, livefyre, Echo oder inzwischen auch Facebook prangen, haben die Blogbetreiber das Handling der Kommentare an einen Dienstleister ausgelagert. Für die Blogbetreiber hat das unbestreitbare Vorteile: Traffic und Ressourcen können gespart werden, und überdies filtern die externen Kommentarsysteme den immer lästiger werdenden Kommentarspam recht zuverlässig. Vor diesem Hintergrund nehmen immer mehr Blogger auch gern die überschaubaren Einschränkungen im Design der Blogkommentare in Kauf – oder die Tatsache, dass sie bisweilen Textbrei servieren.
Etwas anders stellt sich die Angelegenheit für Leser dar, die einen Blogeintrag kommentieren möchten. Dafür muss der Kommentator beim jeweils genutzten Dienstleister zunächst einen Account anlegen, um überhaupt kommentieren zu können. Immerhin glänzt jedoch Disqus mit der Möglichkeit des Kommentierens als Gast, also ohne eigens angelegten Account. Alternativ zum Registrierungsprozess besteht die Möglichkeit, sich mit den Zugangsdaten einer der üblichen Verdächtigen der amerikanischen Web-2.0-Plattformen einzuloggen. Je nach Kommentardienstleister kann der Login via Facebook, Google, Twitter, LinkedIN, Yahoo oder OpenID erfolgen. Diese Unternehmen geben dann die erforderlichen Daten zur Erstellung eines Kundenkontos an den Kommentardienstleister weiter.
Ist der Kommentator um Datensparsamkeit bemüht, so bedeutet das für ihn die Wahlmöglichkeit zwischen Pest und Cholera: Entweder legt er bei einem mehr oder weniger vertrauenswürdigen Internet-Startup einen Account mit seinen persönlichen Daten an, oder er liefert einer der großen Social-Media-Plattformen ein noch detailliereres Profil seiner Bewegungen im Netz als schon zuvor. So oder so, selbst als Gastkommentator, landen die Kommentare auf externen Servern in den USA oder anderswo, in die der Blogbetreiber Vertrauen haben mag, der zu kommentieren gewillte Leser jedoch nicht zwangsläufig.
Klar dürfte sein, dass der Blogbetreiber über die Auslagerung der Daten der Kommentierenden in der Datenschutzerklärung seines Blogs aufklären sollte. Problematisch wird es dann wenn Blogbetreiber, die sich entschließen, ein externes Kommentarsystem zu nutzen, bereits früher entstandene Kommentare aus ihrem Blog in das externe System einspielen. Ein Einverständnis des Kommentators kann in diesem Fall nicht per se vorausgesetzt werden. Eine Diskussion der rechtlichen Details der Übergabe von Altkommentaren wird sich bestimmt recht umfangreich und interesant gestalten. Letztlich dürfte jedoch das Marketinginteresse für die meisten Blogger im Vordergrund stehen: Engagierte Interessenten in Form von Kommentatoren verärgert man nur ungern, indem man ihren Interessen zuwider handelt.
Eine kleine, selbstverständlich nicht repräsentative Umfrage hat gezeigt, dass die ausgelagerten Kommentarsysteme von einem erheblichen Anteil der potenziellen Nutzer kritisch gesehen werden. Dass das Thema polarisiert, zeigte sich insbesondere daran, dass die »Ja, selbstverständlich«-Nennungen im ansonsten ruhigen Abstimmungsverlauf plötzlich, lange nach Beginn der Stimmabgabe, innerhalb weniger Minuten fast verdoppelt wurde. Die Nutzung eines Kommentardienstleisters wird jedoch mit Sicherheit das Kommentarverhalten beeinflussen. Kritischere oder besorgtere Naturen werden schlicht nicht mehr kommentieren, was natürlich im Einzelfall auch exakt die Intention des Blogbetreibers widerspiegeln könnte.
Für mich selbst habe ich beschlossen, unter Blogeinträgen, die Disqus, livefyre & Co. verwenden, einstweilen nicht mehr zu kommentieren. Was diese Unternehmen genau mit den bei ihnen verwalteten persönlichen Daten und Kommentaren tun, ergibt sich aus den Datenschutzbestimmungen (Privacy Policy) und Allgemeine Geschäftsbedingungen (Terms of Use) des jeweiligen Unternehmens. Diese sind unter Umständen nicht ganz einfach zu finden und überdies oft recht umfangreich. Sie aufzustöbern und zu lesen ist mir für einen vielleicht nur einzelnen Blogkommentar zu aufwändig. Auf der anderen Seite halte ich es für leichtsinnig, mein Einverständnis mit den jeweiligen Datenschutzregeln und AGB auszudrücken, ohne sie je gelesen oder gar verstanden zu haben.
Die Betreiber der Blogs, die ich gern lese, können sich meines Vertrauens sicher sein – allerdings erlaube ich es mir durchaus, amerikanische Web-2.0-Startups, die ihren Unternehmenswert erhöhen und möglichst bald schwarze Zahlen schreiben wollen, etwas kritischer zu betrachten.
Jürgen Messing
An die Auslagerung bestehender Kommentare bei der Umstellung auf einen Kommentardienstleister habe ich nun überhaupt noch nicht gedacht. Im Prinzip dürfte man dann nirgendwo mehr kommentieren, man kann sich halt nie sicher sein, wann der Blogbetreiber diese Auslagerung in der Zukunft vornimmt. Okay, ich gehöre zu den komplett Bedenkenlosen, weil ich mir denke, wenn einer sich die Mühe macht, über mich ein Profil zu erstellen, dann hat er eh Lebenszeit vergeudet, weil ihm das bei mir sowieso nicht bringt. Aber darüber nachdenken und sich die Risiken genauestens ansehen, das sollte jeder, auch so einer wie ich.
orangeguru
Wer seine Kommentare “auslagert”, der sollte “sein” Blog eigentlich gleich komplett auf einen fremden Server packen.
Aber die meisten Blogger gehen nach der Devise “Hauptsache umsonst!”.
Markus Breuer
Ich kann Deine Bedenken teilweise nachvollziehen, aber andererseits .. die Datenschutzbedenken dürften für die über-überwiegende Mehrzahl der privaten Blogger wohl eher akademische sein, da diese ihre Blogs (samt Kommentaren) ja eh bei ASP-Dienstleistern betreiben – die Mehrzahl davon aus dem US-amerikanischen Ausland.
Die Notwendigkeit, sich für Kommentare authentifizieren zu MÜSSEN, finde ich ebenfalls unschön. Das tun zu KÖNNEN – was die integrierten Kommentarsystem der meisten Blogs nicht leisten – finde ich aber gut. Der Dienstleister, für den ich mich entschieden habe, DISQUS, bietet alles das, plus die Möglichkeit, Anonym zu kommentieren. Finde ich persönlich eine nahezu ideale Lösung.
drmirror
Den Speicherort oder die Auswertbarkeit meiner Kommentare zu beargwöhnen, finde ich nicht sehr sinnvoll. Wenn ich in einem Blog einen Kommentar hinterlasse, begebe ich mich in den öffentlichen Raum, und das heißt für mich: Was ich hier sage, kann jederzeit von jedem gelesen und mir zugeordnet werden, und das für immer und ewig. Ob es nun auf einem Server in den USA oder sonstwo abgelegt wird, scheint mir dabei unerheblich. Da die Information ohnehin öffentlich ist, können und dürfen sich alle Geheimdienste und Marktforscher natürlich daran bedienen, und selbst wenn sie das heute noch nicht tun, könnten sie ja jederzeit in der Zukunft damit anfangen.
Die Möglichkeit, anonym zu kommentieren, ist natürlich ein hohes Gut und ich würde einer Plattform den Vorzug geben, die das ermöglicht. Wo diese Plattform die Kommentare dann wiederum physisch ablegt, scheint mir aber auch in diesem Fall völlig unerheblich.
Zwar mögen unterschiedliche Provider in unterschiedlichen Ländern verschieden mit diesen Daten umgehen, aber verglichen mit der Lebensdauer der Daten (potentiell unendlich) können sich diese Rahmenbedingungen ja immer wieder verändern und ich halte es darum nicht für sinnvoll, ihnen allzuviel Beachtung zu schenken.
gabel
Der Unterschied zwischen einer lokalen Kommentarfunktion und der Gast-Variante von Disqus will mir auch noch nicht so recht klar werden.
1) Wo der Blogbetreiber im Backend die Kommentare speichert, weiß ich damit doch auch nicht (Blogdienste die per URL maskiert sind erkenne ich nicht auf den ersten Blick [wordpress, blogger, u.s.w.]).
2) Werden Anti-Spam Dienste wie Akismet und Co. benutzt? Auch dort wird mein Kommentar übertragen – vielleicht sogar in die U-S-A?
3) Ich muss meine E-Mail Adresse angeben und gebe damit wieder eventuell extern genutzten Unternehmen die Möglichkeit meine Kommentare mir zuzuordnen.
Umso mehr ich darüber nachdenke, desto eher empfinde ich es als verwirrend die social comment Anbieter als “Evil” darzustellen. Wenn ich dort den “disqus” Button sehe, so weiß ich wenigstens woran ich bin. Benutzern vorzumachen, ihre Daten wären geschützt und blieben in Deutschland, wenn ein Blog diese Dienste nicht nutzt, ist doch sehr fragwürdig. Ich persönlich empfinde den Like-Button über den Facebook alle Seiten die ich besuche Tracken kann, nur weil dort der Button eingebunden wurde als viel eher bedenklich.
Wer Wert auf Anonymität legt, der wird doch viel mehr Anstrengungen vornehmen müssen, als sich zu verweigern Kommentare zu verfassen. Stichworte “Disconnect”-Addon, Scriptblock mit Whitelists, (Flash)Cookies und Local-Storages blocken oder löschen… u.s.w…