Presse, Funk und Fernsehen werden in diesen Tagen nicht müde, zu berichten, dass der ehemalige Verteidigungsminister Guttenberg sich zu seinem Abschied per Großem Zapfenstreich das Lied Smoke on the Water gewünscht habe. Wie der aufmerksame Bild-Leser weiß, ist der blaublütige vorübergehende Ex-Politiker ja ohnehin ein Freund anachronistischer Rockmelodien. Bekanntermaßen wurde er schon mehrfach von embedded journalists zu AC/DC-Konzerten begleitet.
Interessant ist allerdings, dass der Freiherr nun ausgerechnet nach dem abgedroschensten aller Deep-Purple-Titel verlangt. Und das nicht etwa, weil smoke on the water, fire in the sky recht gut zum Tätigkeitsprofil der Bundeswehr passt. Vielmehr ist das Lied genau in den Tagen um Guttenbergs Geburt entstanden. Am 4. Dezember 1971, exakt einen Tag bevor in München der nun gerade etwas strauchelnde Messias der CSU zur Welt kam, brannte das Casino in Montreux am Genfer See bis auf die Grundmauern nieder. Dieses Ereignis ist in Smoke on the Water beschrieben, das nur wenige Tage darauf im örtlichen Grand Hotel eingespielt wurde.
Es ist nicht bekannt, ob Guttenbergs Musikauswahl zu seinem Dienstende tatsächlich so programmatisch ist. Näher liegt da schon die Vermutung, dass auch dem Privatier Guttenberg die Öffentlichkeitsarbeit immer noch wichtiger ist als ein eigener Musikgeschmack. Deep Purple und AC/DC, das klingt nun mal für Unionswähler in den besten Jahren auch heute noch progressiv. Auf der anderen Seite haben sich die Ohren auch dieser Gruppe längst daran gewöhnt, so dass man niemandem mehr mit so etwas weh tut. Warten wir also mit Spannung auf die sicherlich denkwürdige Interpretation des abgedroschensten Rockhits aller Zeiten durch das Stabsmusikkorps der Bundeswehr.
Nicht, dass ich Guttenberg um seine derzeitige Situation beneiden würde, aber in den Tagen um meine eigene Geburt spielte Willy Millowitsch gerade seinen großen Hit Schnaps, das war sein letztes Wort in einem unbekannten Studio ein. Und das wäre eigentlich für den Anlass heute Abend auch eine ganz treffliche Wahl gewesen.
Benedikt Hotze
Kleine Korrektur: Den abgedroschenen Rock-Hit spielte die Gruppe 1971 in Montreux nicht im Grand Hotel ein, sondern in einem eilig bezogenen Interimsquartier. Vorne bollerte die Polizei an die Tür (wegen nächtlicher Ruhestörung), und innen nahm Toningenieur Martin Birch Blackmores Powerchord-Riff auf, während Gillan den Text auf einen Zettel kritzelte. Ins “empty cold and bare” Grand Hotel sind sie erst danach umgezogen, um den Rest von “Machine Head” einzuspielen. Und, ja, das Album klingt heute noch progressiv. Finde ich jedenfalls. Huch, macht mich das jetzt gemein mit Guttenberg?
Jens Arne Männig
Danke, Benedikt! Wenn ich mir nur einer einzigen Sache auf dieser Welt je sicher war, dann der, dass ich auf diesen Eintrag einen Kommentar von dir bekommen würde. Und ja, das macht dich jetzt gemein mit Guttenberg.