Irgend etwas scheint schon besonders zu sein in der wunderbaren Welt des Steve Jobs. Es hat den Anschein, dass die Jünger der Marke mit dem Apfel für dominantes Marketing einfach noch anfälliger sind als der Schnitt der Bevölkerung oder auch nur der anderer Computersysteme. Wie sonst könnte es sein, dass im Lande der Macs immer wieder einmal neue Anwenderprogramme und Tools auf dem Markt erscheinen, die mit gewaltigem Ballyhoo quasi wie eine Erleuchtung begrüßt werden und reichlich Käufer finden, obwohl sie eigentlich nichts wirklich Neues können? So geschehen jüngst wieder in zwei Fällen.
Da wäre zum einen Fantastical. Ein praktisches Werkzeug, das dem MacOS-eigenen Kalender beibringt, normale Sprache zu verstehen. Möchte man einen Termineintrag generieren, so tippt man einfach Dinner with Sue at Penguin Bar tomorrow 7pm in ein entsprechendes Fenster. Das schon zum Einführungspreis zwölf Euro teure Tool interpretiert die Sprache und erzeugt den Eintrag in iCal, ohne dass man sich lange durch Menüs und Felder klicken müsste. Das ist praktisch, aber keineswegs neu. Vergleichbare Zusatzprogramme wie QuickCal oder der multifunktionelle LaunchBar beherrschen das schon eine ganze Weile. Bei QuickCal mit seinem überschaubaren Funktionsumfang, das aber im Gegensatz zu Fantastical immerhin auch Deutsch versteht, werden dafür ganze 79 Cent im Mac App Store fällig. Für den mächtigen LaunchBar, bei dem die Kalendereinträge per Texteingabe eine eher unbedeutende Nebensache darstellen, ist auf der Webseite des Anbieters 24 Euro zu berappen.
Ebenso fiel in den vergangenen Tagen der Trubel um die Neuerscheinung iA Writer auf. Das kleine Schreibprogramm begibt sich in den Markt des Distraction Free Writing, der mit Produkten wie WriteRoom, FocusWriter, MyTexts, OmmWriter oder vielen Weiteren bereits seit längerer Zeit gut bestückt ist. Daneben bietet heute fast jede klassische Textverarbeitung einen Distraction Free Mode an. Freilich, der iA Writer wartet mit einigen interessanten und schicken Progammfeatures auf, die in dieser Form noch nicht da gewesen sein mögen, aber etwas wirklich durchschlagend Neues fällt beim Schreibwerkzeug von Information Architects eigentlich nicht sofort ins Auge. Zumindest nicht dann, wenn man den Markt schon einige Zeit beobachtet und einigermaßen kennt.
Umso mehr erstaunt es, dass nicht nur die einschlägige Fanboy-Bloggeria derartige Neuerscheinungen ohne sonderlichen Originalitätswert in die Höhe feiert, sondern auch eine ganze Riege gestandener Fachjournalisten. Auffällig ist dabei insbesondere, dass die von Presse und Webseiten gehypten Mac-Apps sich ausnahmslos im höheren Preissegment bewegen. Hat man dort einfach mehr Geld für die PR oder schlicht die besseren Kontakte zu den Computerschreibern? Oder liegt es an den Herausgebern von Blogs, Computermagazinen und Mac-Plattformen, die sich von den Anbietern teurer Programme irgendwann einmal Gelder für Banner- oder Anzeigenschaltungen erhoffen? Und mögen sich Fachjournalisten wirklich damit begnügen, einzelne Produkte euphorisch ind den Originalformulierungen des jeweiligen Anbieters zu besprechen, statt spätestens deren Erscheinen zum Anlass zu nehmen, den gesamten Markt ähnlicher Produkte zu analysieren und den Lesern solide Hilfestellung bei der Auswahl der für sie individuell richtigen Software zu geben?
So oder so hinterlässt das regelmäßige, kritiklose Hochfeiern einzelner, ausgewählter Produkte aus der großen Welt rund um Apple durch Journalisten und Blogger mittlerweile einen schalen Beigeschmack. Im Interesse der Leser, die oft mit bereits bewährten und obendrein preiswerteren Produkten besser bedient wären, ist dies nämlich ganz sicher nicht.