Das gibt es nur in Bayern: Tritt eine größere Zahl von Bürgern aus der Kirche aus, dann wird ein kirchlicher Feiertag neu eingeführt. Allerdings nur in einzelnen Gemeinden und nur dann, wenn evangelische Christen ihren Kirchenaustritt erklären. Der Hintergrund liegt in den bundesweit wohl einmaligen Regelungen des bayerischen Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage. Dessen Artikel 1 legt nämlich fest:
(1) Gesetzliche Feiertage sind […]
in Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung
Mariä Himmelfahrt. […]
(3) Das Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung stellt nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung fest, in welchen Gemeinden entweder mehr katholische oder mehr evangelische Einwohner ihren Wohnsitz hatten. Ist danach Mariä Himmelfahrt in einer Gemeinde gesetzlicher Feiertag, so macht die Gemeinde dies ortsüblich bekannt.
Ob in einer Gemeinde das katholische Hochfest Assumptio Beatae Mariae Virginis auch ein gesetzlicher Feiertag des Freistaates Bayern ist, richtet sich also nach dem zahlenmäßigen Verhältnis der beiden großen christlichen Religionen in der jeweiligen Gemeinde. Sind unter den Einwohnern mehr Katholiken als Protestanten, dann bleiben die Läden und Arbeitsstätten am 15. August stets geschlossen. Sind jedoch mehr Protestanten als Katholiken in der Gemeinde registriert, so handelt es sich beim gleichen Tag um einen ganz gewöhnlichen Werktag. Die Zahl der Bürger, die keiner der beiden großen Kirchen angehört, spielt bei der staatlich verordneten Berechnung übrigens keine Rolle. So ist, zumindest theoretisch, der Fall einer Kommune mit 10.000 Einwohnern denkbar, in der 9.997 Bürger Atheisten, Buddhisten, Mohammedaner oder was auch immer sind. Sind unter den restlichen drei Bürgern zwei Katholiken, dann genießt die gesamte Bevölkerung der Gemeinde an jedem 15. August einen gesetzlichen Feiertag.
Wie kommt es aber nun zu einem Feiertag per Kirchenaustritt? Ganz einfach: Stellen wir uns eine bayerische Gemeinde vor, in der die Zahl der Protestanten bislang die der Katholiken nur knapp überschritten hat und in der damit Mariä Himmelfahrt kein gesetzlicher Feiertag war. Tritt nun eine größere Zahl von Protestanten aus der Kirche aus, so dass plötzlich die Katholiken die Mehrheit bilden, dürfen sich alle Einwohner der politischen Gemeinde, gleich welchen Glaubens, über einen neuen Feiertag freuen. Aber ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht. Ob Katholiken oder Protestanten in der Überzahl sind, stellen nämlich weder diese selbst noch die Gemeinde- oder Stadtverwaltung anhand der Zahlen ihres Einwohnermeldeamts fest. Das wäre offenbar zu einfach, also definiert das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung als zentrale Behörde, welche Gebietskörperschaften als evangelisch oder katholisch zu betrachten sind. Grundlage für ein entsprechendes, amtliches Register ist die jeweils letzte Volkszählung.
Nachdem der Zensus 2011 inzwischen erfolgreich ausgewertet wurde, haben die bayerischen Statistikbeamten vor wenigen Tagen bekannt gegeben, was sich ab dem Jahr 2014 ändern wird. Demnach wird in drei Gemeinden der Feiertag Mariä Himmelfahrt abgeschafft, in sieben Kommunen wird er dagegen neu eingeführt. Hier haben offensichtlich die Protestanten das Modell Feiertag per Kirchenaustritt erfolgreich umgesetzt. Oder sollten sich in diesen Ortschaften die Katholiken, entsprechend der Vorgaben ihrer Encyclica Humanae Vitae, doch einfach produktiver vermehrt haben?
Headerbild: Mariä Aufnahme in den Himmel, Ausschnitt des Deckengemäldes von Anton Niedermaier in der katholischen Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Kempten, Foto von Alofok, mit Modifikationen von Martin Dürrschnabel, Lizenz CC BY-SA
Benedikt Hotze
Es ging neulich die Nachricht um, dass nunmehr weniger als 50 Prozent der Einwohner der Landeshauptstadt München katholischen Bekenntnisses seien. Also ist “überwiegend katholisch” nicht mehr gegeben, und somit müsste Mariä Himmelfahrt in München gestrichen werden ;-)
Aber sehr froh im Herzen bin ich, dass der “Betrieb der Deutschen Bundespost, der Deutschen Bundesbahn” an kirchlichen Feiertagen weiterhin erlaubt ist. Man stelle sich vor, dass diese innovativen Unternehmen während der “ortsüblichen Zeit des Hauptgottesdienstes”, wie es im Gesetz heißt, ihre Dienste einstellen müssten. Oh my god!
Dieter Mueller
Sehr interessante Analyse, Danke!