Männig

Quo vaditis Social-Media-Events?

Menschen die sich im Netz tummeln, gibt es schon eine ganze Weile. Wenn es auch früher weit weniger waren. Ob in Mailboxen, dem Usenet oder in Compuserve-Gruppen: Soziale Foren zu den unterschiedlichsten Themen gab es schon lange vor dem vielgepriesenen Web 2.0 und der Erfindung des Begriffs Social Media. Und fast immer war es selbstverständlich, dass sich die Mitglieder derartiger Gruppen früher oder später auch einmal oder gar regelmäßig auch im real life trafen und austauschten. So, wie die damaligen Gruppen im Netz meist eher demokratisch organisiert waren, liefen auch die Treffen ab: Durch die Mitglieder selbst organisiert, im Nebenzimmer einer Kneipe oder gar am Lagerfeuer und beim Zelten im Garten eines der Gruppenmitglieder. Ein lockerer Austausch, aber oft auch mit durchaus qualifizierten und hochwertigen Vorträgen und Präsentationen.

Als die ersten kommerziellen Sozialen Netzwerke auftauchten, liefen deren Treffen zunächst auch eher unprätentiös ab. OpenBC, wie Xing damals noch hieß, organisierte seine Münchner Gruppentreffen beispielsweise lange Zeit im Nebenzimmer und Saal des Gasthauses Königlicher Hirschgarten, bekannt durch seinen großen Biergarten im gleichnamigen Park. Um dem Wirt einen gewissen Umsatz zu garantieren, erwarben die Besucher der Treffen bei ihrer Ankunft, für jeden erschwinglich, einen Gutschein für Speisen und Getränke im Wert von zehn Euro. Drinnen war der Saal spärlich mit Stehtischen ausgestattet, daneben gab es noch einige richtige Tische mit Stühlen oder Bänken fürs bequemere Essen.

Die spartanische Ausstattung erwies sich als äußerst zweckmäßig: Die Teilnehmer der Treffen blieben in Bewegung, man fand sich an einem einzigen Abend wieder und wieder in unterschiedlichen Gruppen zusammen und konnte, eine gewisse Kontaktfreudigkeit vorausgesetzt, zahlreiche neue Kontakte an einem Abend schließen. Der eine oder andere mögliche Geschäftspartner bleib dabei immer wieder einmal in der eigenen Datenbank. An verschiedene Aktionen wie gemeinsame Angebote oder gar kleinere Projekte, die aus solchen Treffen resultierten, erinnere ich mich immer noch gern.

Aber dann meinte man wohl seitens Xing, sich höherwertiger präsentieren zu müssen. Die Xing Ambassadors wurden installiert, offizielle Xing-Events wurden eingeführt. Und fürderhin wehte bei den durch die Ambassadors organisierten Events ein zunehmend anderer Wind. Da wurden und werden vielgängige Menüs und Gourmetdinner in den teuersten Restaurants der Stadt und exklusive Dampferfahrten auf bayerischen Seen offeriert, oder man mietet mal eben ein halbes Wiesnzelt. Allen jetzt angebotenen Events ist gemein, dass sie teuer sind und sich sicher gut dazu eignen, sich gegenseitig zu beeindrucken, kaum jedoch für einen frischen Austausch und das pragmatische Kennenlernen potentieller Geschäftspartner. Mir persönlich drängt sich immer wieder der Verdacht auf, dass die organisierenden Ambassadors womöglich die einzigen sind, die von einer solchen Veranstaltung wirklich profitieren. Aber diese Entwicklung passt letzten Endes auch wieder zur Entwicklung des ganzen Xing-Netzwerks: Während man früher dort oft Kontakte geknüpft hat, die zum einen oder anderen profitablen Auftrag führten, scheint in der letzten Zeit das Sich-Profilieren und das Dabeisein im Vordergrund zu stehen. Ein Sandkasten für Schlipsträger, wie ein enttäuschtes Mitglied schrieb.

Hoffnung nahte in Form anderer, offener organisierter Netzwerke. Da tauchte beispielsweise der Twittwoch auf, der in München zunächst in der angenehm unprätentiösen Atmosphäre der Niederlassung stattfand. Das Programm: Zwei bis drei Vorträge, etwas open stage für die Kurzpräsentationen Schnellentschlossener und viel Zeit für den angenehm formlosen Austausch zwischen den Besuchern. Oder die Münchner Fraktion des Social Media Club: Erstmals traf man sich im bodenständigen Hofbräukeller, wo spannende Gespräche zwischen alten Hasen und Neulingen des Netz-, Marketing- und PR-Gewerbes stattfanden. Folgeveranstaltungen, organisiert in den Räumlichkeiten verschiedener Unternehmen, hatten meist einen umfangreicheren und informativen Vortrag als Kern, um den genug Zeit fürs Networking der Teilnehmer blieb.

Aber wo sind die Veranstaltungskonzepte heute angekommen? Der letzte Twittwoch fand als geschlossene Veranstaltung mit dem Themenschwerpunkt Kultur im edlen Ambiente der BMW Welt statt. Die Eintrittskarten wurden verlost oder individuell vergeben. Show stand im Vordergrund, mit Themen, die bei der Zielgruppe nicht wirklich neu waren. Der letzte Social Media Club hatte interessanterweise ebenfalls Kultur zum Thema und fand im temporären Eventzentrum Puerto Giesing statt. Zur vorangegangenen Veranstaltung war in ein asiatisches Restaurant eingeladen worden. Der Schwerpunkt lag dabei offenbar auf dem Essen, ein einziger, dürrer Vortrag auf der Veranstaltung konnte wohl niemanden der Anwesenden wirklich überzeugen.

Bleiben also noch die beliebten Twittagessen. Auf der Basis des Projekts von Roman Zrenner und Christoph Zillgens organisieren primär Twitterer eigenständig Treffen, meist zum Mittagessen. Ein Mittagessen, das allerdings, so zeigt die Erfahrung, bei entsprechender Gesellschaft und angeregten Gesprächen gehörig lang werden kann. Aber auch diese Veranstaltungsform scheint einem Wandel zu unterliegen. Zumindest bieten mittlerweile professionelle oder semiprofessionelle Veranstalter auf der Twittagessen-Plattform Events an, die sich offenbar hochwertiger positionieren wollen.

Auffällig ist da beispielsweise die gerade erst in Gründung befindliche (rechtlich also noch nicht existente) b2socialmedia UG, die gemeinsam mit dem Munich Diamonds Business Club (vertreten mit einer merkwürdig wirren Eigenpräsentation auf Xing, die an klassisches MLM-Niveau gemahnt) eine so genannte B2Twittnight im ehrwürdigen Hotel Bayerischer Hof anbietet. Hier wird offenbar ein bisher glücklicherweise noch unbekanntes Niveau erreicht: Über Inhalte lässt man sich auf der Webseite der Veranstaltung gar nicht erst aus, ebenso wenig über das zu erwartende Preisniveau für die Atzung im Münchner Nobeletablissement. Was dann doch beruhigt: Bis heute, zwei Wochen vor der Veranstaltung, haben sich gerade einmal zwei Personen angemeldet, zieht man die Veranstalter selbst und zwei ortsbekannte Lokalblogger (vulgo Medienpartner) ab.

Vielleicht stehe ich ja mit dieser Meinung allein, aber ich finde diese Entwicklung bedauerlich: Weg von einfachen und produktiven Treffen der wirklich Aktiven und hin zu großen, kommerziellen Veranstaltungen, für die entweder Sponsoren oder Teilnehmer tief in die Tasche greifen müssen. Bei einigen der derzeit angebotenen Events scheint das wirtschaftliche Interesse der Veranstalter an erster Stelle zu stehen, wenn auch sicherlich nicht bei allen. Prunk und Profilierungssucht ersetzen meines Erachtens nicht den bodenständigen Austausch zwischen Praktikern. Um es kurz zu machen: Ich würde mir wünschen, dass es in der Social-Media-Szene die einfachen, überschaubaren Veranstaltungen wieder oder weiterhin gäbe, die für die Teilnehmer einen wirklichen Mehrwert bieten. Mehrgängige Dinner, edle Hotels, Dampferfahrten und Wiesnbesuch absolviere ich dann gern bei anderer Gelegenheit.

Wie ist eure Meinung? Handelt es sich hier möglicherweise um ein typisch münchnerisches Problem? Oder vielleicht um gar keines? Sind ähnliche Tendenzen auch in anderen Ballungszentren der Social-Media-Aktiven anzutreffen?