Männig

Haken und Ösen bei Touch&Travel

Bereits im Jahr 2008 startete die Deutsche Bahn ihnen Feldversuch in Sachen Mobile Ticketing. Das gemeine Volk musste allerdings noch bis zum November 2011 warten, bis es sich bei dem Touch&Travel genannten, fahrkartenlosen Fahrkartensystem anmelden konnte. Betrachtet man den lustigen Zeichentrickfilm, mit dem die schöne Welt des mobilen Tickets erklärt wird, dann scheint alles ganz einfach zu sein: Man bucht sich an der Abfahrtstelle per GPS, NFC oder durch das Scannen eines Barcodes ein und fährt dann einfach drauflos – wohin man auch will. Am Ankunftsort bucht man sich per Klick wieder aus, und am Monatsende erhält man eine Rechnung aller getätigten Fahrten zum jeweils günstigsten Tarif.

Doch ganz so simpel zeigt sich die Sache in der Praxis nicht. Anfangs konnten mit einem Touch&Travel-Ticket gerade einmal die deutschen ICE- und ICE-Strecken der Bahn befahren werden. Das Ein- und Ausbuchen war dementsprechend auch nur an Bahnhöfen möglich, die von den beiden weißlackierten Top-Zugkategorien der Deutschen Bahn bedient wurden. Inzwischen haben sich einige regionale Verkehrsverbünde dem Mobile-Ticketing-System der Bahn angeschlossen. Eine weitaus größere Zahl regionaler Verkehrsanbieter setzt jedoch inzwischen auf das Konkurrenzangebot HandyTicket, das mit Touch&Travel leider nicht kompatibel ist.

So bleibt die Idee des Reisens ohne Papierfahrkarte in der überwiegenden Zahl praktischer Anwendungsfälle ein Traum, der sich in der Realität überregionaler Reisen oft nur zwischen den Hauptbahnhöfen großer Städte umsetzen lässt. Denn auch das so genannte CityTicket, das Inhaber einer BahnCard kostenlose Anschlussfahrten zum und vom Bahnhof ermöglicht, gilt mit Touch&Travel nur in 19 vereinzelten Städten. Wer als BahnCard-Kunde mit einer gedruckten Fahrkarte unterwegs ist, kann dieses nützliche Angebot in fast siebenmal so vielen Ballungsräumen nutzen. Das Mobile Ticketing der Bahn bleibt deshalb bis heute leider ein Stückwerk, das seine Vorteile leider nur selten ausspielen kann.

Doch selbst da, wo sich die Nahverkehrsverbünde dem Touch&Travel-System schon angeschlossen haben, kann es zu Problemen kommen, die für den Fahrgast und selbst für die Mitarbeiter des Betreibers DB Mobility Logistics AG kaum nachvollziehbar sind. Zwei Beispiele aus meiner jüngsten Bahnfahrpraxis:

Fehlende Strecken im VRN

Seit einigen Wochen kooperiert auch der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), der weite Gebiete zwischen Pfalz und Tauber-/Mainfranken bedient, mit dem Mobile Ticketing der Deutschen Bahn. Touch&Travel für Ihr Smartphone ist ab sofort im gesamten Gebiet des VRN verfügbar und macht damit das Reisen noch einfacher und flexibler, jubelt denn auch die Webseite des regionalen Verkehrsunternehmens. Prima, denke ich mir, und buche mich nach einem Termin gleich per Smartphone am Bahnhof Bad Mergentheim ein, um mit Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn im VRN über Lauda nach Würzburg und von dort per ICE weiter über Nürnberg nach München zu fahren.

Das funktioniert auch prächtig. Zweimal wird der Ticket-Barcode auf meinem Telefon von Zugbegleitern der Bahn gescannt und alles für richtig befunden. Doch wenige Tage später erreicht mich eine E-Mail von Touch&Travel:

[…] die von Ihnen übermittelten Daten haben ergeben, dass Sie bei Ihrer Fahrt […] außerhalb des aktuellen Gültigkeitsbereichs von Touch&Travel gefahren sind. Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass dies nicht zugelassen ist und gegen die Touch&Travel-Bedingungen verstößt.

Fünf Telefongespräche später, nach Rückfragen bei VRN, DB Regio und dem Touch&Travel-Callcenter erhalte ich schließlich die Auskunft, dass die Bahnstrecke Lauda-Würzburg im zwar durchaus Teil des VRN, nicht jedoch des Touch&Travel-Tarifraums ist. Warum dies entgegen der Angaben des VRN so ist, kann man mir nicht sagen, und auch das Studium der 22-seitigen Touch&Travel-Geschäftsbedingungen bringt nur den folgenden Passus zum Vorschein:

Touch&Travel kann auf allen in den Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) einbezogenen Linien und Linienabschnitten genutzt werden. Ausgeschlossen sind Ruftaxis, die Bergbahn der Heidelberger Straßen- und Bergbahn GmbH (HSB).

Kein Wort von einem Ausschluss der Strecke Lauda-Würzburg. Dass sie dennoch nicht mit Touch&Travel befahrbar ist, ist ärgerlich. Die drakonische Strafe der DB Mobility Logistics für die getätigte Fehlbuchung ist dann jedoch zu verkraften. Ihre Fahrt vom […] (Fahrt-ID: […]) haben wir storniert, lässt man mich wissen. Wie verhält sich noch gleich ein Bahnkunde richtig, wenn er eine Fahrt bereits absolviert hat, ihm jedoch die Bezahlung aus disziplinarischen Gründen verwehrt wird?

Selektive Verkehrsmittel im VVS

Diesmal möchte ich von München ins schwäbische Winnenden fahren. Zur idealen Zeit führt die Route mit dem IC über Augsburg und Ulm nach Plochingen, von dort weiter mit der Stuttgarter S 1 nach Bad Cannstatt und schließlich mit der S 3 zum Zielbahnhof Winnenden. Den ehemals stolzen Stuttgarter Hauptbahnhof, der sich heute traurig-demoliert wie ein abgebrochener Zahn präsentiert, kann ich so erfolgreich umgehen. Und Touch&Travel ist jetzt auch im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart GmbH (VVS) verfügbar, so habe ich gelesen.

Leider formuliert bereits die Webseite des VVS erhebliche Einschränkungen, was das Fahren per Mobile Ticketing betrifft. Im VVS gilt Touch&Travel jedoch nicht verbundweit, sondern ausschließlich auf bestimmten DB-Schienenstrecken, ist auf der entsprechenden Unterseite zu lesen. Doch das entsprechende PDF-Dokument scheint zu zeigen, dass ich Glück habe: Sowohl die Teilstrecke zwischen Plochingen und Bad Cannstatt, als auch der nördliche Streckenteil über Waiblingen nach Winnenden lassen das Fahren mit Touch&Travel zu. Dennoch: Da ein gebranntes Kind ja bekanntermaßen das Feuer scheut, rufe ich zur Sicherheit lieber vorab noch einmal bei der Touch&Travel-Hotline an.

Die freundliche Call-Agentin sucht einige Zeit in ihren Unterlagen und lässt mich dann wissen, dass ich diese Fahrt leider nicht per Touch&Travel absolvieren kann. Sie verweist mich auf die jüngste Ergänzung der Touch&Travel-Geschäftsbedingungen, in denen es auf Seite 17 unter Punkt 11.b.2 heißt: Touch&Travel kann im VVS in allen Regionalzügen zwischen folgenden zugelassenen Bahnhöfen genutzt werden: […] Keine Chance also, da die zeitlich günstige Verbindung nun einmal per S-Bahn erfolgen würde, die laut Bahn-Nomenklatur eben kein Regionalzug ist. Und so drucke ich mir einmal mehr eine der ungeliebten Papierfahrkarten aus.

Schade, dass bei einem Ticketing-System, bei dem eigentlich die Nutzerfreundlichkeit im Vordergrund stehen sollte, auch fünf Jahre nach Beginn der Pilotphase noch verkehrspolitische Kleinstaaterei und für den Nutzer das komplizierte Wälzen ellenlanger AGB und Beförderungsbedingungen im Vordergrund stehen. So kann Touch&Travel selbst bei innovationsgetriebenen Hardcore-Usern von Smartphones nur wenig Begeisterung erzeugen. Schneller, einfacher und billiger geht es bei der Mehrzahl der Reisen immer noch per Fahrkartenautomat oder per Selbstausdruck der Tickets zuhause.

Headergrafik: Touch&Travel