Männig

Reinheitsgebot

Am 23. April wird traditionell der Tag des Deutschen Bieres gefeiert. Na ja, vielleicht nicht ganz so traditionell, denn eigentlich wurde dieser Jubeltag vom Deutschen Brauer-Bund, der Lobby- und Marketinggemeinschaft der Deutschen Bierbrauer, erst 1994 aus der Taufe gehoben. Er soll an einen Erlass des Herzogs Wilhelm IV. im Jahr 1516 erinnern, der neben Bierpreisen und Regeln zum Ausschank auch verordnete, welche Stoffe fürderhin zum Bierbrauen verwendet werden durften. Durch Bierpanscherei war es nämlich in Bayern immer wieder zu zahlreichen Krankheits- ja sogar Todesfällen gekommen.

So legte der herzogliche Erlass, dem schon einige ähnliche Verordnungen in einzelnen Städten voran gegangen waren, fest, dass Bier nur noch aus Gerste, Hopfen und Wasser gebraut werden dürfe. Wegen dieser Beschränkung auf wenige Inhaltsstoffe spricht man seit nicht allzu langer Zeit auch vom Reinheitsgebot, das 1906 schließlich auch als Teil des Biersteuergesetzes in deutsches Recht übernommen wurde. Die nationale Brauwirtschaft hat das Gebot schon seit vielen Jahren als praktikables Marketinginstrument entdeckt. Gern stellt man die Sachlage so dar, dass ja das deutsche Bier aufgrund seiner im Reinheitsgebot verbrieften Beschränkung auf wenige, gute Zutaten etwas ganz Besonderes sei.

Was man dabei gern unter den Tisch fallen lässt: Andere Zutaten als Gerste, Hopfen und Wasser sind nicht unbedingt schlechte Zutaten. Wer einmal ein Fruchtbier belgischer Provenienz oder ein mit Ingwer aromatisiertes Helles verkostet hat, wird das sofort bestätigen. Andererseits halten sich auch die deutschen Brauer keineswegs wörtlich an ihr eigenes Reinheitsgebot. Hefe wird beispielsweise dem Sud schon seit dem 17. Jahrhundert zugesetzt, um den Gärprozess zu steuern. Freilich: 1516 war die Hefe noch nicht entdeckt, und so konnte sie auch nicht ins damalige Reinheitsgebot aufgenommen werden. Der Gärprozess wurde damals schlicht durch zufällige hereinwehende wilde Hefen ausgelöst oder durch einen Schluck altes Bier, den man dem Sud zusetzte.

Neben Hefen, die im Reinheitsgebot nicht vorgesehen sind, verwenden die deutschen Brauer aber auch Karamell- und Farbmalze, die zum Brauen der Dunkel- und Schwarzbiere unerlässlich sind. Diese Gerstenmalze werden mit Zucker karamellisiert oder mit Zuckercouleur, einem aus Zuckern unter der Mitwirkung verschiedener Chemikalien gewonnenen Farbstoff, der auch als E 150 bekannt ist, eingefärbt. Nachdem viele Biertrinker ihr Bier klar und nicht natürlich hefegetrübt bevorzugen, setzen viele Brauereien ihren Bieren ebenfalls Enzymkonzentrate zu, die das Filtern des Biers vor der Abfüllung erleichtern. Da diese Zusatzstoffe aus Malz gewonnen werden, drückt man auch hier gern einmal beide Augen zu, was das ach-so-reine deutsche Bier betrifft.

Wirklich interessant wird es jedoch, wenn man sich das Etikett eines Gebräus der Brauerei Braunschweig etwas genauer betrachtet, das über einen großen Discounter vertrieben wird. Deutschen Reinheitsgebot, liest der interessierte Kunde auf dem Halsetikett der Plastikflasche, um nach einigem Suchen auf der anderen Flaschenseite noch die Worte zu entdecken, die eigentlich davor gehören: Mit Bier nach dem … Interessiert studiert man also die Zutatenliste.

50 % Weissbier (Wasser, Weizenmalz, Gerstenmalz, Hopfenextrakt, Hefe); 50 % Erfrischungsgetränk mit Grapefruitgeschmack (Wasser, Pink Grapefruitsaft* (5,5 %), Zucker, Zitronensaft* (1 %), Orangensaft (0,5 %), Kohlensäure, Zitronen- und Orangenextrakt, färbende Konzentrate aus Karotte, schwarzer Johannisbeere, Saflor und Zitrone; Säuerungsmittel Citronensäure natürliches Citrusaroma mit anderen natürlichen Aromen, Antioxydationsmittel Ascorbinsäure, Stabilisator Johannisbrotkernmehl).
*aus Fruchtsaftkonzentraten

Man muss zugeben: Das Biermischgetränk Grapefruit & Weissbier, das bei Aldi Süd unter der Eigenmarke Karlskrone verkauft wird, schmeckt gut gekühlt nicht einmal so schlecht. Das Reinheitsgebot, mit dem auf seinem Etikett geworben wird, führt es jedoch völlig ad absurdum. Aus dem Deutschen Reinheitsgebot wird damit endgültig das, was es seit seiner Aufhebung als rechtsverbindliches Gesetz durch den Europäischen Gerichtshof im Jahr 2007 ohnehin schon war: Ein zahnloser Marketingtiger, der die Reklame der deutschen Brauereien zunehmend lächerlich wirken lässt.

Darauf ein frisches Bier aus einer kleinen Privatbrauerei aus der Region – und nicht von einem der weltmarktbeherrschenden Großkonzerne!