Männig

Organspende

Heute trat sie nun in Kraft, die lange diskutierte Bestimmung mit dem sperrigen Namen Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz. Ab sofort sind alle Krankenkassen dazu verpflichtet, ihre Versicherten in regelmäßigen Abständen über die Organspende zu informieren. Und wenn auch in § 2 des neu gefassten Transplantationsgesetzes diplomatisch formuliert wurde, die Aufklärung habe ergebnisoffen zu erfolgen, stellt das Bundesministerium für Gesundheit in einer aktuellen Pressemitteilung dennoch klar: Damit wird das Ziel, die Organspendebereitschaft in Deutschland zu erhöhen, gesetzlich verankert. Und ganz der Parole entsprechend, gemäß der die Spendebereitschaft in der Bevölkerung unbedingt zu erhöhen sei, sind auch die just erschienenen Infobroschüren der Krankenkassen und die Sonderseiten ihrer Webauftritte abgefasst. Klar, dass man auch auf der Webseite des Gesundheitsministeriums die Rubrik Was spricht für eine Organspende? findet. Einen Bereich, in dem erklärt wird, was dagegen sprechen könnte, sucht man jedoch vergeblich.

Eigentlich kann es ja auch gar nichts geben, was gegen die Bereitschaft zur Organspende spricht. Zu dieser Erkenntnis neigt man jedenfalls, wenn man die – dank Flaute der Werbewirtschaft – zahlreichen Plakate und Füllanzeigen der vielfältigen Pro-Organspende-Initiativen liest. Organspenden heißt Leben retten, heißt es da, In jedem steckt ein Lebensretter oder Richtig. Wichtig. Lebenswichtig. Sucht man dennoch gezielt nach Argumenten, die gegen die Bereitschaft zur Organspende sprechen könnten, so trifft man primär auf Informationen von Interessensgruppen, die eine richtige oder falsche Feststellung des Todeszeitpunktes eines potentiellen Spenders thematisieren. Den Hirntod, ab dem laut Gesetzestext die Entnahme von Organen möglich ist, mag die lautstärkste Gruppe der Organspende-Gegner nämlich nicht als den Zeitpunkt des wirklichen Todes anerkennen. Daneben finden sich selbstverständlich noch eine ganze Reihe von Gruppierungen, die mit religiösen Argumenten gegen die Organspende argumentieren.

So ist die eigentlich gar nicht stattfindende Diskussion um das Thema Organspende von festen Positionen geprägt, und das Ergebnis der eigenen Meinungsfindung scheint vor dem Hintergrund der medialen Übermacht der Befürworter unausweichlich. Neutrale Informationen, die tatsächlich eine ergebnisoffene Findung der eigenen Position erlauben würden, sind dagegen selbst mit aufwändiger Recherche kaum auffindbar. Zu diesen neutralen Informationen würde beispielsweise die Antwort auf die Frage gehören, wer denn am Ende wirklich von den seit Jahren tendenziell stagnierenden Transplantationszahlen profitiert. Sollten es wirklich primär die Kliniken und die Ärzte sein, wie manch einer nach den jüngsten, medial breit ausgetretenen Skandalen um Transplantationsfälle befürchtet? Ist es gar die ominöse Wissenschaft, der Fortschritt, eine Investition in die zukünftigen Möglichkeiten quasi? Oder sind es doch die Patienten, die, vor der lebensrettenden Transplatation siechend und dem Tode geweiht, nun ein neues Leben gewonnen haben, das sie in vollen Zügen genießen können?

Um Letzteres beurteilen zu können, bedürfte es öffentlich zugänglicher Zahlen über das postoperative Leben von Patienten mit transplantierten Organen. Dazu gehörten objektive Werte wie Überlebensraten der einzelnen Eingriffe, die durchschnittliche Überlebensdauer nach der Transplantation und zu Abstoßungsreaktionen der Organempfänger gegenüber den implantierten Organen. Ebenso wären die subjektive Bewertung der postoperativen Lebensqualität durch die Betroffenen selbst zu berücksichtigen, die oft stark von den Nebenwirkungen der unvermeidlichen Medikamentierung, beispielsweise durch Immunsuppressiva bis hin zum massiv erhöhten Krebsrisiko, geprägt ist. Erst auf der Basis derartiger, umfassender Informationen könnte der Einzelne zu einem fundierten Schluss kommen, ob er nach einer ausführlichen ethischen Abwägung aller Faktoren das heute existierende System der Organspende befürworten und insbesondere mit seiner ganz persönlichen Organspende unterstützen möchte. Die derzeitigen Pro-Organspende-Parolen aus allen offiziellen und semi-offiziellen Kanälen taugen hierfür nämlich nicht. Und insbesondere taugen sie dann nicht, wenn eigene Erfahrungen mit dem Thema Transplantationen im Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis alles andere als eine ausschließlich positive Sprache sprechen.

Um den Bürgern wirklich eine ergebnisoffene Meinungsbildung zum Themenkreis der Organspende zu erlauben, sollten stichhaltige, unvorbelastete Informationen veröffentlicht werden, statt – wie bisher – nur vorgefertigte Meinungen.