Ein interessanter Abend wars mal wieder, gestern in der Galerie Royal. Beeindruckend zunächst einmal das kurze Documentary „Kunst zwischen Leidenschaft und Markt“. Dem Kommentar des Filmautors Christopher Lewis, „Der Film ist nicht fürs Fernsehen gemacht, dafür hat er zu viel Inhalt“, ist nichts hinzuzufügen.
Die darauf folgende Diskussionsrunde mit den Galeristen Jörg Blumtritt und Peter T. Lenhart, sowie dem Künstler und Kunsttheoretiker Michael Hofstetter war, nicht zuletzt aufgrund der engen Interaktion mit dem Publikum äußerst unterhaltsam. Durch die gleichzeitig vom Podium durchgeführte Weinverkostung driftete sie natürlich zeitweise deutlich in Richtung Klamauk, was von den Akteuren, passend zum Thema, ganz offensichtlich auch so beabsichtigt war.
Was mir im Nachhinein etwas fehlte, waren die folgenden Aspekte bei der Betrachtung der vorgeblichen Verkommenheit des Kunstmarkts:
Der Markt der Kunst unterscheidet sich nicht oder nur unmaßgeblich von anderen Märkten, auf denen Waren oder Dienstleistungen gehandelt werden. Es kann unterstellt werden, dass auch hier das Pareto-Gesetz ungefähr Gültigkeit hat, dass also etwa 20 % des Mengenumsatzes 80 % des monetären Umsatzes ausmachen. Mehr noch, es dürfte sogar so sein, dass das „oberste“, teuerste Prozent der umgesetzten Werke 30 % des Geldumsatzes auf dem Kunstmarkt bewegt. Dieses eine Top-Prozent ist das, mit dem sich Magazine wie Artinvestor beschäftigen, was auf Kunstmessen wie der Art Basel zu sehen ist und was in der Öffentlichkeit als „der Kunstmarkt“ wahrgenommen wird.
Unterstellt man also eine Verkommenheit, weil in diesem Top-Segment derzeit eher Minderwertiges angeboten wird, da die Kunstsammler und -investoren derzeit aufgrund der Wirschaftslage nicht zu hohen Investitionen tendieren, dann bezieht sich diese Behauptung keinesfalls automatisch auf die restlichen 99 % des Kunst„markts“.
Bleibt die Frage, wer im augenfälligen Segment der wirtschaftlichen Elitekunst eigentlich den Markt gestaltet. Es ist, zumindest nach meiner Wahrnehmung, eine äußerst überschaubare Anzahl von Kuratoren, Kunsthistorikern, die die maßgeblichen Trendsetter-Sammler beraten. Galeristen sind als Meinungsmacher zweitrangig, da ihre Versuche der Einflussnahme analog Immobilienmaklern eher kritisch beäugt werden.
Nach welchen Kriterien sammelt aber ein Kunstsammler? Sicherlich steht das oft nur widerwillig genannte „Gefallen“ immer noch im Vordergrund. Zur bisherigen Sammlung soll ein neu erworbenes Werk natürlich auch passen, sie abrunden. Da es sich bei Sammlern von Kunst im elitären Preissegment aber zumeist um erfolgreiche Unternehmer oder Verwalter eines ererbten Vermögens handelt, spielt die wirklich ausschlaggebende Rolle der mögliche Wert des Werks im Sekundärmarkt, beim Wiederverkauf, sprich: die Rendite.
Die Berater dieser Sammler steuern damit im wichtigen Kunstmarkt Nordamerika auch gleichzeitig, was in den Museen hängt, da diese in der Regel über keine oder weit geringere Ankaufetats verfügen und daher auf Leihgaben und Stiftungen der Sammler angewiesen sind. Und die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum sorgt schließlich auch wieder für eine Erhöhung des Marktwerts.
Geht man von dem Gedanken aus, dass Kunst etwas Hohes, Vollkommenes uz sein hat, das sich der sich heute in alle Bereiche erstreckenden kapitalistischen Wertewelt nicht unterordnen soll oder gar darf, dann mag man die elitäre Top-Kunst oder deren Markt tatsächlich als verkommen bezeichnen. Dabei gilt es allerdings, zu berücksichtigen, dass die Kunst als Selbstausdruck des Künstlers eine relativ neue Erscheinung ist, die erst mit der Moderne Einzug gehalten hat. In den Jahrhunderten und Jahrtausenden davor war Kunst fast ausnahmslos Auftragskunst und der Künstler, entsprechend unserer heutigen Vorstellung, bestenfalls ein besserer Handwerker.
Auf diesen Grundlagen ist es auch nur zu selbstverständlich, dass ein Mensch, der in der Lage ist, die Mechanismen des Kunstmarkts zu verstehen und Werke zu produzieren, die für diesen Markt oder einen seiner Teilmärkte passend produziert sind, in der Regel weit mehr wirtschaftlichen Erfolg haben wird, als ein Künstler, der entsprechend klassischer Ästhetik „gute“ und inhaltsvolle Arbeiten abliefert. Dies zeigt keine Verkommenheit, sondern entspricht der Wertewelt unserer Gesellschaft. Und ebenso ist es normal und wirtschaftlich richtig, wenn Galeristen und andere Protagonisten des Kunstmarkts bestimmte Werke, von denen eine höhere Rendite erwartet wird, jetzt zurückhalten, bis bei den Investoren das Geld wieder lockerer sitzt.
Was in diesem Zusammenhang allerdings betrüblich erscheint, ist die Rolle der Kommissionen, die Kunstpreise und -auszeichnungen, oft aus öffentlichen oder Stiftungsmitteln, vergeben. Dadurch, dass auch diese sich primär an den Kunstmarkt anhängen, Künstler und Werke auszeichnen, für die die PR-Maschinerie der Branche ohnehin schon rollt, werden sie ihrer Rolle nicht gerecht. Vielmehr bestünde gerade an dieser Stelle die Chance, dem Markt und insbesondere seinen Rezipienten dann und wann interessante neue Inputs zu liefern und dem einen oder anderen Künstler den Start in eine wirtschaftlich tragfähige Zukunft ermöglichen. Die Aussage eines sehr erfolgreichen Künstlers, er wisse gar nicht, was er jetzt mit den ganzen Auszeichnungen solle, zwanzig Jahre zuvor sei er genauso gut gewesen und hätte sie wirklich brauchen können, tönt mir noch zu hell in den Ohren.
Harald Link
Mir stellt sich zusätzlich die Frage: Was wird dafür getan, um die Zahl derjenigen, die aktiv an diesem Markt teilnehmen, zu erweitern? Wo sind die pädagogischen, werberischen, jouralistischen oder wie auch immer sonst gearteten Ansätze, um neue Interessierte/Käufer zu gewinnen?
Da sind die Galeristen, Museen und Messeveranstalter in der Pflicht. Aber neue Ideen sehe ich wenige. Der Abend in der Galerie Royal war interessant. Aber wenn Galeristen sich in einer Galerie mit (in erster Linie) Künstlern und Kunstinteressierten über den Markt unterhalten – ist das nicht (wieder nur) ein Kochen im eigenen Süppchen?
Eine der Fragen des Abens war: Wer definiert, was qualitätvolle Kunst ist. Was mich genauso interessieren würde: Wer vermittelt einer breiteren Öffentlichkeit, dass die Auseinandersetzung mit Kunst spannend, interessant, befruchtend ist?
Der “öffentlich-rechtliche” Bayerische Rundfunk mit Bob Ross??? Die Tageszeitungen mit Lobeshymnen über die immer wiederkehrenden Museumsschauen (Erfolg garantiert dank T-Shirt-, Katalog- und Kaffeetassenverkauf) bekannter Künstler aus dem vergangenen Jahrhundert?
Kann nicht erst durch mehr Wissen über aktuelle Kunst und den Abbau von Hemmschwellen ein Markt entstehen, an dem nicht nur wenige etablierte Künstler/Galeristen erfolgreich teilhaben?
Jens Arne Männig
Ich halte die Inzucht, das Unter-Sich-Bleiben-Wollen, für eines der typischen Merkmale der Kunstbranche. Die Schwelle für „Neulinge“ und damit die Schwellenangst wird in vielen Fällen bewusst hoch gehalten – nicht nur gegenüber den Künstlern, sondern auch und vor allem gegenüber den Konsumenten, Kunstinteressierten. Die Galerie Royal und ihre Betreiber bilden da eine seltene, rühmliche Ausnahme, die sogar mir als kunstmarktverdorbener Existenz nach langjähriger Distanz wieder einige Freude an diesem Themenkreis beschert hat.
Auf die Frage, wer den Zugang zur Kunst zu vermitteln hat, möchte ich fordern: Jeder. Jeder zumindest, der selbst auch nur ansatzweise etwas damit anfangen kann. Jeder, der seine Schwellenangst in den Griff bekommt, die grimmigen Saalwächter in Museen und Galerien nicht als zu respekteinflößend empfindet. Und das fängt beizeiten an: Es ist nie zu früh, seine Kinder, Neffen, Enkel in Museen zu schleppen, mit Kunst zu konfrontieren. Oft sehen sie nicht das, was sich die Kuratoren beim Konzeptionieren der Ausstellung gedacht hatten, sondern ganz Anderes, und sie zeigen damit auch den begleitenden Erwachsenen spannende neue Betrachtungsweisen.
Erst an zweiter Stelle steht für mich der entsprechende Bildungsauftrag der Öffentlichen Hand. Zunächst einmal die öffentlichen Museen und Kunstsammlungen selbst, wobei da leider, trotz großer Liberalisierungen in den letzten beiden Jahrzehnten, immer noch einiger Dünkel und elitäres Gehabe regiert, man dort oft lieber unter sich bleiben würde. Und natürlich, wie du erwähnt hast, der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Wenn du als Negativbeispiel den unsäglichen Bob Ross (de mortuis nil nisi bene, ich weiß) aufführst, möchte ich im Gegenzug auf einige gute bis sehr gute Ansätze verweisen, die im guten, alten Dampfradio Bayern 2 laufen. Leider erreicht der Bayerische Rundfunk mit einem derartigen Angebot gerade einmal 3,4 % der potentiellen Hörer. Der Autofahrersender B3 liegt dagegen bei 21,2 %, Radio Bayern 1 erreicht mit seiner leichten Muse sogar 26,8 %.
Kein Wunder also, wenn man sich beim GEZ-finanzierten Funk nicht sonderlich um diese Themen reißt. Ein Teil des Bildungsauftrags sind sie aber allemal. Und so bleibt also für die Menschen, die nicht ohnehin, teils auch aus künstlerischem Eigeninteresse, an der Kunstszene teilnehmen, die alljährliche lange Nacht der Museen …