Wie neulich bereits berichtet: Pinboard ist ein leistungsfähiges und vielseitiges Tool, wenn es um die Speicherung und Verwaltung von Lesezeichen geht. Das Erscheinungsbild des Pinboard-Webinterfaces ist jedoch schlicht, und das gilt ganz besonders, wenn man die Mobilversion der Lesezeichenverwaltung betrachtet. Kein Wunder, dass sich die meisten Pinboard-Nutzer lieber früher als später nach einer App für ihre Lieblings-Bookmarkingmaschine umsehen, die die Ansicht hübscher und die Nutzungsmöglichkeiten vielfältiger sowie komfortabler gestaltet. In den vergangenen Wochen habe ich mir einige Apps für iOS angeschaut.
Pinbook
Hat man sich erst einmal an die ungewöhnliche Farbwelt, die zwischen honiggoldgelben bis kühlen Brauntönen rangiert, gewöhnt, dann wirkt die App stabil und angenehm. Die per Pulldown-Geste ausgelöste Synchronisation des Programms erfolgt schnell und zuverlässig. Dominante Balken oben und unten schränken die effektiv zur Verfügung stehende Bildschirmfläche etwas ein. Der unten rechts liegende Navigationsbutton ist für Rechtshänder, die einhändig arbeiten wollen, mit dem Daumen nur unbequem zu erreichen. Leider verfügt Pinbook nicht über eine leseoptimierte Darstellung der einzelnen Artikel, sondern ruft stets die Originalwebseite, gegebenenfalls einschließlich sämtlicher Werbung, auf.
Die App greift ausschließlich auf die eigenen Bookmarks des Nutzers zu und filtert diese wahlweise nach den Rubriken private, public, unread oder untagged. Der Editiermodus wird durch einen langen Druck auf einen Listeneintrag aufgerufen. Beim Hinzufügen von Tags beeindruckt Pinbook mit einer einzigartigen Leiste, auf der die entsprechenden Tags schon nach dem Eintippen weniger Zeichen übersichtlich abrufbar sind. Die App funktioniert auf iPhone und iPad, ist per URL-Scheme ansteuerbar und wird per Schnittstelle von zahlreichen anderen Apps unterstützt. Pinbook selbst kann Lesezeichen an Instapaper und Pocket weiterreichen.
Screenshot, Webseite, iTunes, 4,49 Euro
Pinbrowser
Die App des Wieners Mikael Konutgan stellt eine Ausnahmeerscheinung im Feld der Pinboard-Apps dar. Sie ist nämlich primär nicht zum Verwalten der eigenen Lesezeichen konzipiert, sondern dient in erster Linie dazu, die Bookmarks anderer Pinboard-Nutzer zu verfolgen. Dies funktioniert natürlich nur dann, wenn diese anderen User ihre Einträge auf öffentlich gesetzt haben. Und nur, wenn man dies auch selbst tut, kann man auch seinen eigenen Bookmarks folgen. Ein Einloggen in den eigenen Account sollte zwar mit Pinbrowser auch möglich sein, wurde jedoch im Test stets mit something went wrong quittiert. Das Programm verfügt über Schnittstellen zu Pinbook, Pushpin und Pinner, die dann die weiteren Möglichkeiten mit Pinboard abdecken sollen.
Screenshot, Webseite, iTunes, 89 Cent
Pincase
Pincase, das sich als eine Designer-App versteht, stammt aus der Feder des japanischen Entwicklers Keishi Maeda. Es fallen zunächst monströse Weißräume und winzige Schriften auf, wobei letztere jedoch im Preferences-Menü auf größere Punktzahlen einstellbar sind. Insgesamt schien bei der Entwicklung von Pincase die komfortable Lesbarkeit der Listendarstellungen keine allzu hohe Priorität einzunehmen. Im Editiermodus für einzelne Einträge muss man sich gleich durch drei Bildschirme wischen, um ein einziges Lesezeichen vollständig zu bearbeiten. Hat man den icon badge für die Anzeige der ungelesenen Einträge aktivert, dann stellt Pincase einen praktischen Schnellzugriff zu den ungelesenen Bookmarks von der Startseite aus zur Verfügung – aber leider nur dann.
Pincase aktualisiert die Einträge automatisch. In welchen Zeitabständen oder anlässlich welcher Aktionen es dies tut, war im Test nicht wirklich nachvollziehbar. Leider vergisst die App dabei öfter, Lesezeichen zu eliminieren, die mithilfe anderer Apps oder direkt auf der Pinboard-Webseite gelöscht wurden. So sammelt sich mit der Zeit eine immer größer werdende Zahl von Karteileichen an. Ein manueller Refresh der Bookmarks ist nur über einen Button möglich, der sich im Einstellungsmenü versteckt. Ungelesene Einträge, die länger als eine Woche zurücklagen, mochte Pincase im Test auch nicht mehr anzeigen. Die streckenweise noch etwas holprige Übersetzung der Benutzeroberfläche (»2 Tagen vor«) wird sicherlich mit einem späteren Release noch optimiert.
In der App sind die Mobilizer von Instapaper und Readability integriert, um ein komfortableres Lesen zu ermöglichen. Pincase kann seinerseits Links an Pocket, Readability, Instapaper und Hatena Bookmark weiterreichen. Einzigartig im Wettbewerberfeld alarmiert das Programm sofort per Popup und Vibrationsalarm, wenn die Pinboard-API einmal temporär nicht zur Verfügung steht. Alle anderen Tools lassen den Nutzer darüber mehr oder weniger im Unklaren.
Screenshot, Webseite, iTunes, 3,59 Euro
Pinhole
Ryan Worls iOS-App mit dem Namen Pinhole ist ein simples Werkzeug, um die eigenen Bookmarks zu lesen, zu suchen und zu editieren. Hier erwarten einen keine Extras, kein Schnickschnack, keine Sortiermöglichkeiten und auch keine Filter. Ungelesene Bookmarks erscheinen einfach chronologisch in der Liste und sind mit einem roten Balken markiert. Die Synchronisierung erfolgt schnell und zuverlässig. Wem das genügt, der darf sich mit Pinhole über das einzige kostenlose Pinboard-Programm freuen, das im iTunes-Store zu haben ist.
Screenshot, Webseite, iTunes, kostenlos
Pinner
Pinner von Sam Oakley ist die Pinboard-App für Pragmatiker. Ihr Erscheinungsbild ist schlicht, einfach und wenig aufregend. In der Listendarstellung bringt sie ganze acht Bookmarks auf dem Bildschirm des iPhone 5 unter. Damit ist sie in dieser Disziplin Klassenbester. Die integrierte reader view, die von Readability befeuert wird, ist zwar auch nicht gerade typografisch anspruchsvoll, jedoch immerhin vom User individuell konfigurierbar, was Schriftarten, -größen und Farben betrifft. Störende Navigationsleisten oben und unten verschwinden, wenn man in dieser Darstellung weiterscrollt, so dass der ganze Bildschirm zum Lesen zur Verfügung steht. Daneben ist Pinner das einzige Programm im Testfeld, das die Texte hinter gespeicherten Bookmarks auch zum Lesen offline speichern kann.
Zurück zur Bookmarkliste kommt man bei Pinner einfach und komfortabel durch einen Wisch nach rechts. Die Suche nach kleinen Buttons ist damit hinfällig. Ein weiterer Wisch über einen Listeneintrag bringt ein Aktionsmenü zum Vorschein. Pinner unterstützt ortsabhängige Hintergrund-Updates, ist per URL-Scheme ansteuerbar und kann Bookmarks an Instapaper weiterreichen. Ein icon badge mit der Zahl ungelesener Bookmarks kann optional ebenfalls angezeigt werden. Der große Wermutstropfen: Im Test gelang es nicht, mehr als die jeweils 250 neuesten Bookmarks in Pinner zu laden. Entsprechend kann die App ältere Lesezeichen bei einer Suche auch nicht auffinden.
Screenshot, Webseite, iTunes, 1,79 Euro
Pins
Die größte Funktionsfülle aller getesteten Apps bietet Arvindh Sukumars Pinboard-Tool namens Pins. Das Programm bietet ein sachlich-elegantes Interface, das durchgängig in fröhlichen Grautönen erstrahlt. Pins bietet alle bisher genannten Features anderer Pinboard-Apps, einschließlich der sozialen Funktionen von Pinbrowser. Daneben ist Pins mit einer bookmarkbezogenen Erinnerungs- und Alarmfunktion ausgestattet. Beim Lesen unterstützt den Nutzer die Integration von Readability, aus der man wahlweise per Button oder Rechtswisch ins übergeordnete Menü zurück navigieren kann. Das Aktionsmenü für einzelne Einträge ist ebenfalls per Wisch aufrufbar.
Löscht man einen Eintrag, dann mag dieses Aktionsmenü jedoch aus unerfindlichen Gründen nicht verschwinden. Erst, wenn man die Liste auf dem Bildschirm etwas auf und ab bewegt, wird es schließlich doch noch eliminiert. Beim stets manuell auszulösenden Refresh hängt sich Pins bisweilen auf, so dass es per Taskbar geschlossen und neu gestartet werden muss. Wie schon Pincase sammelt auch Pins tote Bookmarks in seiner Liste an, weil es das Löschen von Lesezeichen außerhalb der eigenen App nicht zuverlässig nachvollzieht.
Screenshot, keine Webseite, iTunes, 1,79 Euro
Pushpin
Die mit Abstand teuerste Pinboard-App für iOS ist übersichtlich gestaltet und durchgängig in der trendigen Schriftart Avenir gehalten, die ältere Menschen immer etwas an die gute, alte DDR-Standardschrift Super Grotesk erinnert. Der Leser hat die Wahl zwischen den Mobilizern von Google, Instapaper und Readability. Nutzer exotische Webbrowser wie iCab Mobile freuen sich darüber, dass Pushpin auch diese mit Bookmarks zu bedienen versteht. Beim Laden von Webseiten, ob mit Mobilizer oder ohne, gerät die App bisweilen ins Stocken.
In den Listendarstellungen werden im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern keine Tags angezeigt. Dafür beherrscht Pushpin die Darstellung von in Pinboard erstellten Notizen. Dabei werden allerdings auch Notizen angezeigt, die eigentlich längst gelöscht wurden. Gleiches gilt leider auch für sonstige Einträge, die bereits außerhalb von Pinboard eliminiert wurden. Die App teilt sich also diesen verbreiteten Mangel mit den Konkurrenten Pincase und Pins.
Screenshot, Webseite, iTunes, 8,99 Euro
Fazit
Die optimale iOS-App für Pinbook gibt es offenbar noch nicht. Benötigt man keine leseoptimierte, CSS- und werbefreie Darstellung, dann kann man mit Pinbook glücklich werden. Den abgedeckten Leistungsumfang bedient Pinbook flink, bis auf die gewöhnungsbedürftigen Farben unauffällig und zuverlässig. Die schlichte App Pinner überzeugt durch ihre Leistungsfähigkeit und die Möglichkeit des Offline-Lesens – sofern man sich wirklich auf das Abarbeiten frischer, ungelesener Bookmarks beschränken mag, denn mehr ist aufgrund der nicht nachvollziehbaren Beschränkung auf maximal 250 Lesezeichen nicht drin. Ich arbeite derzeit mit einer Kombination dieser beiden Programme.
Pins, Pincase und Pushpin sammeln Karteileichen an, weil sie anderswo gelöschte Bookmarks nicht heraussynchronisieren. Dies macht alle drei Apps mit der Zeit sehr unübersichtlich und damit unbequem. Pins bietet die meisten Features im Feld, jedoch auch einige Macken, Pincase ist schick und nicht sehr zweckmäßig und Pushpin kostet ein Vielfaches seiner Mitbewerber, ohne augenfällig mehr zu bieten. Pinbrowser ist ein Nischenprodukt, das wohl nur das Interesse weniger User finden wird. Wer kein Geld ausgeben möchte und mit einem überschaubaren Leistungsumfang zufrieden ist, der ist womöglich mit Pinhole gut bedient.
Acky
Leider scheint das Problem der “Karteileichen” die API von Pinboard zu sein. In den letzten drei Wochen habe ich ständig Probleme von Abgleich und Login mit allen 5 Pinboard Clients. Und es geht nicht nur mir so. Die Statusseite von Pinboard zeigt dabei munter “OK” an. Zwei Supportanfragen (E-Mail, Twitter) blieben unbeantwortet. In diesem Zusatnd ist der Dienst leider wenig brauchbar.
Jens Arne Männig
Dass die API derzeit (auch heute wieder) Probleme macht, ist mit bekannt. Vor diesem Hintergrund schien es mir aber gerade auch sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass es Apps gibt, die mit der API auch in ihrem jetzigen Zustand umgehen können. ReadKit, das ich auf dem Mac nutze, kann das übrigens auch.