Spätestens seit Mark Twains Essay The Awful German Language haben die Amerikaner ihre Freude an der deutschen Sprache, insbesondere aber an deutschen zusammengesetzten Hauptwörtern entdeckt. Davon zeugen nicht zuletzt entsprechende Neologismen in der englischen Sprache, wie Kindergarten, Zeitgeist, Doppelgänger oder Fahrvergnügen. Der britische Autor Ben Schott hat nun ein Buch publiziert, das ausschließlich aus mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogenen oder sogar frei erfundenen deutschen Endloswörtern besteht. Auf den Internetseiten der New York Times ist vor wenigen Tagen ein Promotionartikel für dieses neue Werk erschienen. Zwei Dinge fallen beim Lesen und Betrachten dieses Beitrags ins Auge:
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Wenn schon Deutsch, dann richtig, mögen sich Schott und seine Marketingleute gedacht haben. So setzten sie die deutschen Wörter im Artikel wie auch im Buch in Frakturschrift. Verwendet wurde hier Andrew Lemans Retro-Font Journalistic. Was allerdings Schott und seine Grafiker, Setzer oder Typografen leider nicht verwenden, ist das im deutschen Frakturschriftsatz typische und richtige lange s. Statt Herbſt liest man also Herbst, statt Eiſenbahn steht da Eisenbahn. Und das, obwohl die verwendete Schrift das lange s sehr wohl unterstützt. Schade!
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Sonderschriften wie Frakturen im Netz für alle Browser brauchbar und richtig darzustellen, ist nach wie vor nicht ganz ohne, auch wenn mittlerweile einige Frakturschriften als Webfonts zur Verfügung stehen. Bei der New York hat man es sich einfach gemacht und schlicht den gesamten Artikel als Grafik eingestellt. Die 1,2 Megabyte schwere PNG-Datei hat ein Format von 600 mal 10.794 Pixel. Ob wohl alle Browser damit gut zurecht kommen? Besonders elegant ist diese Lösung jedenfalls nicht, und stärker sehbehinderten Menschen bleibt sie ohnehin verschlossen.
Doch zurück zu den langen, deutschen Wörtern, die man im angloamerikanischen Kulturraum so schätzt. Man müsste sie eigentlich gar nicht eigens erfinden, begegnen sie einem doch immer wieder ganz natürlich in freier Wildbahn. So sucht beispielsweise just ein renommiertes Unternehmen der deutschen Hightech- und Rüstungsbranche dringend nach einem qualifizierten
Projektleiter Miniaturisierung Sensorsignalverarbeitungsschaltungen
proh-yagt-lie-tehr mee-nee-ah-too-ree-see-ruhng sen-sor-seeg-nuhl-fair-ahr-bye-toongs-shul-toong-an
Leading project manager for the miniaturization of sensor signal processing systems.
Das klingt zwar auch schon recht fantasievoll, ja sogar fantastisch, doch setzt selbst die deutsche Sprache der Fantasie bei der Kreation zusammengesetzter Wörter gewisse Grenzen. Die entsprechenden Regeln sind komplex. Leichter begreiflich hat die Formung zusammengesetzter Hauptwörter einst Roda Roda zusammenzufassen versucht:
Es gibt Tiere, Kreise und Ärzte.
Es gibt Tierärzte, Kreisärzte und Oberärzte.
Es gibt einen Tierkreis und einen Ärztekreis.
Es gibt auch einen Oberkreistierarzt.
Ein Oberkreistier aber gibt es nicht.
Dieter Mueller
Schermän is goot, ja?!
Farbenfreundin
Cooler Vers von Roda. Sehr witzig!