Offenbar legt es nun auch der World Wildlife Fund (WWF) darauf an, sich in der digitalen Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Dessen Werbeagentur Jung von Matt hat sich nämlich etwas ganz tolles ausgedacht: Am kommenden Dienstag möchte man das erste grüne Dateiformat auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorstellen. Eine entsprechende Seite im unvermeidlichen Facebook wurde selbstverständlich auch schon eingerichtet und findet begeisterte Claqueure. Die Webseite, die die Jung-von-Matt-Werber eigens kreiert haben, dient allerdings zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen noch mit eher weniger aussagekräftigem lorem ipsum.
Soweit man den bisherigen Ankündigungen entnehmen kann, handelt es sich bei dem Dateiformat mit der reklameträchtigen Endung .wwf um nichts anderes als um eine PDF-Datei, für die dem Nutzer die Druckrechte entzogen wurden. Dies ist nichts Neues, lassen sich doch die entsprechenden Rechte schon seit Jahren auch mit dem Adobe Acrobat problemlos entziehen. Freilich, dass sich der Leser dem Wunsch des Anbieters einer Datei, diese nicht auszudrucken, auch unterwirft, setzt voraus, dass er sich ebenfalls der Software von Adobe, des Eigentümers des PDF-Formats, bedient. Denn der Marker in der Datei, der ihre Benutzbarkeit einschränkt, wird bei Weitem nicht von allen Programmen, die PDF-Dateien lesen können, auch in dieser Weise interpretiert.
Nun wollen also Jung von Matt und der WWF diese mangelhafte Funktionalität des proprietären Adobe-Dateiformats in einer Werbeaktion ausschlachten. Jeder, der nur ein klein wenig Ahnung von seinem Computer hat, kann darüber nur herzlich lachen und wird selbstverständlich auch die Daten im neuen WWF-Format jederzeit ausdrucken, wenn er dies wünscht. Mittel und Wege dazu gibt es genug, und das für alle verbreiteten Betriebssysteme. Da das PDF-Format, das versucht, gedruckte Dokumente auf dem Bildschirm zu simulieren, generell mehr Probleme als Lösungen bietet, verdient es ohnehin keine weitere Unterstützung seiner Verbreitung. Man mag nur fast vermuten, dass Adobe hier mit einer generösen Spende an den WWF einen neuen Vertriebsweg erschlossen hat.
Vernunft, liebe Experten bei Jung von Matt und beim WWF, so wie die Vernunft, nicht jedes Dokument auszudrucken, fängt im Kopf an und nicht bei lächerlich leicht umgehbaren Verboten. Aber bei der breiten Masse der Ausdrucker ein neues Bewusstsein zu schaffen, das wäre sicherlich schwieriger zu bewerkstelligen als mit einer schicke PR-Aktion unter dem Siegel NEU – selbst wenn diese letztlich nur ein untaugliches und unnützes Tool liefert.
Sören
Dass es dabei um etwas NEUES geht, glaube ich weniger. Vermutlich ist es eher der GRÜNE Aspekt. Das zieht immer – so wie nachhaltig…
Bärbel
Angesichts der zahlreichen Werbekampagnen (auch Plakate, Mailings etc.)habe ich so langsam den Verdacht, der WWF will nicht in erster Linie bedrohte Arten retten, sondern die Werbewirtschaft.
Seit der WWF den Abschuss des Braunbären Bruo befürwortete, bekommt diese Organisation von mir jedenfalls keine Spenden mehr.
Peter Jakobs
ach Jens,
wir leben in einer hedonistischen Gesellschaft, nicht der “gesunde Menschenverstand”, nicht die Logik, die Folgenabschätzung bestimmen unser Handeln, nein, in den allermeisten Fällen handeln wir ganz einfach so, wie wir uns am wohlsten fühlen. Wir stellen uns gerne unter den Schirm einer breiten, wenn auch nicht tiefgründigen, Bewegung.
Insofern könnte man diese Aktion auch einfach unter einem anderen Blickwinkel betrachten: seit mindestens 10 Jahren könnten wir grundsätzlich in vielen Fällen auf Papier verzichten, tun es aber nicht.
Die Frage ist doch: wie verändert man das Konsumentenverhalten. Die Antwort ist nicht: “durch Nachdenken, Aufklärung und Erkenntnis”. Die Antwort ist vielmehr: indem man für ein erwünschtes Verhalten eine positive Assoziation mit einem wünschenswerten Image schafft.
Wenn ich dieses Dokument nicht ausdrucke, was genau ist der Gewinn für die Umwelt? Wenn ich es nicht per Post verschicke, sondern als elektronisches Dokument? Kann ich den Adressaten davon überzeugen, daß es nicht sinnvoll ist, es auszudrucken und auf ein Eck des Schreibtisches zu legen?
Der wwf hat hier durchaus das positive Image und kann dazu beitragen, daß wir darüber nachdenken, ob wir uns nicht in den Kreis derer stellen, die ein leuchtendes moralisches Vorbild sind, weil sie sich den Zielen des wwf anschließen.
Technisch ist es natürlich blanker Unsinn, aber das gilt für viele Dinge. Realistisch betrachtet ist es ein garnicht so schlechter Ansatz. Quasi die Möglichkeit für jeden, den moralischen Zeigefinger zu heben und sich dabei gut zu fühlen.
pj