Architecture for the people by the people ist der Titel eines vor wenigen Tagen veröffentlichten TED-Vortrags von Alastair Parvin. Der britische Architekt stellt in seinem dreizehnminütigen Referat das Konzept eines quelloffenen Selbstplanungs- und -konstruktionssystems für einfache Baukörper und Strukturen vor. Parvins Herleitung des Bedarfs für ein solches System scheint schlüssig:
The uncomfortable fact is that almost everything that we call architecture today is actually the business of designing for the richest one percent of the worlds population – and it always has been. […] Form follows finance.
Sein Vorschlag für eine neue Baukultur: Unter Creative Commons lizenzierte, frei verfügbare Konstruktionsdaten für Bauelemente, die von den Nutzern jederzeit angepasst und auf einer gewöhnlichen CNC-Fräse geschnitten werden können. Als standardisiertes Baumaterial dienen dabei stets 18 Millimeter starke Sperrholzplatten. Die Verbindungen zwischen den Einzelteilen erfolgen durch Fügungen, wie sie aus der japanischen Schreinerei und Zimmerei bekannt sind. Statt Schrauben oder Nägeln kommen vorwiegend Keile zum Einsatz. Der Zusammenbau der gesamten Baustruktur entspricht dann auch eher dem einer Schrankwand oder Küche aus einem SB-Möbelhaus. Er ist auch von bautechnischen Laien ohne weiteres zu bewerkstelligen. People get confused between construction work and having fun, meint Parvin.
Bei genauer Betrachtung des unter dem Namen WikiHouse veröffentlichten Konzepts fallen freilich auch gewisse Unstimmigkeiten auf: Zum einen handelt es sich nämlich nur sehr eingeschränkt um eine Architektur ohne Architekten oder for the people by the people. Wer mit WikiHouse-Elementen baut, der hat ungefähr genauso viel gestalterische Freiheit wie jemand, der ein Legomodell zusammensteckt. Die einzelnen Bauelemente sind zunächst einmal ganz eindeutig von Bauprofis wie Parvin vorgegeben. Sie können zwar modifiziert oder durch neue Elemente ergänzt werden, jedoch werden Laien vermutlich dabei – mangels Kenntnissen in Materialkunde, Statik und Dynamik – schnell an die Grenzen ihrer Fähigkeiten kommen.
Auf der anderen Seite setzt WikiHouse mit den großformatigen Sperrholztafeln auf ein industriegefertigtes Ausgangsmaterial, das keineswegs überall auf der Welt und für jeden erschwinglich verfügbar ist. Lange Transportwege müssen gegebenenfalls berücksichtigt werden, und gleichzeitig werden Abhängigkeiten von einem Oligopol von holzverarbeitenden Betrieben für die Bauherren geschaffen. Dennoch ist WikiHouse ganz ohne Frage ein Projekt, dass es sich zu verfolgen lohnt. Der Weg ist der richtige, denn seine Vision beschreibt Alastair Parvin am Ende seines Vortrags so:
If design's great project in the 20th century was the democratization of consumption, design's great project in the 21st century is the democratization of production.
- Video des Vortrags (mp4-Format, HD)
- Seite des Vortrags bei TED (mit Flash-Video)
- Projektseite WikiHouse
Die Headergrafik ist dem WikiHouse Design Guide (Lizenz CC BY-SA) entnommen.
vinz
Danke für die Zusammenfassung! Ich wollte den Talk eh noch anschauen, das kann ich mir jetzt sparen :)