Das Taubertal ist eine uralte, deutsche Kulturlandschaft. Funde deuten auf eine Besiedlung vor über 2.500 Jahren durch die Kelten hin, und seither hat der Bereich des heutigen Tauberfranken eine wechselvolle Geschichte erfahren. Obwohl im Herzen des südlichen Deutschlands gelegen, wissen selbst die Bewohner Baden-Württembergs und Bayerns selten so genau, wo sie die Tauber und die sie umgebende Landschaft lokalisieren sollen. Touristische Aufmerksamkeit erfährt der ruhige und charmante Landstrich seit einigen Jahren durch den Taubertal-Radweg, seinerzeit einer der ersten, konsequent erschlossenen und vermarkteten Radwanderwege in Deutschland.
»Umtragen« bedeutet bei den meisten Wehranlagen eher »umziehen«
Wir haben uns allerdings entschlossen, das Taubertal diesmal vom Wasser aus zu entdecken. Bedingt durch Infrastruktur und die sommerlich-niedrige Wassermenge im Juli haben wir uns dabei auf die gut 50 Flusskilometer zwischen Bad Mergentheim und Wertheim, wo die Tauber in den Main mündet, beschränkt. Da uns die kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten Tauberfrankens recht vertraut sind, haben wir die Flussreise mit zwei Tagen sehr knapp kalkuliert. Wer gern öfter anhält, um die Umgebung zu erkunden und wer eher Beschaulichkeit als sportlichen Ehrgeiz schätzt, dem seien mindestens ein bis zwei Tage mehr für diese Strecke ans Herz gelegt.
Weiden dominieren den Uferbewuchs zwischen Mergentheim und Tauberbischofsheim
Für den Trip haben wir ein Kajak bei der Bootsvermietung Drescher in Bad Mergentheim gemietet. Dort erhält man für 25 Euro pro Tag ein solides Bavaria Columbia, oder zum gleichen Preis ein entsprechendes Kanu. Inbegriffen sind ein geräumiges, wasserdichtes Transportfass für Kleidung und Wertsachen, Schwimmwesten, selbstverständlich die Paddel und auch ein Schwamm zum Austrocknen des Bootes, der sich nach schnelleren Flusspassagen als äußerst nützliches Utensil erweist. Für den Rücktransport von Boot und Mannschaft ab dem Zielpunkt Wertheim werden noch einmal 50 Euro fällig. Die Bootsvermietung ist vom Bad Mergentheimer Bahnhof aus in wenigen Gehminuten durch den schönen Schlosspark erreichbar.
Knorriges Totholz spiegelt sich auf der Wasseroberfläche
Nach einer freundlichen und kompetenten Einführung erhält man noch einmal eine tagesaktuelle Version – je nach Wasserstand – des Flussplans, der sich auch auf der Webseite des Vermieters befindet. Dann kann es losgehen. An der Abfahrtstelle ist das Wasser aufgestaut, so dass man sich schon bald am ersten Wehr wiederfindet, das man umtragen muss. Umtragen ist jedoch übertrieben, da man in den meisten Fällen das robuste Boot einfach durchs Gras hinter sich herziehen kann. Man muss sich aber im Klaren sein: Bis zur Mündung hat man ganze 18 Flusswehre zu bewältigen, von denen zu unserer Reisezeit im Hochsommer nur ein einziges flott zu überfahren war. Die längste, frei fahrbare Strecke zwischen zwei Wehren beträgt auf dem Unterlauf der Tauber sechs Kilometer.
Freundliche Taubertallandschaft bei Lauda
Zur Orientierung auf dem Fluss und besonders an den Wehranlagen sind die klassischen, amtlichen topografischen Karten am nützlichsten. Freilich sind diese heute auch online oder in Apps wie GPS-Tracks für das iPhone jederzeit frei verfügbar. Daneben bietet oft auch die Satelliten- oder Luftbildansicht von Google Maps wertvolle Unterstützung, insbesondere im Bereich der Wehranlagen. Im sonst so geschätzten OpenStreetMap sind dagegen die Details rund um den Flusslauf bislang noch recht lückenhaft dokumentiert.
Die kanalisierte, schnell dahinfließende Tauber bei Tauberbischofsheim
Von der Deutschordensstadt Bad Mergentheim geht es durch Edelfingen und an Unterbalbach vorbei nach Königshofen und weiter nach Lauda. Unter der Tauberbrücke Am Wörth, direkt am Sportplatz, ziehen wir das Boot aus dem Wasser und laufen die wenigen hundert Meter in die kleine Altstadt des Weinstädtchens, wo wir uns ein Mittagessen und ein Eis schmecken lassen. Danach geht es an Gerlachsheim vorbei, von wo ab die Tauber stärker zu mäandern beginnt. Die Vegetation der Flussufer wird in diesem Bereich von Weiden und Pappeln dominiert. Man sieht zahlreiche Graureiher, und immer wieder fliegen Eisvögel vor uns her.
Eines der zahlreichen kleinen Wehre, hier bei Impfingen
Wir passieren das von seiner Brauerei dominierte Distelhausen und erreicht nach der Durchfahrt unter der Autobahnbrücke der A 81 Dittigheim. Ab hier verläuft die Tauber für einige Kilometer kanalisiert und gerade, wodurch sich allerdings ihre Flussgeschwindigkeit erhöht, was den Kanuten dann doch wieder erfreut. Die Tauber führt uns durch Tauberbischofsheim, wo sich ebenfalls ein Stopp mit Besichtigung der Altstadt anbietet. Kurz vor Impfingen beginnt sich der Fluss wieder zu winden, was sich zwischen Impfingen und Hochhausen in Mäander steigert, die einen immer wieder der Orientierung berauben. Kurz hinter der alten Tauberbrücke zwischen Hochhausen und Werbach finden wir einen guten Platz, um unser Boot aus dem Wasser zu ziehen, nachdem unser erster Versuch auf einer Weide zwischen neugierigem Jungvieh scheiterte. Wir machen, wie geplant, Feierabend für den ersten Tag, nach etwa 28 Kilometern auf dem Fluss. Unsere Fahrräder hatten wir am Morgen auf dem Werbacher Marktplatz abgestellt, von wo aus wir in einer Viertelstunde unser Nachtquartier erreichen.
Unterhalb Werbachs verengt sich das Flusstal
Der nächste Morgen ist trüb und etwas regnerisch, lichtet sich jedoch nach kurzer Fahrt zunehmend auf, so dass die Regenjacken wieder in das Transportfass wandern können. Vielleicht etwas zu früh, denn im lebendigeren, schnellfließenden Wasser bei der Werbacher Insel werden wir dann doch nassgespritzt, diesmal allerdings durch Tauberwasser. Doch es ist warm, so dass die Kleidung schnell wieder getrocknet ist. Das zuvor etwa eineinhalb Kilometer breite Flusstal wird hier eng und windet sich zwischen steilen Hängen hindurch. Der Muschelkalkboden, der an den Ufern zum Vorschein kommt, weicht unterhalb von Werbach dem Buntsandstein. Die heute meist bewaldeten Talhänge dienten früher dem Weinbau, so dass hier und da noch alte Trockenmauern der einstigen Terassierung zu erkennen sind. Trotz der Enge des Tals fließt die Tauber nun bis zur Mündung meist eher behäbig dahin.
Die Gamburg überragt das gleichnamige Dorf
In Niklashausen, das für seinen Pfeifer bekannt ist, stellt und die Wehranlage vor eine erste Herausforderung. Am E-Werk übersetzen, empfiehlt der Flussplan, doch hat man in der Zwischenzeit den Zufluss mit einer weiteren Sperre versehen. Nach einigem Kopfkratzen beschließen wir, diese einfach zu überheben und gelangen so endlich doch noch zur vorgesehenen Ausstiegsstelle. Weiter geht es nach Gamburg, das, wie der Name schon sagt, von einer kleinen Burg aus dem 12. Jahrhundert überragt wird, und zur nicht weniger sehenswerten, wenn auch zunehmend verfallenden Eulschirbenmühle.
Bei niedrigem Wasserstand hinter Wehren hilft manchmal nur Beinarbeit
Das ehemalige Zisterzienserkloster Bronnbach, das heute unter anderem eine Dependance des Fraunhofer-Instituts in seinem ehemaligen Kuhstall beherbergt, lassen wir diesmal ebenfalls unbeachtet liegen. Statt dessen wollen wir im folgenden Weinort Reicholzheim eine Kaffeepause einlegen. Dies gestaltet sich aber gar nicht so leicht, da trotz Feriensaison alle gastronomischen Betrieb geschlossen zu sein scheinen. Schließlich erbeuten wir am oberen Ortsrand aber doch noch einen Cappuccino. Der Aufstieg wird uns mit einem schönen Blick übers Tal wett gemacht.
Kleine Inseln verleihen der Tauber stellenweise etwas Sumpfromantik
Weiter geht es auf der Tauber, die sich nun um Waldenhausen herum schlängelt, bevor wir einige Kilometer weiter schon Wertheim erreichen. Am Stadteingang ist das letzte Wehr zu überwinden, wo ein hilfsbereiter Angler für uns keine Fragen offen lässt. Der letzte Flusskilometer durch Wertheim bewirkt bei uns nach über 50 Kilometern zwischen den mit Weiden, Pappeln, Ahorn und Erlen bewaldeten Ufern fast einen Kulturschock. In zwei Tagen haben wir keine andern Bootsfahrer auf der Tauber getroffen, uns jedoch in der Gesellschaft von Eisvögeln, Graureihern, Bachstelzen und natürlich Fischen sehr wohl gefühlt.
Am Ziel: Wertheim mit Flusskreuzfahrtschiff und Burg
Wir legen unter der Odenwaldbrücke, direkt an der Mündung der Tauber in den Main, an und ziehen ein letztes Mal unser Kajak aus dem Wasser. Eine gute Stunde, nachdem wir unseren Bootsverleiher angerufen haben, rollt unser Abholservice in Form eines Kombis mit großem Dachgepäckträger auf den Parkplatz unter der Mainbrücke. Wir sind hungrig und unsere Arme sind müde vom Paddeln, aber wir blicken zurück auf zwei schöne und erlebnisreiche Tage.
Alle Bilder: Iris Männig
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