Männig

23,4 Grad

Und das heute. Draußen. An einem 7. Dezember. Mitten in Oberbayern. 23,4 Grad Celsius! Zumindest will meine digitale Wetterstation mir das weismachen.

Bis vor einiger Zeit war alles bestens: Der Außenfühler maß die Temperatur und übertrug sie zuverlässig per Funk auf die edel designte Innenstation an der Wohnzimmerwand. Vorausgesetzt, man fand einen Ort, an dem die äußere Messeinheit auch einen realistischen Temperaturwert ermitteln konnte, der aber dennoch im möglichen Bereich der Funkübertragung lag. Und vorausgesetzt, der Besitzer sorgte stets brav für frische Batterien in beiden Geräten. Alle vier bis sechs Wochen drei AA-Zellen innen und nach jeweils etwa zwei Monaten zwei AAA-Batterien außen. Aufladbare Akkus? Fehlanzeige! Denn aufgrund der niedrigeren Spannung mussten diese schon jeweils nach wenigen Tagen ausgetauscht werden.

Die Prozedur des Batteriewechsels erforderte zunächst einmal das richtige Werkzeug. Um den Außenfühler wasserdicht zu halten, war nämlich der Batteriefachdeckel mit winzigen Schrauben verschlossen. Aber was solls, einen Kreuzschlitz-Schraubendreher in Größe PH 00 hat ja ohnehin jeder in seiner Küchenschublade. Mühsamer war es da schon, nach jedem Batteriewechsel Positionen für die beiden Geräte in und vor dem Haus zu finden, die es erlaubten, dass die beiden über Funk miteinander in Verbindung traten. Gleichzeitig musste natürlich auch gewährleistet sein, dass die Innenstation freie Sicht nach Mainflingen hatte, um die ebenfalls eingebaute Funkuhr wieder korrekt synchronisieren zu können. Erst danach konnten beide Bestandteile der teuren Wetterstation ihren angestammten Standort immer wieder beziehen.

Aber der moderne Technikfreak ist ja leidensfähig und lässt sich von derlei Unbilden seiner treuen Begleiter nicht unterkriegen. So weit so gut also, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem vor einigen Wochen ein neuer Nachbar einzog. Dieser Nachbar nämlich huldigt anscheinend ebenfalls der Wettergadgets, und was soll ich sagen: Die Basisstation meiner hochwertigen Digital-Wetterstation hat ganz offenbar mit dem Innenfühler des just zugezogenen nachbarlichen Klimadatensammlers zärtliche Bande geknüpft. Wie das? Ich weiß es auch nicht. Jedenfalls mag mein Wettermess-System seither nicht mehr die Außentemperatur anzeigen, sondern nur noch die Wärme der Luft in der Nachbarwohnung.

Gutes Zureden hilft nichts, und erneutes Zwangs-Pairing mit dem eigenen Außenfühler auch nur temporär. Schon nach wenigen Minuten springt meine Wetterstation vom ihr zugedachten Kanal 1 des jahrelangen, treuen Begleiters vor dem Fenster wieder auf Kanal 3, wo der scheinbar begehrenswertere Nachbarfühler von behaglichen 20 bis 24 Grad kündet. Denn beide, der gehörnte eigene Außenfühler, wie auch der Nebenbuhler im Nachbarhaus, funken im bewährten 70-Zentimeter-Band auf 433 Megahertz. Ein erstes Gespräch mit meinem Anwalt hat leider ergeben, dass eine Unterlassungsklage gegen den Nachbarn vermutlich nicht von Erfolg gekrönt wäre. Und nein, auch der Hinweis auf die Minderjährigkeit meiner Wetterstation sei vor Gericht kein wirksames Mittel, um gegen den aufdringlichen Innentemperatur-Sensor von nebenan vorzugehen.

Die einzig realistische Lösung scheint somit ein weiterer, massiver technischer Rückschritt im Hause Männig zu sein. Die untreue Hightech-Wetterstation wird nebst des verschmähten Außentemperaturfühlers der wertstoffgerechten Entsorgung zugeführt. Dafür erhalten die guten, alten, mechanischen Messgeräte des schwäbischen Traditionsherstellers Lufft wieder einen Ehrenplatz an der Wohnzimmerwand. Lange genug haben sie unbeachtet in einer Schublade ihr Dasein gefristet. Funktionieren tun sie jedoch noch immer exakt und zuverlässig, wie am ersten Tag. Und für die Anzeige der Außentemperatur wird ein bewährtes Fensterthermometer angeschafft, das an den Rahmen des nördlichen Küchenfensters geschraubt wird. Zu haben ab drei Euro. Genau so, wie es schon in den Häusern meiner Eltern und Großeltern zuverlässig funktioniert hat.

Back to the future!