Was tut man in Deutschland, wenn man an einem Sonntag ganz dringend etwas einkaufen muss? Zumeist gar nichts, denn die Ladenschlussgesetze, seit 2006 in der Obhut der Bundesländer, verbieten es den Einzelhändlern bis auf wenige Ausnahmen, auch an Sonn- und Feiertagen für ihre Kundschaft da zu sein. Das war nicht immer so: Erste gesetzliche Beschränkungen der Ladenöffnungszeiten wurden deutschlandweit erst im Jahr 1900 erlassen. Zuvor war es den Händlern seit jeher selbst überlassen, wann sie ihre Waren anbieten wollten. Und über Jahrhunderte hinweg war man damit gut gefahren. Aber ab Anfang des vergangenen Jahrhunderts war damit Schluss. Nun steuerten nicht mehr Angebot und Nachfrage, was für Händler und Kunden gut war, sondern Interessensgruppen, politische Strömungen und insbesondere auch der immer energischer durchgesetzte Wunsch der Kirchen, das Volk möge sich am Sonntag auf die Ausübung seines Glaubens und nicht auf den schnöden Mammon oder banale Tätigkeiten wie den Kauf von Lebensmitteln oder Haushaltsgegenständen konzentrieren.
Seit 113 Jahren ist es also für tabu erklärt, das Einkaufen am Sonntag. Und wenn heute ein Bundesland meint, es könne die Ladenöffnungszeiten im Interesse seiner Bürger auch nur ein klein wenig liberalisieren, dann sind die Kirchen flink zur Stelle: So zum Beispiel im Jahr 2006, als das Land Berlin den Verkauf an bis zu zehn Sonntagen für je sieben Stunden erlaubte. Die evangelische und die katholische Kirche erhoben Verfassungsbeschwerde – und tatsächlich befand schon drei Jahre später das Bundesverfassungsgericht selbst die nur marginal erweiterte Selbstbestimmung des Handels für teilweise verfassungswidrig. Von den Mühen der Kirchen, den Status quo aufrecht zu erhalten, zeugt beispielsweise das Projekt Sonntagsallianz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Und sucht man auf den Seiten des katholischen Erzbistums München und Freising nach dem Begriff Ladenschluss, so findet man ebenfalls zahlreiche Belege des engagierten Kampfes gegen den verkaufsoffenen Sonntag mit allen Mitteln moderner PR.
Was also tun, wenn man am heiligen Sonntag nun doch ein dringendes Bedürfnis verspürt, Lebensmittel, Dekorationsartikel oder Haushaltsgegenstände zu erwerben? Zumindest in Bayern ist die Lösung ganz einfach: Man begibt sich in den Klosterladen eines katholischen Klosters, wie zum Beispiel in Schäftlarn oder auf dem Heiligen Berg Andechs. Gemäß des in Bayern noch heute gültigen § 10 des Bundesgesetzes über den Ladenschluss ist nämlich Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten mit besonders starkem Fremdenverkehr der Verkauf einer breiten Palette an Produkten auch an Sonn- und Feiertagen durchaus erlaubt. Und von dieser Möglichkeit macht die katholische Kirche, die große Kämpferin gegen eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten aller anderen Händler, in ihren eigenen Einrichtungen nur allzu gern Gebrauch.