Ein paar Urlaubstage stehen noch zur Verfügung, und so habe ich beschlossen, eine kleine Sommerreise mit dem Fahrrad ins ungefähr 330 Kilometer entfernte nördliche Taubertal zu unternehmen. Da ich in Pensionen oder kleinen Hotels übernachten will, kann ich mit kleinem Gepäck reisen. Neben Google Maps (auf dem iPhone) verlasse ich mich streckenweise auf die Empfehlungen und das das hervorragende Kartenmaterial von radweit.de.
Am Samstag fahre ich nach dem Frühstück so gegen neun los. Erst über die B 471 durch Schleißheim und Dachau. In beiden Orten scheint die NPD ihr Klientel zu vermuten und entsprechend sind die Orte mit deren Wahlplakaten zugekleistert. Als besonders passend empfinde ich es, dass man immer auch ein NPD-Plakat direkt neben die Hinweisschilder zur KZ-Gedenkstätte gehängt oder gestellt hat.
Weiter über Markt Indersdorf und Schrobenhausen nach Neuburg an der Donau. Die Landschaft ist in diesem Bereich nicht sonderlich dramatisch, und die Dörfer, die man durchfährt, sind es auch nicht.
Alte Bausubstanz gibt es nur noch wenig, und zu den sachlichen Bauten der Sechziger Jahre hat sich in jüngerer Zeit viel Bausparkassen-Barock gesellt. Interessent finde ich, dass die Baukörper der Garagen meist nur unmaßgeblich kleiner sind als die der zugehörigen Wohnhäuser. Ein Krüppelwalmdach ist jedenfalls für beides Pflicht, und wo man sich's leisten kann, lebt man die Kür in wahren Orgien von Erkern und Gauben aus.
Nördlich von Neuburg wird es dann auch landschaftlich reizvoller, und die zahlreichen, etwas mühsamen Anstiege werden mit freudigen und schnellen Abfahrten auf bewaldeten Landstraßen belohnt.
Über das gewundene Tal der Schutter erreicht man bald die Altmühl. Der organisierte Tourismus im Altmühltal scheint insbesondere zwei Gruppen anzusprechen: Die 20- bis 30-Jährigen paddeln unter lautem Getöse in gemieteten Kajaks flussabwärts, während vorzugsweise beige gekleidete und sportiv behelmte Frührentner in Gruppen auf dem flussbegleitenden Schotterweg radeln. Unter nicht unmaßgeblichem Alkoholeinfluss scheint die Mehrheit der Individuen beider Gruppen zu stehen, weshalb sich die sportlichen Leistungen insgesamt in Grenzen halten dürften.
Ab Treuchtlingen wird das Tal weiter und damit weniger pittoresk, und in der Nähe von Gunzenhausen hatte ich dann nach 192 Kilometern am ersten Tag auch keine Lust mehr. Die Gunzenhausener Hotellerie war allerdings ausgebucht, und so habe ich mir dann eben über hrs noch kurzfristig ein Zimmer am Altmühlsee gebucht. Ausgerechnet auf einem Reiterhof. Und das mir. War aber wirklich nett, sowohl das Zimmer als auch das Personal, und über die weiteren Gäste, naturgemäß in erster Linie pubertierende Mädchen nebst genervter Eltern, kann man ja für nur eine Nacht gut hinwegsehen.
Nach ausgiebigem Frühstück geht's am nächsten Morgen weiter durch den leicht hügeligen und sehr sympatischen Landstrich bis nach Leutershausen. Auch die Dörfer haben hier wieder Gesichter. Es dominieren ältere aber sehr gut instand gehaltene, kleine Bauernhäuser, und was neu dazugebaut wurde, passt sich in Stil und Maßstab ans Alte an. Leutershausen ist ebenfalls ein nicht unsympathisches Städtchen.
Bin dort geht es sanft, kaum merklich ansteigend durchs Tal des Hagenbachs über Hagenau mit seiner beeindruckenden Wehrkirche bis zum Speierhof. Von dort ab genießt man eine rasche Schussfahrt durch den Wald und über Felder, bei der man über nur drei Kilometer 120 Höhenmeter verliert. Man freut sich, dass man nicht in die andere Richtung strampeln musste und findet sich schon vor den Toren von Rothenburg ob der Tauber wieder.
Von dort aus durchs wirklich wunderhübsche obere Tal der Tauber, mal direkt am Fluss entlang, mal etwas höher am südlichen Talhang. Da sich entlang der Tauber wieder ein stark promoteter Radwanderweg befindet, trifft man hier natürlich auch wieder stärker auf die bereits von der Altmühl bekannten Torkelradler.
In Tauberrettersheim kehre ich in einer Gartenwirtschaft ein. Die adipöse Kellnerin ist über und über tätowiert und mit ihrer Arbeit sichtlich überfordert. Als ich meinen Schweizer Wurstsalat nach deutlich über einer Stunde erhalte, ist der so versalzen, dass er schlicht ungenießbar ist. Na prima.
Zwischen Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim ist das Taubertal eher durch das örtliche Gewerbe geprägt. Ein kleines Highlight ist dort die überschaubare Altstadt von Lauda, wo mir als Ausgleich fürs missglückte Mittagessen ein köstliches Eis in Rekordzeit von einer bildhübschen Italienerin kredenzt wird.
Hinter Tauberbischofsheim ist es wieder eine Freude, durch die weiten Auen zu radeln. Aber schon zwei Dörfer weiter biege ich rechts ab ins Werbachtal. Nach kurzer Strecke erreicht man die Liebfrauenkapelle, eine kleine Wallfahrtsstätte, die sich kaum wahrnehmbar hinter den Bäumen des kurzen Kreuzwegs versteckt. Unter ihrer Apsis liegt die Quelle mit dem besten Wasser weit und breit.
Kurz darauf muss ich noch einmal in ein noch kleineres Seitental einbiegen und habe mein Ziel erreicht. Das Dorf hier hat gut 100 Einwohner und man ist hier vor Überraschungen aller Art ziemlich sicher. Vor Mobiltelefonnetzen übrigens auch, weshalb ich auch einen nahen Hügel erklommen habe, um dir diesen kleinen Bericht zu schreiben. Es ist bedeckt, kleine Schauer dann und wann, aber der Blick übers Tal ist traumhaft und über mir macht sich ein Grünspecht in einer Kiefer zu schaffen.