Männig

Wie man den Schilderwald lichtet

Monatelang geisterten die Meldungen jetzt durch die unterschiedlichen Medien: Der vielzitierte Schilderwald auf Deutschlands Straßen wird gelichtet. Verkehrszeichen wurden für unnötig befunden, und folglich werden sie auf Initiative unserer Politiker im Verkehrsministerium aus der Straßenverkehrsordnung gestrichen und demontiert. Trotz einiger Sentimentalitäten wurde dies von fast allen Seiten gutgeheißen. Liest man jedoch die heute in Kraft getretene Gesetzesnovelle aufmerksam durch, so bietet sich einem ein erstaunliches Bild.

Natürlich bestätigt sich bei der Lektüre des komplexen Gesetzestexts, dass folgende Verkehrszeichen tatsächlich nicht mehr in der Neufassung des Verkehrszeichenkatalogs vorhanden sind:

Zeichen 113: Schnee- und Eisglätte

Zeichen 113: Schnee- und Eisglätte

Zeichen 115: Steinschlag

Zeichen 115: Steinschlag

Zeichen 116: Splitt, Schotter

Zeichen 116: Splitt, Schotter

Zeichen 128: Bewegliche Brücke

Zeichen 128: Bewegliche Brücke

Zeichen 129: Ufer

Zeichen 129: Ufer

Zeichen 134: Fußgängerüberweg

Zeichen 134: Fußgängerüberweg

Zeichen 140: Viehtrieb

Zeichen 140: Viehtrieb

Zeichen 144: Flugbetrieb

Zeichen 144: Flugbetrieb

Zeichen 150: Bahnübergang mit Schranken oder Halbschranken

Zeichen 150: Bahnübergang mit Schranken oder Halbschranken

Der Kenner, vulgo Führerscheinbesitzer, erkennt sofort: Bei all diesen Schildern handelt es sich um so genannte Gefahrzeichen, erkennbar an der dreieckigen Form mit roten Rand. Aber will man denn zukünftig die Verkehrsteilnehmer gar nicht mehr warnen vor diesen ernstzunehmenden, ja bedrohlichen Gefahren des Straßenverkehrs? Will man sie gar hilflos dem allgegenwärtigen § 1 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung überlassen?

Kaum vorstellbar, und so kann der Verkehrsteilnehmer auch gleich wieder tief durchatmen, wenn er weiter in der oben genannten Bundesratssache schmökert. Ohne Ersatz wird hier nämlich gar nichts abgeschafft, wie man unter Randziffer 20 der Drucksache 153/09 erfährt. Gleichzeitig mit der Abschaffung der Gefahrzeichen werden nämlich die folgenden neuen Zusatzzeichen eingeführt:

Neue Zusatzzeichen ab September 2009

Neue Zusatzzeichen ab September 2009

Was aber sind denn eigentlich Zusatzzeichen? Es handelt sich dabei, so der neue § 39 Absatz 3 der Straßenverkehrsordnung, genau wie bei Gefahrzeichen, Vorschriftszeichen und Richtzeichen, um gültige Verkehrszeichen. Sie tragen Sinnbilder oder Aufschriften und werden stets unmittelbar unter einem anderen Verkehrszeichen angebracht um dieses zu erläutern oder zu ergänzen. Und welches Verkehrszeichen könnte das im Fall der neuen Zusatzzeichen wohl sein, das durch die neuen Zusatzzeichen erläutert wird? Klar, die Mutter aller Gefahrzeichen, das gute, alte Zeichen 101.

Zeichen 101:<br>Gefahrstelle

Zeichen 101: Gefahrstelle

Was bedeutet dies nun für den Schilderwald? Ein nicht mehr gültiges, spezielles Gefahrzeichen wird gegen das allgemeine Gefahrzeichen 101 ausgetauscht. Um nun allerdings deutlich zu machen, um welche Art von Gefahr es sich überhaupt handelt, wird es durch ein Zusatzzeichen ergänzt, das das gleiche Piktogramm wie das ungültig gewordene, spezielle Gefahrzeichen zeigt. Selbst mit Grundschul-Rechenkünsten dürfte nachvollziehbar sein, dass sich unser Schilderwald an den Straßen dadurch kaum reduzieren, sondern deutlich vermehren wird. Ein Verkehrszeichen geht, dafür kommt ein anderes nebst Zusatzzeichen.

Halt, werden nun einige Leser rufen, die mitgezählt haben, wo ist denn bei den neuen Zusatzzeichen die Kuh vom Gefahrzeichen Viehtrieb, und der oft als Heizkörper missgedeutete beschrankte Bahnübergang, der entfällt doch auch ganz und gar! Doch leider nein, das Sinnbild Viehtrieb auf Zusatzzeichen gibt es schon längst, und die Schilder an beschrankten Bahnübergängen werden schlicht durch die ersetzt, die bisher nur an unbeschrankten zu finden waren.

Sinnbild Tiere

Sinnbild Viehtrieb

Zeichen151:<br>Bahnübergang

Zeichen151: Bahnübergang

Für diese wunderbare Umgestaltung des öffentlichen Verkehrsraums danken wir ganz herzlich unseren Politikern, insbesondere Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Außerdem den Bundestagsabgeordneten, die diesen Unsinn beschlossen, sowie den Bundesratsmitgliedern, die ihm zugestimmt haben. Möge ihr Aktionismus bei der kommenden Bundestagswahl Früchte tragen! Ein besonderes Lob gebührt in diesem Zusammenhang aber auch all jenen Qualitätsjournalisten, die uns bar jeder Recherche und Kritik immer wieder vermittelt haben, dass der Schilderwald an Deutschlands Straßen nun gelichtet wird. Mögen ihre Publikationen den Weg alles Irdischen gehen!