Seit Einführung der Online-Petition haben Eingaben von Bürgern an den Bundestag einen geradezu gewaltigen Auftrieb erfahren. Dies zeigt das Interesse der Bürger an aktiver politischer Mitwirkung. Gleichzeitig kann jedoch auch eine Petition mit weit über 130.000 Mitzeichnern im Parlament nicht einmal ein Zucken auslösen. Dies zeigt die Macht der Parteien und deren Unwillen, sich mit den Bürgern außerhalb des Wahlkampfs auch nur zu beschäftigen. Nachdem bisherige Petitionen nur selten etwas bewegt haben, habe ich die folgende erst gar nicht auf dem Server des Petitionsausschusses des Bundestags eingestellt. Zumindest noch nicht. Vielmehr möchte ich meinen Vorschlag zunächst einmal hier, quasi in den eigenen vier Wänden, zur Diskussion stellen. Ich freue mich auf interessante Kommentare und Ergänzungen und wünsche viel Spaß beim Lesen!
Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die Artikel 62 bis 69 des Grundgesetzes bezüglich der Struktur und Aufgaben der Bundesregierung durch Einfügung eines neuen Artikel 65 b wie folgt zu ergänzen:
Der Bundeshofnarr wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Deutschen Volk direkt gewählt. Er hält den Rang eines Bundesministers und ist zu keiner Zeit verpflichtet, sich der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gemäß Artikel 65 Grundgesetz zu unterwerfen.
Gleichzeitig soll Artikel 69 Absatz 1 des Grundgesetzes wie folgt abgeändert werden:
Der Bundeshofnarr vertritt den Bundeskanzler bei dessen Abwesenheit oder Verhinderung in allen Regierungsangelegenheiten.
Entsprechende Regelungen sind in das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (BMinG), die Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg) und in die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) aufzunehmen.
Begründung
Die Tradition der Hofnarren in Europa, insbesondere im ehemaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, reicht bis ins frühe Mittelalter zurück. Sowohl im ritterlichen Gesinde, als auch an Herrscherhöfen waren die Narren fester Bestandteil des Hofstaates. Für die dort tätigen Hofnarren galt stets die Narrenfreiheit, die es ihnen ermöglichte, ungestraft Kritik an bestehenden Verhältnissen zu üben. Auch die Parodierung von Adeligen und Herrschenden war den Hofnarren erlaubt. Dienten sie zunächst in erster Linie der Belustigung der Herrscher, so entwickelten sie sich in der Folgezeit häufig zu deren maßgeblichen und erfahrenen Ratgebern. Nachdem die – im eigentlichen Sinne des Wortes – höflichen Verhaltensregeln untersagten, Kritik an der Obrigkeit zu üben, genossen die Hofnarren mit der Narrenfreiheit das Sonderrecht, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen, ohne bestraft zu werden. Als unabhängige Person ohne festgeschriebene Rolle in der ständischen Ordnung war es ebenfalls Aufgabe der Hofnarren, den Staatsobersten die Meinungen des Volkes und anderes Bedenkenswertes zu übermitteln, ohne dabei von Ratgebern und Hofleuten instrumentalisiert zu werden.
In unserem postdemokratischen Staatssystem des beginnenden dritten Jahrtausends haben sich die Regierungsinstitutionen zunehmend vom Volk entkoppelt. Im gleichen Maße, wie Ministerien ihre Kompetenzen an Experten, Kommissionen und Wirtschaftsverbände ausgelagert haben, ist das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierung gesunken. Gleichzeitig werden politische Entscheidungen zunehmend innerhalb von Parteien entsprechend Marketingstrategien und Regeln des Proporzes getroffen. Dem Risiko des Ausscherens einzelner Politiker aus der vorgegebenen Meinung wird per Fraktionszwang erfolgreich ein Riegel vorgeschoben. Nach den verschiedenen demokratischen Intermezzi der letzten 160 Jahre ist das politische System der Bundesrepublik Deutschland damit heute wieder weitgehend gleichgeschaltet und ohne ernsthafte Opposition.
Zeit also für die neuerliche Etablierung des ehrwürdigen Standes der Hofnarren, der sich bereits in über eintausend Jahren Deutscher Geschichte bestens bewährt hat. Unser Staat braucht wieder einen Vertreter innovativer und durchaus auch unbequemer Meinungen in seinem Spitzengremium. Gleichzeitig kann durch den Bundeshofnarren eine wertvolle Identifikationsfigur für alle Teile der Bevölkerung geschaffen werden. Es kann nicht sein, dass, wie in letzter Zeit mehrfach geschehen, immer wieder wechselnde Bundesminister das wichtige Amt des Hofnarren unautorisiert und ohne förmliche Ernennung durch den Bundespräsidenten oder auch nur ausreichende Qualifikation an sich reißen. Die Bestimmung des Hofnarren als dauerhaften Stellvertreter des Bundeskanzlers im neu gefassten Artikel 69 Absatz 1 des Grundgesetzes kann gleichzeitig gewährleisten, dass dieser nicht nur eine bestenfalls geduldete Außenseiterrolle in der Bundesregierung spielt. Seine Direktwahl durch das Deutsche Volk ist darüber hinaus geeignet, das demokratische Gedankengut in der Regierung, in den Parteien sowie beim ganzen Volk nachhaltig zu bestärken.
Freilich kann die Neuschaffung des Amtes des Bundeshofnarren nur ein erster Schritt sein. Bundesländer, Regierungsbezirke, Kreise und Kommunen sollten dem Vorbild des Staates folgen, und ebenso sollte der Bundestag baldmöglichst die Regelungen des Handelsgesetzbuches dahingehend ändern, dass Hofnarren Pflichtmitglieder der Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften werden.
Hofnarren jetzt – Für ein besseres Deutschland!
Der Bundestag möge beschließen …
Michael Jäger
Ich zeichne mit!
Karl Keule
ich warte auf die erste Umschulungsmaßnahme der Agentur für Arbeit und zeichne mit…
Nur was machen wir mit den diversen Ministerpräsidenten, die sich ja schon von selbst vortrefflich zum Hofnarren amchen?
Hausmeisterlichen Gruß
Karl Keule
Michael Reuter
Da ich selbst immer schon Hofnarr als Berufswunsch hatte, aber bisher an den Hürden der Qualifikation gescheitert bin, zeichne ich begeistert mit!
Peter Wenz
Es gibt doch noch sinnvolle Lösungsansätze für die Probleme unserer Zeit.
[x] Ich zeichne mit.
Tom
Endlich wieder Politik die Spaß macht :)
Harald Link
Grundsätzlich zeichne ich natürlich mit – wobei ich zu bedenken geben möchte, dass insbesondere der Passus “Stellvertretung des Bundeskanzlers” in der momentanen Regierungskoalition bereits durch einen (Hof)Narren ausgefüllt wird. Zumindest durch einen Kasper …
Jens Arne Männig
Was die Stellvertretung des Bundeskanzlers betrifft, hatte ich ja bereits zweifel an der Narrenqualifikation der derzeitigen Protagonisten angemeldet:
Nein, wir brauchen Profis, keine Amateure!
Richard Gleim
Das hat keine Chance. Aber schön wär’s. Ich zeichne mit.
Addliss
Eine nette Idee, natürlich als Petition nur satirisch möglich! ;)
Ich würde jedoch nicht zustimmen, dass es keine ernstzunehmende Opposition gäbe. Sie muss nur ordentlich geführt werden und im aktuellen politischen Stil funktioniert das nicht recht.
Wo ich allerdings mitzeichnen würde, wäre ein Berater, der nicht den Namen “Hoffnarr” trägt, sondern wirklich unabhängig agiert und die höchsten Stellen überprüfen kann. Im Optimalfalle würde er sie ab und zu mal zur Vernunft bringen.
Baynado
Du hast von mir die Erlaubnis mich anzuschreiben, wenn Du diese Petition wirklich einreichst. sign
Arnulf Sinz
Ich fordere den Bundesasinus .
fairgnuegen
Da zeichne ich auch sofort mit. Ich hätte sogar Vorschläge für eine professionelle Besetzung des Amtes.
aebby
gezeichnet!
Andi B.
Ich habe schon lange keinen derart köstlichen satirischen Beitrag mehr gelesen. Es ist natürlich richtig, dass immer wieder Minister eher wie ein Hofnarr wirken – dumm nur, dass sie es gar nicht merken. Die Frage ist nur, wer den Bundeshofnarren dann bezahlt, damit er auch wirklich nicht unter dem Verdacht stehen kann, jemandem nach dem Mund zu reden. Und ich hätte gerne einen Bundesnarren im traditionellen Narrenkostüm.
Ronny Roger
Und, was sagt der Petitionsausschuss dazu?
[x]
doppelfish
Jetzt hab’ ich zum Schluß gelesen “Der Bundestag möge bescheißen …”. Und mich gefragt, “Wozu denn noch?”.
vera
Ist mir zu nah an der Wirklichkeit. ,)
kopflast
Da simmer dabei ;-)
Klaus Stein
Ich halte den Vorschlag für _ernsthaft_ überlegenswert, was Artikel 65b betrifft. Ich würde ihn nicht als Minister, also als Teil der Bundesregierung, sondern eher parallel zum Bundespräsidenten oder in ähnlicher Unabhängigkeit wie den Datenschutzbeauftragten plazieren. Selbstverständlich sollte er trotzdem an allen Kabinettssitzungen und Ausschüssen teilnehmen können bzw. Mitarbeiter dorthin entsenden.
Es fehlt eine Beschreibung des Aufgabenbereichs des Hofnarren als weitere unabhängige Gewalt (Narrative) neben Legislative, Judikative und Exekutive.
Die Änderung von Artikel 69 lehne ich ab, dies würde die Gewaltenteilung stören.
Klaus Stein
Ich möchte die Sache nochmal bildlich unterstützen:
http://lapizistik.blogspot.com/2011/09/bundeshofnarr.html
Orfeu de SantaTeresa
Guten Tag alle zusammen!
Leider habe ich nichts von der Petition mitgekriegt, daher in narrischer Unwissenheit das Amt bereits begonnen zur Freude der Kanzlerin…
Es ist wirklich sehr lustig (natürlich muss man immer mit einem unverhofften pötzlichen Ableben rechnen). Geld gibt es nicht, für Humor ist kein Etat vorgesehen, leider. Naja, vielleicht gibt ja nach der Petition einen Kantinenzuschuss im Reichstagsrestaurant…
Mit besten Grüßen
Orfeu :)