Was kann ein Kind schon im Alter von unter vier Jahren kochen, und was bringt selbst jeder Küchendilettant fehlerfrei zustande, wenn ihn plötzlich der Hunger ereilt? Na klar: Einen Grießbrei. Man erhitzt einen halben Liter Milch bis zum Sieden, rührt etwa 60 Gramm Weizengrieß mit dem Schneebesen ein und nimmt das Ganze vom Herd. Kurz eindicken lassen und dann noch einmal durchschlagen, fertig. Wer mag, kann natürlich seinen Grießbrei, ganz nach Geschmack, noch mit etwas Butter, Zucker, Vanillezucker, Salz oder Eigelb verfeinern.
Simpel, nicht war? Da erstaunt es dann schon, dass der britisch-niederländische Konzern Unilever N. V. angetreten ist, das Grießbreikochen mit einem Convenience-Produkt viel einfacher zu machen, wie man auf der Produktwebseite in blumigen Worten erläutert. Mondamin Lieblings-Grießbrei Klassische Art heißt die vorgefertigte Wundermischung. Und auf der Rückseite der bunt bedruckten Tüte wird auch gleich erklärt, wie einfach nun ein Grießbrei dank Unilever zuzubereiten ist:
- 500 ml Milch stark sprudelnd aufkochen bis Milchschaum im Topf nach oben steigt.
- Topf von der Kochstelle nehmen. Sofort Mondamin Grießbrei – unter ständigem Rühren mit einem Schneebesen – zufügen und mindestens eine Minute weiterrühren. Grießbrei 5 Minuten stehen lassen.
- Den Grießbrei nochmal durchrühren und nach Belieben mit Zimt und Zucker bestreut oder mit frischen Früchten servieren.
Aha. Außer der Unilever-Marketingabteilung hält wohl niemand diese Prozedur für einfacher als die Zubereitung eines klassischen Grießbreis. Welche Vorteile könnte das Produkt also sonst noch haben? Die Inhaltsstoffe vielleicht? Die Packungsrückseite listet auf: 48 % Hartweizengrieß, Zucker, Stärke, Verdickungsmittel Xanthan, Emulgator Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, Aroma, Milchzucker. Da kann sich freilich ein traditioneller Grießbrei nur verstecken, enthält er doch – vor seiner Vereinigung mit der Milch – nur 100 % Weizengrieß und sonst gar nichts.
Bleiben schließlich noch die wirtschaftlichen Erwägungen: Das Mondamin-Fertigprodukt ist für etwa einen Euro im Handel erhältlich. 500 Gramm Weichweizengrieß, den erfahrene Hausfrauen für die Zubereitung von Grießbrei vorziehen, sind als Handelsmarken-Produkt für 35 Cent zu haben. Die 60 Gramm, die wir zur Zubereitung mit einem halben Liter Milch brauchen, kosten also, wie man per Dreisatz leicht ermitteln kann, ganze 4,2 Cent. In beiden Fällen kommen natürlich noch die Kosten für einen halben Liter Milch dazu.
Der Vorteil des Convenience-Produkts liegt also auf der Hand: Über einen Preis, der beim 24-Fachen eines einfachen Weizengrießes liegt, freuen sich vor allem die Unilever-Aktionäre und der Lebensmitteleinzelhandel. So einfach ist es, etwas für unsere darbende Wirtschaft zu tun! Wobei man natürlich ehrlich sein muss: Die Unilever-Marketingabteilung tut schließlich auch etwas für ihr Geld. Denn wie anders sollte man sich die vielen begeisterten Bewertungen eines derart nutzlosen und völlig überteuerten Unsinns wie Mondamin Lieblings-Grießbrei Klassische Art in den Bewertungsportalen im Internet erklären?
Kann mir irgendjemand auf die Sprünge helfen, welche Art von Kunden sich so übers Ohr hauen lässt – und vor allem warum?
Frazer2
Wenn Kunden so ein Produkt kaufen bzw. sich aufschwatzen lassen, dann geschieht es Ihnen nur Recht. Wer lesen kann, weiß, dass sich nahezu sämtliche Gerichte günstiger und frischer zubereiten lassen, meist noch schmackhafter. Wer das nicht kann oder will, soll sich den Geschmack halt durch künstliche Aromen und Geschmacksverstärker verderben lassen. Die Wahl hat jedenfalls jeder. Früher wurde die Kunst des Kochens bzw. das Handwerk dahinter noch von Generation zu Generation weitergegeben. In Zeiten der 5 Minuten-Terrine nimmt man sich nicht mal mehr dafür Zeit.
Kochende Grüße,
Frank
Harald Link
Ich fürchte, die meisten wissen einfach nicht mehr, wie sowas geht. Innerhalb einer Generation haben wir die Koch-Basics verlernt. Hauptsache, die Showküchen zu Hause sind bestens ausgestattet, der Kaffeevollautomat ist noch etwas teurer als beim Rest des Freundeskreises und die Messer kommen mindestens aus Japan. Das ist es, was heute zählt. Dazu gemütliches mittagspäusliches Schwadronieren unter Kollegen über die neuesten (nicht zu ertragenden) Kochsendungen im TV. Und die Regale voller (ungenutzter) Hipster-Kochbücher.
Kochen hat heute bei Vielen nichts mehr mit Handwerk oder gar Ernährung zu tun, Kochen ist Lifestyle. Die Industrie nutzt einfach nur die Dummheit der Leute aus, die darauf hereinfallen möchten – wie in vielen anderen Branchen auch.
Jens Arne Männig
Die Sache mit den Kochmessern ist ohnehin eine spannende: Überall auf der Welt halten kochenden Menschen, die sich das leisten können, deutsche Kochmesser aus Solingen für das höchste der Gefühle. Japanische Kochprofis reisen ins Bergische Land, um sich ihre Kochmesser selbst im Werk abzuholen, so wie wohlhabende Amerikaner ihre Porsches in Zuffenhausen übernehmen. Nur in Deutschland, da meint man, dass japanische Kochmesser unverzichtbar sind.
Irene
Ich freu mich auch, weil ich hier auf dem Silbertablett serviert kriege, wie viel Milch ich für wie viel Grieß berechnen muss. Nach Gefühl funktioniert das nämlich nicht immer, wie ich neulich feststellen durfte.
Jens Arne Männig
Wo man sich auch nicht zu schade ist, das Einfachste zu erklären, ist im Rezeptewiki.
Lakritze
Naja, Pizza-Teig, Vanillepuddingpulver und Eierpfannkuchen in der Flasche verkaufen sich auch. Und die sind nur geringfügig schwieriger selbst zu machen …
Harald Link hat sicher nicht ganz unrecht — Leute, die keine Ahnung haben, treffen auf modische Notwendigkeit. Und schon öffnet sich eine Marktlücke.
Stadtneurotiker
Was besonders schlimm ist: Er schmeckt schrecklich!
Basadai
Es lebe das Dr. Oetker Schulkochbuch und Kinder, die gerne Mama beim Kochen helfen. Die wissen es besser als Unilever uns weismachen will.
Barney vom Seewolf (@seewolfDE)
Schrecklich. Ich meine nicht den Blogartikel :)
Was mir aber bis zum Zorn hin auf die Ketten geht, ist die “na ja – was soll man da schon machen”-Attitüde, mit der diesem großflächigen Untergang der simpelsten Methoden zur Wahrung preiswerter und gesunder Ernährung begegnet wird.
Man sollte tatsächlich manchen Müttern – ggf. auch Vätern – die Ohren lang ziehen und sie fragen, ob sie ihre eigenen Kinder genau so verblöden wollen wie es ihre Eltern offenbar mit ihnen selbst gemacht haben!
rbq
Ich gebe beschämt zu, dass ich auch immer einen Pfannkuchenteig in der Flasche in der Schublade lagere. Das Produkt kommt mir an Tagen völliger Faulheit entgegen, da ich immer Milch, aber selten Eier im Haus habe. Außerdem muss ich anschließend eine Schüssel, zwei Rührquirle und einen Messebecher weniger spülen.
Jens Arne Männig
Wenn ich keine Eier im Haus habe, koche ich einfach etwas ohne Eier. Den Messbecher kannst du dir sparen, wenn du eine Küchenwaage dein Eigen nennst. Und wozu brauchst du zwei Rührquirle? Und wie hoch setzt du den Zeitaufwand fürs Spülen dieser enormen Menge an Küchenutensilien an? Kleine Denkaufgabe für den Abend: Wo kommt die Plastikflasche deine Pfannkuchenmischung her, mit welchem Ressourceneinsatz wurde sie hergestellt und transportiert, und welchen Weg geht sie, nachdem du sie einmal geschüttelt hast?
Benedikt Hotze
Jetzt weiß ich, was du die letzten Wochen gemacht hast: Du hast Grießbreikochen geübt ;-)
Im Ernst: Es gibt ein Instantprodukt, das ich gerne nutze: Das ist die italienische Fertigpulvermischung für Panna Cotta. Gibts in Italien in jedem Supermarkt und hierzulande im Italienladen als Kilo-Familienpackung. 140g von dem Pulver, dazu je einen halben Liter Milch und Sahne, erhitzen, reinrühren, in Portionsschalen gießen, erkalten lassen, fertig. Das Gehampel mit Blattgelatine nach “Mammas” oder “Nonnas” Art ist mir jedenfalls noch nie gelungen.
Jens Arne Männig
Ja, ich weiß noch, wie ich mich wunderte, als du vor einigen Jahren beim gemeinsamen Einkauf beim Italo-Lebensmitteldealer dieses Begehren äußertest. Inzwischen schlage ich auch notorisch zu, wenn Aldi Süd das Zeug mal wieder als Aktionsware hat.
Tom Schreyegg
Schön geschrieben. Es gibt 1000 Fertigprodukte, die billiger, oft sogar einfacher, durch inwzischen “veraltete” Maßnahmen ersetzt werden können.
Aber wer soll das den Kindern beibringen, deren Eltern auch nicht mehr wissen, wie man kocht (da zähle ich mich auch dazu!).
Idee: das Fach “Hauswirtschaft” hat leider den “Depperl-Geruch”. Dabei wäre es so wichtig. An allen Schulen, verpflichtend, in allen Jahrgangsstufen ab dem Kindergarten! Die meisten Eltern können ihren Kindern die Fertigkeiten nicht mehr vermitteln; 2 Wochenstunden “Hauswirtschaft” pro Woche würden mehr bringen, als alle millionenschweren Aufklärungskampagnen der Krankenkassen, Ministerien und Verbände.