Bundesverkehrsminister Ramsauer hat eine Verordnung erarbeiten lassen, die es den Bundesländern ermöglicht, alte Kennzeichen wieder zuzuteilen, so jubelt die Webseite des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, und die Medien stimmen mehrheitlich fröhlich ein. Nun soll es also endlich wieder möglich sein, stolz die Unterscheidungszeichen längst verblichener Verwaltungseinheiten wie NRÜ, ÖHR oder WÜM an Front und Heck seines Kraftfahrzeugs spazieren zu tragen. Freilich soll gleichzeitig auch der Lokalpatriotismus in den neuen Bundesländern bedient werden, wo nach der Wende neu geschaffene Landkreise oft nur wenige Jahre existierten.
Eine weitere, tolle Innovation à la Ramsauer, die freilich nicht auf dem Mist des Bundesverkehrsministeriums selbst gewachsen ist. Urheber dieser bahnbrechenden Neuerung ist vielmehr der Heilbronner Professor Ralf Bochert, der mit seinem Ansinnen, alte Autokennzeichen wieder einzuführen, schon seit einiger Zeit durch die Medienlandschaft geistert. Warum, das wird einem spätestens dann klar, wenn man sich mit der angestammten Tätigkeit Bocherts etwas intensiver auseinandersetzt. Der Professor lehrt nämlich an der Heilbronner Hochschule keineswegs Verwaltungsangelegenheiten, sondern, man höre und staune: Tourismusmanagement. Und für den regionalen Tourismus, so glaubt Bochert herausgefunden zu haben, wären eben feingliedrigere regionale Autokennzeichen wünschenswert.
Wo kämen wir denn da hin, wenn es beispielsweise in einem Landkreis wie dem baden-württembergischen Main-Tauber-Kreis mit seinen gut 130.000 Einwohnern nur ein einziges Unterscheidungszeichen gäbe! Nein, es müssen mindestens drei sein, wie früher, nämlich MGH, TBB und BCH, letzteres für die erst im Zuge der Kreisreform hinzugekommenen Gemeinden. Interessant mag es in diesem Zusammenhang erscheinen, dass Unterscheidungszeichen in dieser Form erst im Jahr 1956 eingeführt wurden. Ebenso wurde ein erheblicher Teil der heute wieder herbeigesehnten Kürzel bereits zum Jahresbeginn 1974 wieder abgeschafft. Die Autokennzeichen-Sentimentalitäten beziehen sich also auf einen Zeitraum von gerade einmal 17 Jahren, dessen Ende allerdings inzwischen schon fast 40 Jahre in der Vergangenheit liegt.
Das Schöne für Bundesminister Ramsauer: Das Reformvorhaben wird ihm wenig Arbeit machen, spielt er doch den Ball sogleich dem Bundesrat zu. Denn verantwortlich für die Ausführung werden nicht nur die Kreisverwaltungsbehörden sein, sondern auch die Bundesländer, die jedoch die neuen alten Kürzel für die Autokennzeichen zunächst einmal wieder förmlich beim Bund beantragen müssen. Es stimmt denn auch etwas verwunderlich, wenn in der Ersten Verordnung zur Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, so der offizielle Name von Ramsauers neuester PR-Aktion, gleich mehrfach das Wort Bürokratieabbau fällt. Auch nach dem konzentriertem Studium der 52 Seiten Fachterminologie drängt sich der Eindruck auf, dass hier eher ein erhebliches Mehr an Bürokratie in der Kfz-Zulassung kunstvoll konstruiert wird.
Wie wenig Bürokratie in diesem Bereich tatsächlich funktionieren kann, das habe ich vor vielen Jahren in Neuseeland erfahren: Dort wurde auf jedem Neufahrzeug ein Kennzeichen befestigt, das irgendwann auch mit diesem Fahrzeug wieder verschrottet wurde. Bei einem Halterwechsel begaben sich Verkäufer und Käufer gemeinsam zur nächsten Poststelle, wo der Mitarbeiter am Schalter den Vorgang per Poststempel im Fahrzeugdokument beurkundete. Von dort wurde die Information über den Halter- oder Standortwechsel an das zentrale Verkehrsregister weitergegeben. Als Betroffener freute ich mich über den kleinen Dollarbetrag, der für diesen Amtsvorgang zu entrichten war. Vom teuren Erwerb neuer Kennzeichen war natürlich gar keine Rede.
Denn merke: Wer das Bedürfnis verspürt, seine regionale Identität per eigenem Auto zu Markte zu tragen, der kann das problemlos mit Aufklebern, Wappen oder eigens zu diesem Behufe bestickten Kissen auf der Hutablage bewerkstelligen. Ein kostenintensiver Verwaltungsakt ist hierzu alles andere als zwingend nötig. Und mehr noch: Das anachronistische, deutsche System der regionalen Kraftfahrzeug-Zulassung sollte dringend einem zentralen, stark vereinfachten System weichen. Ein einziges, amtliches Kennzeichen ist für den gesamten Lebenszyklus eines Kraftfahrzeugs völlig ausreichend, gleich, durch wie viele Hände es geht. Wer mehr will, Stichwort Vanity Plates, der soll seine Sonderwünsche gegen kostendeckende Verwaltungsgebühren gern erfüllt bekommen. In seiner derzeitigen Form dient das altmodische System der deutschen Kfz-Kennzeichnung primär der Aufblähung der Kreisbehörden – und den Interessen der Lobby der Schilderhersteller.
Benedikt Hotze
Die Rückkehr zu alten Kennzeichen halte ich auch für überflüssig. Aber dass man die regionale Herkunft eines Autos am Kennzeichen überhaupt ablesen kann, fand ich schon als Kind reizvoll.
Italiener und Franzosen, die das regionale Kennzeichen abgeschafft haben, sind inzwischen mehrheitlich dazu übergegangen, Provinzkürzel bzw. Départementsnummer zusätzlich auf der blauen Seitenfläche neben dem eigentlichen Kennzeichen anzubringen.
Kleine Korrektur noch: Die Landkreise wurden in den neuen Bundesländern nicht nach der Wende geschaffen, sondern sie existierten bereits in der DDR (und davor). Lediglich die Unterscheidungskennzeichen wurden damals “erfunden” – und tatsächlich wenige Jahre danach aufgrund der Gebietsreform wieder abgeschafft.
Jens Arne Männig
Die Erfahrungen meines eigenen, langjährigen Autofahrerlebens mit bis zu 80.000 jährlich gefahrenen Kilometern legen mir die Vermutung nahe, dass dasjenige Kfz-Kennzeichen das beste ist, welches die am schwersten zu merkende Buchstaben-Ziffern-Kombination beinhaltet. Danke für die Richtigstellung, was die DDR-Landkreise betrifft. Als Süddeutscher hatte ich nur die Bezirke der DDR als Verwaltungseinheiten auf dem Schirm.