Adventskalender, so will es die lange Tradition seit der deutschen Wirtschaftswunderzeit, beinhalten kleine Geschenke, auf die man sich jeden Morgen im Dezember freuen darf. Doch nicht immer ist der, der das Türchen des Adventskalenders öffnet, der Beschenkte. Immer öfter machen Kaufleute sich selbst Geschenke. Bei den Adventskalendern, die sich im Internet in den letzten Jahren geradezu epidemisch ausgebreitet haben, ist es nämlich meist so, dass derjenige, der ein virtuelles Flash-Türchen klickt, etwas kaufen darf. Der Konsument nimmt's gelassen hin, schließlich ist er wohl konditioniert, und kauft. Ganz besonders gern, wenn er damit auch etwas Gutes tut.
Eine Zielgruppe, die sich in den vergangenen Monaten ganz besonders der Heilserwartung durch Konsum verschrieben hat, ist die Fangemeinde des jungen Augsburger Modelabels manomama. Ähnlich wie die Hare-Krishna-Jünger der frühen 70er Jahre ist das Grüpplein zwar äußerst überschaubar, jedoch neigt man dazu, es aufgrund seines ständigen Trommelns und laut-verzückten Chantens für nahezu omnipräsent zu halten. Und auch bei den Jüngern des Modehauses fällt, wie bei den Sektenmitgliedern, auf, dass oft gerade diejenigen am lautesten trommeln und singen, die selbst die selbst die typische Kluft der Gesinnungsgemeinde noch gar nicht tragen. Ein wundersamer Initiationsritus?
Gleichwie, natürlich ist auch manomama seit dem 1. Dezember mit einem Adventskalender am Start. Und selbstverständlich ist es auch hier das Geschenk an die Kunden und Getreuen des Hauses, dass sie jeden Tag ein bestimmtes Produkt kaufen dürfen. Damit der Interessent auch gleich weiß, wie gut es ihm geht, wurden die beiden ersten Angebote gleich deutlich im Preis reduziert. Erstaunlich ist dies allerdings nicht, befanden sie sich doch diese Produkte bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht im Sortiment, schon gar nicht zum aufgeführten Listenpreis. Sie wurden vielmehr für die Adventskalender-Aktion eigens aus der Taufe gehoben.
Heute, am 2. Dezember, freut sich der geneigte manomama-Kunde ganz besonders, darf er doch Fioria kaufen, einen Vasen-Schuber. Dabei handelt es sich, so erläutern Werbetext und Fotos, um eine Art Überzieher, den man über eine recyclebare PET-Flasche ziehen kann, um sie damit zur edlen Blumenvase zu adeln. Sie brauchen so ein Produkt nicht und haben es bisher noch nie in ihrem Haushalt vermisst? Das macht nichts, dann verschenken Sie es doch einfach! Dann haben Sie nämlich etwas Gutes getan und sind das Ding auch noch los.
Warum etwas Gutes getan? Weil man, wie die pawlowsche Klientel des Labels weiß, dass man immer etwas Gutes tut, wenn man ein Produkt mit dem m erwirbt. Und in diesem Fall sowieso: Offenbar hat nämlich manomama noch Lederreste am Lager. Also hat die Kreativabteilung (in Personalunion mit der Geschäftsführung, Marketing- und Vertriebsleitung) beschlossen, dass man diese geradeschneidet, mit vier Nähten versieht und für nur noch 34 statt der 45 Euro, die das so entstandene Produkt freilich nie gekostet hat, verkauft. Das ist immer noch besser, als die Restware am Jahresende für die Inventur mühsam zu vermessen und dann doch wegzuwerfen.
Und das beste daran: Endlich werden die Plastikflaschen, die der weltführende Limonadenkonzern vor 20 Jahren mit seiner ganzen Macht in den Markt gedrückt hat, ökologisch geadelt. Denn jeder wird einsehen, dass das deutsche, pflanzlich gegerbte Naturleder des kastenförmigen Schlauchs das bedenkliche Karma einer solchen Flasche augenblicklich neutralisiert. Endlich kann der echte LOHAS auch wieder Cola statt Bionade trinken, ist doch der Ablass für alle Gewissensnöte mit Fioria zu uns hernieder gekommen.
Die einzige Frage, die sich dem begeisterten Käufer schon bald nach dem Kauf stellt: Wie bekomme ich meine Blumen zunächst durch die große Öffnung des ökosozialen Biolederüberziehers und dann auch noch passgenau in den dünnen Hals der vulgären Plastikflasche? Doch keine Angst, Rettung naht! Denn bereits morgen lauert hinter dem Türchen des manomama-Adventskalenders Imbuto, der regional, biologisch und sozial hergestellte Blumentrichter für jetzt nur noch 78 statt 96 Euro. Und abermals werden Sie glücklich sein über ein nachhaltiges Produkt, dass Sie noch nie zuvor in ihrem Leben gebraucht haben.
In diesem Sinne: Eine besinnliche Adventszeit!
Stefan Graunke
Grööööhhhl!
Andrea Knabe-S.
Danke!
D.
manomama ist für mich die skurrilste Aktion, die mir in meinem Internetleben bisher begegnet ist.
shan_dark
Da hast Du jetzt gut Werbung gemacht für die Firma mit dem “m”. Natürlich nur um Gutes zu tun, ich weiß ;o)
Dieser Vasen-Schuber ist echt die Härte! Die Produktbeschreibung allein ist schon unglaublich dreist: Wer stellt denn seine Rosen in ein Gurkenglas?? Oder die Beschreibungen für diese Dinger: “wunderschön” und “aus einem Stück gefertigt” (als ob es darauf ankäme! besser wäre! noch wunderschöner aussehen würde!). Wenn das Teil jetzt als Schnäppchen 34 Euro kostet sollte es von solcher Qualität sein, dass es uns vermutlich bis in die nächste Eiszeit überlebt. Also nix mit umweltfreundlichem Recycling…Und was ist eigentlich Upcycling?? Vllt. ist das ja auch alles ironisch gemeint.
In bezug auf SEO bin ich schon mal über die SEite gestolpert. Z.B. Kategorienamen: Gören und Racker. Ich hab mich gefragt, wer nach “Hose Racker” sucht. Aber vermutlich brauchen die kein Google um neue Besucher zu gewinnen, sondern setzen auf umweltfreundliche Mundpropaganda von ich-weiß-nicht-was-für-Leuten…
Thomas
Heute ist der Gebäckträger mit Platz für 10 Schrippen (in Berlin heissen die so) zu einem Preis von 11,50 dran.
Mein 20 Jahre altes Jutesäckchen für vermutlich nicht mal 50 Cent bietet Platz für gefühlte 50 Rundstücke.
Christina
Zur Zeit ist es ja ein riesiger Trend, Produkte als “nachhaltig” “100% ökologisch” und “grün” zu verkaufen. Man sollte als Kunde schon genau hinschauen, was wirklich dahinter steckt. Danke für den lesenswerten und humorvollen Beitrag.