Männig

Störfaktor Demokratie

Zunehmend werden demokratische Strukturen von Politik und Wirtschaftsunternehmen als störend empfunden. Sich einmischende Bürger, die der Verwirklichung der Interessen von Unternehmen und Verwaltungen im Weg stehen, sind immer weniger gewünscht. Und so reist ein baden-württembergischer Ministerpräsident schon einmal nach Saudi-Arabien, um sich dort zu informieren, wie Großprojekte in einer absolutistischen Staatsform leichter durchzusetzen sind, und lässt es dort an bewundernden Worten nicht mangeln.

Einen draufgesetzt hat jetzt aber noch die Weltbank. Deren Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung hat just ihre aktuelle Studie Doing Business 2011 – Making A Difference for Entrepreneurs (PDF-Datei, 3,6 MB) veröffentlicht, in der sie 183 Staaten der Erde auf ihr wirtschaftsfreundliches Umfeld untersucht. Und siehe da, auf den ersten Plätzen liegen Singapur und die chinesische Sonderwirtschaftszone Hongkong.

Formell eine parlamentarische Republik nach britischem Muster, handelt es sich bei Singapur de facto um einen Einparteienstaat, in dem die Opposition systematisch unterdrückt wird. Politische Diskussionen von mehr als drei Personen erfordern die vorherige Erteilung einer staatliche Lizenz. Singapur vollstreckt weltweit die meisten Todesurteile im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße und sanktioniert auch schon Ordnungswidrigkeiten mit Prügelstrafen per Rohrstock.

Hongkong ist zwar eine Sonderwirtschaftszone, gehört jedoch bekanntermaßen seit 1997 wieder zur Volksrepublik China, die ebenfalls nicht eben zu den Musterknaben zählt, was die Förderung oder auch nur die Einhaltung der Menschenrechte betrifft. Wahlen finden in Hongkong statt, jedoch werden diese so gesteuert, dass oppositionelle Parteien nie mehr als die Hälfte der Mandate erreichen können. Eine demokratische Koalition erreichte 2008 zwei Drittel der Wählerstimmen, verfügt damit jedoch nur über 40 % der Abgeordneten. Ohnehin ist nur ein Bruchteil der Einwohner Hongkongs überhaupt wahlberechtigt.

Dies sind also die politischen Systeme, die die Weltbank für mustergültig hält. Diese Staaten und ihre Strukturen hebt sie als besonders wirtschaftsfreundlich hervor und empfiehlt Unternehmen, sich dort anzusiedeln uns diese so zu unterstützen. Nachdem es sich bei der Weltbank um eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen handelt, kann diese Einstellung durchaus auch als Trend innerhalb der UN gesehen werden. Ein Trend, der fragwürdig, erschreckend und auf der Grundlage westlich-freiheitlicher Ethik schier unglaublich ist.

Geradezu idyllisch nimmt sich da doch Platz 3 in der Doing-Business-Studie aus, den das südliche Inselreich Neuseeland errungen hat. Doch welche Auswirkungen die Wirtschaftsfreundlichkeit dort schon seit langem hat, das fällt jedem aufmerksamen Neuseeland-Touristen sofort ins Auge: Für die dominierende Landwirtschaft wurden riesige Waldflächen abgeholzt, die nun den 33 Millionen Schafen und über neun Millionen Rindern als Weideland dienen. Diese Flächen sind nun der Erosion ausgesetzt, die in breiten Landstrichen schon massive Spuren hinterlassen hat.

Insgesamt scheint die Studie der Weltbank zu bestätigen: Wirtschaftlicher Erfolg ist nur mit Rücksichtslosigkeit Menschen und Umwelt gegenüber möglich. Der Begriff Corporate Social Responsibility, jüngst zumindest zum Marketingschlagwort geworden, spielt für die UN-Organisation offenbar noch keine Rolle.