Männig

Die Romantik der Baumärkte

Jeder Mensch braucht ein Stück Garten, wie klein es auch immer sein mag, so dass er in Kontakt mit der Erde und deshalb mit etwas Tieferem in sich selbst bleibt. (C. G. Jung)

Der Städter hats nicht leicht, hat er doch nur Asphalt und Beton um sich. Bestenfalls vielleicht noch einen Grünstreifen an der Straße oder eine adrett gemähte Rasenfläche im Park. Beides kann er aber, zumindest wenn er München seine Heimatstadt nennt, kaum jemals betreten. Denn weit wichtiger als der Mensch ist dem Münchner ja sein Zamperl, und so finden sich an den genannten Punkten weit leichter die Exkremente des Canis lupus familiaris als wirkliche Erde.

Folglich drängts ihn ins Grüne, den Münchner, und wenn es für ihn schon nicht erschwinglich ist, ein Eigenheim am Rande der Stadt zu bauen, dann  ist vielleicht wenigstens ein Garten vor den Toren der Stadt drin. Schrebergarten fürs gesunde Obst und Nutzgemüse aus eigenem Anbau? Fehlanzeige! Heute darfs schon eine Holiday-Premium-Gartenanlage sein, ein Freizeit(t)raum zwischen See und Wassersportanlage. So zumindest berschreibt der Anbieter seine 175 Parzellen zu je 250 Quadratmetern, die im Münchner Osten gerade zu 25.800 Euro zuzüglich 18 Euro Monatspacht angepriesen werden. Dass sich das idyllische Ambiente aber auch zwischen Umspannwerk und gerade entstehendem giftgrünen Riesenmöbelhaus, zwischen Autobahnring, Postverteilzentrum und Umgehungsstraße befindet, dazu schweigt man zunächst einmal lieber.

Und ganz dem Geschmack der Zeit entsprechend, findet sich auf den bereits bezogenen Parzellen auch alles, was sich in den Baumärkte der Umgebung an architektonischer Ästhetik, romantischen Accessoires und exotischen Vegetationselementen findet. Schon sind in vielen Gärtlein Kirschlorbeer und Lebensbaum gepflanzt und mindestens die Hälfte des spärlichen Schotterbodens mit Plattenwegen, Rabattensteinen und Terrassen befestigt. So mancher scheint nun endlich die Chance zu sehen, auch mal etwas für die Ewigkeit zu leisten, und holt rasch das Tausendjährige Reich auf seiner Pachtparzelle in Beton nach.

Ganz nach persönlichem Geschmack werden die vorgefertigten Holzhütten mit mutigen Farben oder Antiklasur verschönert. Anbauten sorgen für genügend Stauraum, denn was wäre denn Freizeit ohne die dazu passende, umfangreiche Freizeitausstattung. Für Nutzpflanzen brauchbare Areale oder gar Obstbäume sucht man in fast allen Gärten vergeblich, statt dessen englischer Rasen und ausgedehnte Rindenmulchflächen mit vereinzelten, spärlichen Zierpflanzen. Man will ja schließlich keine Gartenarbeit, sondern Erholung. Obst und Gemüse gibts schließlich auch bei Penny, gleich hinter der benachbarten Kiesgrube oder bei Aldi, auf der anderen Seite der Umgehungsstraße. Alles fußläufig erreichbar!

Für den, ders zu ertragen bereit ist, folgen einige Impressionen des Idylls. Aber Vorsicht: Die Fotografierkünste des Autors sind auch nicht besser als der Geschmack der frischgebackenen Datschenbesitzer.

Zufahrt

Das schmiedeeiserne Tor aus Industriefertigung begrüßt schon am Eingang. Man geht aber lieber links daran vorbei.

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Solide Infrastrukur, bestehend aus Fertigbeton-Stromvertreiler und Dixiklo.

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Blauer Landhausstil und überschaubare Gartenarchitektur.

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Das im Garten noch fehlende Grün findet sich glücklicherweise auf der Fassade.

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Hier wurden Rabattensteine und Gartentür solide befestigt.

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Neophyten, Kiesweg mit Findlingen und ein Traum in rot.

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Wenn der Schuppen zum Haus wird, wird ein außenliegender Wandschrank zum Schuppen.

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Haupterschließungspiste im sibirischen Stil.

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Die Angst, etwas könne dort wachsen, wo es nicht wachsen darf, wird mit rot gefärbtem Beton und reichlich Rindenmulch bekämpft.

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Ausgewählte Gestaltungselemente lockern das Bild des jungen Gemeinwesens auf.

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Vier Grabstätten entlang des Zugangswegs, feierlich in Buchsbaum gerahmt.

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Ein Kleinod im alpenländischen Stil.

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Auch vor der Verschönerung durch die zukünfigen Besitzer strahlt die geordnete Ästhetik der Parzellen Ruhe und Sicherheit aus.

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Bunt eingefärbter Rindenmulch schafft eine wildromantische Atmosphäre, so dass auf Bepflanzung weitestgehend verzichtet werden kann.

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Ausgewählte Accessoires verheißen Behaglichkeit und ein individuelles Ambiente.

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Nahezu unverbauter Blick auf Möbeldiscounter und den LKW-Verkehr des Paketverteilzentrums

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Minimalistisches Gartensetting für Puristen: Tisch, Bank und die unvermeidlichen Rindenmulchsäcke.

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Recycling-Gummi im Gusseisenstil erbietet dem Besucher einen freundlichen Empfang.

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Mit Hilfe von Teak- und Nussbaumlasuren hat dieser Laubenbesitzer ein exquisites, ja erlesenes Ambiente gezaubert.

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Handwerk hat goldenen Boden: An diesem soliden Bau auf Kies und Aluminium werden auch folgende Generationen noch viel Freude haben. Schade nur, dass die Pachtdauer schon in 29 Jahren ausläuft.

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Auch hier zeigt sich wieder, dass mit den richtigen Dekorationselementen schnell eine heimelige Atmosphäre zu schaffen ist.

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Ein Platz für nationalistische Nudisten: Auch dieser Sichtschutzzaun aus Stroh wurde von Besitzer sicherheitshalber gleich in den Boden einbetoniert.

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Dieser Gartenbesitzer macht alles richtig: Kies, fremdländische Gewächse, Dekostücke aus terracottafarbenem Beton und obendrein eine beleuchtete Hausnummer. Hier können sich andere Gartenenthusiasten eine Scheibe abschneiden!

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Und schließlich, nur wenige Fußminuten entfernt: Der neue Möbeldiscounter, ebenfalls in sympathischem Grün.