Männig

Das Ende der Huckepackstrategie

Nun ist es also offenbar so weit: Seit dem 10. November mag Apple keine Programme für iPhone und iPad im AppStore mehr zulassen, die nichts anderes beherrschen, als einen einzigen Radiosender abzuspielen. Und schon geht wieder ein Aufheulen durch die Medienseiten und Radioblogs des Webs. Die Szene spricht von Zensur und Verbannung. Ist dies aber wirklich begründet?

Kein Mensch braucht eine App, die nur eine einzige Radiostation abspielen kann. Hätten Hörer Interesse an derartigen Produkten, dann hätte der Markt schon vor Jahrzehnten Radiogeräte hervorgebracht, die ebenso nur einen einzigen Sender wiedergeben können.Wer solche Programme für mobile Endgeräte braucht, sind einzig und allein die Marketingabteilungen der Radiosender. Denn ein paar Hörer mehr, die über den Internet-Stream auf das Radioprogramm zugreifen, erlauben höhere Werbepreise in den nächsten Mediadaten, was wiederum für den Sender eine bessere Ertragslage zur Folge hat.

Dass sich die Radiosender dabei des Vehikels des App Stores bedient haben, das rächt sich jetzt. Klar: Den durchschlagenden Erfolg des Apple-eigenen Vertriebssystems haben viele Medienunternehmen gern in der Hoffnung auf  ebenfalls steigende eigene Erträge genutzt. Aber das Interesse des Hauses mit dem Apfel-Logo liegt nun einmal primär im eigenen, höchst profitablen Geschäftsmodell: Von jeder verkauften App bleiben 30 % des Verkaufspreises bei Apple.

Dass das Unternehmen Programme für das iPhone und iPad, die kostenlos distribuiert werden, zunehmend als unprofitable Belastung empfindet, liegt somit auf der Hand: Schließlich sind 30 % von null immer noch null. Apple hat seine Einstellung deshalb erst jüngst klar formuliert: Single station app are the same as a FART app and represent spam in the iTunes store, zitieren mehrere Quellen aus einer E-Mail des Apple-Managements.

Wer nun hauptsächlich waidwund aufheult, sind Vertreter von Unternehmen, die diese Apps entwickeln und den Radiosendern verkaufen, wie die Stuttgarter Liquid Air Lab GmbH oder die amerikanische DJB Radio Apps. Sie sehen durch Apples plötzliche Weigerung, für sie kostenlos eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, ihr eigenes, rentables Unternehmenskonzept gefährdet sehen. Die Radiosender selbst halten sich bislang noch erstaunlich dezent zurück.

Es scheint problematisch, dass im Internetgeschäft einzelne, große Unternehmen immer wieder mit dem Gesamtmarkt gleichgesetzt werden. Google, Facebook und Apple sind nicht das Internet, sondern Konzerne, die ihre eigenen Geschäftsstrategien verfolgen und auf ihre eigene Rendite ausgerichtet sind. Wenn andere Unternehmen darüber klagen, dass die wirklich Großen der Branche sich nicht für ihre Interessen einsetzen mögen, dann machen sie sich lediglich lächerlich, weil sie offenbar die grundlegenden Regeln des Markts nicht verstanden haben.

Wer seine Produkte exklusiv an einen einzigen Händler (hier: Apple) zur Exklusivvermarktung abgibt, der nimmt damit in Kauf, dass dieser Exklusivpartner den Kanal eines Tages verschließt. Nimmt man seinen Vertrieb selbst in die Hand, dann muss man dagegen auch selbst für den Aufbau eventuell kostenintensiver Infrastrukturen in die Tasche greifen. Dass hier wohl einige Dienstleister und Radiobetreiber meinten, sie könnten sich von einem der Marktführer dauerhaft Huckepack nehmen lassen, hat sich nun offenbar gerächt.

Würden die Radiostationen Streams anbieten, die von ihrer Webseite aus auch per iPhone oder iPad per Klick ohne Flash oder sonstige Verhinderungsmechanismen abspielbar sind, dann wären viele technisch weniger versierte Hörer glücklich und würden diese Angebot lieber annehmen, als sich hierfür den Speicher ihres Mobilgeräts eigens mit einer App zu verstopfen. Aber diese Lösung ist den Verantwortlichen bei den meisten Sendern offenbar schlicht zu unspektakulär.