Männig

Elektromobilität. Eine vertane Chance.

Eigentlich hatte man ja gehofft. Dass Peak Oil irgendwann kommen würde, wussten wir seit 1972. Dass wir nicht weitermachen könnten, wie bisher, war zumindest einem elitären Kreis der westlichen Intelligenzija auch völlig klar. Auf der anderen Seite sollten wir es ja aber besser haben. Besser, als unsere Eltern, die Kriegsgeneration und besser als unsere Großeltern, die zwei Weltkriege und vielleicht noch eine Inflation miterlebt hatten. Also wurden wir zu Verbrauchern und schärften unsere Ansprüche, was die Produkte um uns betraf.

Eine ganz besondere Stellung nahm dabei das Auto ein. Die simplen und praktischen Kisten, die einst das Volk mobilisierten, waren bald nicht mehr gut genug. Jeder erinnert sich zwar noch gern an seinen ersten Käfer, R4, Kadett oder die legendäre Ente, aber herumfahren wollte man spätestens nach Abschluss des Studiums nicht mehr mit sowas. Die Autos wurden also schicker, stärker, schneller und immer besser ausgestattet. Dafür mussten freilich Opfer in Kauf genommen werden. Der Einstieg in die Kraftfahrzeuge wurde schwieriger, die Windschutzscheiben flacher und immer weiter entfernt, die Fenster aus gestalterischen Gründen immer kleiner, genau wie die Kofferräume. Und die gestiegene Leistung der Motoren wurde zu einem großen Teil durch ein massiv erhöhtes Gewicht aufgezehrt.

In den Jahren 1987 und 1988 erstellt Frederic Vester, ein Biochemiker, Kybernetiker und faszinierendes Multitalent, eine Studie für den Autohersteller Ford Deutschland. Damals war Daniel Goeudevert, eine ebenfalls sehr vielseitige Persönlichkeit, Vorsitzender der Ford AG. Vester geht mit den existierenden Personenwagen und Verkehrssystemen hart ins Gericht. Die Folge: Als Goeudevert die Ford AG kurz darauf verlässt, kommt die Studie unter Verschluss. Erst 1990 erscheint auf der Basis dieser Studie Vesters Buch Ausfahrt Zukunft – Strategien für den Verkehr von morgen. Eine Systemuntersuchung.

Der Autor fordert darin, was seither viele gefordert haben: Eine Beschränkung aufs Wesentliche, zweckmäßige Fahrzeuge, Pragmatismus statt der Dominanz des Marketings und vor allem die Loslösung von mineralischen Kraftstoffen und deren Ersetzung durch ökologisch erzeugte Elektrizität. Eine Veränderung fand, wie 20 Jahr zuvor, nicht statt, da das Werk abermals nur von sehr eingegrenzten intellektuellen Kreisen zur Kenntnis genommen wurde. Und im Interesse der staatstragenden Autoindustrie war es schon gleich gar nicht.

Heute sind wir also bei Peak Oil angelangt. Oder sind wir gar schon weiter? Gleichwie, wir befinden uns an einem Punkt der Entwicklung, an dem selbst die Autoindustrie festgestellt hat, dass es so nicht weiter geht. Nun wird, mit vielen Jahren Verzögerung, also doch auf die Elektromobilität gesetzt. Ganz ernst wirken die Bemühungen der großen Autohersteller noch nicht, aber immerhin werden erste, glänzende Prototypen auf den jährlichen Autoshows vorgestellt.

Doch wie sehen sie nun aus, die Götterboten der neuen, ökologischen Mobilität? Wer wirklich Hoffnung in eine neue Entwicklung gesetzt hatte, wird enttäuscht, ja entsetzt sein. Da präsentiert das kalifornische Vorzeigeunternehmen Tesla im Jahr 2009 eine Elektrolimousine, die ein wuchtiger Kühlergrill ziert. Ein Kühlergrill? Bei einem Elektrofahrzeug? Auch sonst ist das Fünf-Meter-Fahrzeug mit allem ausgestattet, an was sich das Auge der wohlhabenden Kundschaft über die Jahrzehnte gewöhnt hat. Nur an der Technik, die unter der Haube des Boliden steckt, hapert es noch bei Weitem. Als Energiespeicher werden nach wie vor zusammengelötete Laptop-Batterien verbaut, da geeignete Akkus für Elektrofahrzeuge auch zum aktuellen Stand der Technik noch immer nicht zur Verfügung stehen.

Auch heute, zwei Jahre später, sieht es keineswegs besser aus. Auf der Consumer Electronics Show im amerikanischen Las Vegas stellt Ford (wir erinnern uns) in diesen Tagen seinen Focus Electric vor. Auch hier nimmt das Auge das wahr, was ihm von den Marketingabteilungen der Autohersteller mühsam antrainiert wurde: Wuchtige Blechflächen, kleine, flach geneigte Fenster, riesige Scheinwerferlandschaften, spielkonsolenartige Displays im Innenraum und abermals ein beachtlich markanter Kühlergrill für ein Auto, dessen Antriebstechnik eigentlich gar keinen größeren Kühlbedarf haben sollte.

Die Beispiele zeigen: Peak Oil und die viel gepriesene Elektromobilität haben das Denken in den Vorstands- und Marketingetagen der Automobilwirtschaft nicht verändert. Noch immer werden Fassaden verkauft, keine zweckmäßige Technik, die den Anforderungen der Nutzung entspricht. Immerhin: Die neuen Fahrzeuge sollen den Aktionsradius haben, den die meisten Bürger benötigen, wie sich ein Ford-Sprecher vor der Presse äußerte. Über Details möchte man sich allerdings bislang noch nicht äußern.

Und weil es so einfach ist, hat man sich für die schöne neue Elektrowelt noch nicht einmal potemkinsche Verpackungen ausgedacht, die sich von denen der mineralölgetriebenen Brüder und Schwestern unterscheiden. Schließlich wurden doch jahrzehntelang Marketingmillionen investiert, um den Kunden auf diese Äußerlichkeiten zu konditionieren. Und da wir man sich doch nicht plötzlich durch einen grundlegenden Wandel in der Antriebstechnik oder vielleicht doch allmählich immer beschränkter zur Verfügung stehende Ressourcen einen Strich durch die Rechnung machen lassen.

Schade, dass sich die vielgepriesene Elektromobilität schon als vertane Chance zeigt, noch bevor sie überhaupt richtig aus den Startlöchern gekommen ist.