Männig

E-Mail-Tücken

Schon über 40 Jahre ist es her, dass die erste E-Mail verschickt wurde, aber noch immer haben die Menschen mit der damit verbundenen Hightech im Büro zu kämpfen. Nein, ich rede hier ausnahmsweise mal nicht von Spam oder lästigen Werbe-E-Mails. Diesmal geht es um die E-Mail als Werkzeug der seriösen Unternehmenskommunikation. Ein Werkzeug, dessen Beherrschung heute bei fast allen Mitarbeitern vorausgesetzt wird. Doch zu oft scheinen die verwendeten Systeme die damit Betrauten doch zu überfordern. Zwei Beispiele aus meinem Posteingang der letzten Tage.

Einladung zur Grillfeier

Lieber Herr Männig,

auch dieses Jahr setzen wir unsere Tradition fort. Bei einem entspannten Sommerfest möchten wir viele gut gelaunte Menschen rund um die […]bank zu anregenden Gesprächen einladen und mit leckeren Spezialitäten vom Grill verwöhnen. Wir laden Sie recht herzlich zur […]bank Grillfeier am […], ab 18:00 Uhr im Innenhof der […]bank AG ein.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Viele Grüße

Erstaunt nehme ich die Einladung zur Kenntnis. Ja, ich habe ein Konto bei diesem Bankhaus. Aber sollte ich wirklich in den letzten Monaten eine so hohe Zinslast getragen haben, dass ich bereits zum bevorzugten Kundenkreis des Instituts gehöre? Und warum war ich eigentlich letztes Jahr nicht eingeladen? Gerade, als ich mir überlege, ob ich die Anreise von gut 700 km für die Party wohl auf mich nehmen will, schlägt schon die nächste E-Mail der Bank auf. Deren Inhalt liest sich nun jedoch schon weit distanzierter:

Sehr geehrte […]bank Kunden,

aufgrund eines technischen Fehlers haben Sie heute eine E-Mail mit einer Einladung zu einem Grillfest erhalten. Bitte ignorieren Sie dieses Schreiben und entschuldigen Sie unseren Irrtum! Wir hoffen, Ihren Appetit auch in Zukunft wieder auf unsere attraktiven Finanzprodukte lenken zu dürfen!

Vielen Dank für Ihr Verständnis!

Ein Ferienjob

Sehr geehrter Herr Männig,

wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass wir Sie als Ferienarbeiter einsetzen können. Bitte geben Sie am um 16:00 Uhr folgende Unterlagen in unserer Personalabteilung ab:

  • Lohnsteuerkarte 2010 oder Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2012 vom Finanzamt
  • Schulbescheinigung / Immatrikulationsbescheinigung
  • Sozialversicherungsausweis (Kopie)
  • Bankverbindung

Eventuelle Änderungen Ihrerseits, bitten wir, uns rechtzeitig mitzuteilen.

Mit freundlichen Grüßen

Ui toll, ein Ferienjob! Nun sind meine letzten Ferien leider schon über 30 Jahre her. Auch meine letzte Immatrikulationsbescheinigung ist schon seit 23 Jahren verfallen. Und eigentlich hatte ich ja mit diesem Unternehmen vor einiger Zeit sowieso über eine projektbezogene, beratende und freiberufliche Zusammenarbeit verhandelt. Aber die Zeiten sind schließlich schlecht, und so will ich gerade anrufen, um nachzufragen, an welchem Tag um 16 Uhr ich denn bitte meine Unterlagen persönlich vorbeibringen soll, als mein E-Mail-Postfach wiederum Neueingänge vermeldet:

Sehr geehrte Damen und Herrn,

vor einigen Minuten haben Sie eine E-Mail erhalten die ich versehentlich an Sie geschickt habe. Ich bitte Sie die E-Mail zu löschen und entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Und diese Entwarnung schlägt nicht etwa nur einmal, sondern im Minutentakt gleich in vier Exemplaren in der Mailbox auf.

Zwei Beispiele, die eindrucksvoll zeigen, dass die Handhabung von E-Mail-Systemen auch heute noch ihre Tücken hat. Die Voraussetzungen könnten dabei unterschiedlicher kaum sein: Während eines der Unternehmen seine Mails mit dem hauseigenen Outlook-System verschickt hat, bediente sich das andere der Infrastruktur eines externen Dienstleisters, der sich laut eigener Aussage dem modernen E-Mail-Marketing verschrieben hat. In beiden Fällen hat sich jedoch der gleiche Fehler eingeschlichen: Eine Serien-E-Mail, die eigentlich nur für einen kleinen Kreis von Adressaten gedacht war, wurde versehentlich an den vermutlich mehr oder weniger gesamten Adressbestand verschickt.

Die Folgen: Zunächst Freude, dann Enttäuschung bei den Kunden, Verwunderung bei den Geschäftspartnern, aber in jedem Fall der bleibende Eindruck einer Firma, die offenbar Probleme hat, ihre Geschäftsprozesse in den Griff zu bekommen. Im betroffenen Unternehmen selbst ist die Geschäftsleitung entsetzt, die Marketingabteilung sucht nach dem Schuldigen und die PR- und Öffentlichkeitsarbeits-Experten versuchen, die Scharte wieder auszuwetzen. Und im Kunden-Callcenter der Bank, die versehentlich einige tausend oder -zigtausend Kunden ein- und wieder ausgeladen hat, möchte wohl in den kommenden Wochen lieber niemand ans Telefon gehen.

Automatisierte Datenbank- und E-Mail-Systeme können bei der Betreuung von Kunden und Geschäftspartnern wertvolle Unterstützung leisten. Dies können sie aber nur dann, wenn alle Mitarbeiter, die mit den entsprechenden Software-Tools umgehen, bestmöglich geschult sind und wenn die internen Prozesse auf optimale Sicherheit und Fehlerresistenz ausgelegt wurden. Ein (mindestens) Vier-Augen-Prinzip sollte bei jeder E-Mail, die an mehr als drei Empfänger gleichzeitig oder in einer Serie verschickt wird, unbedingt angewendet werden. Denn nur allzu schnell ist auch bei einem traditionellen, ja fast schon als antiquiert betrachteten Medium wie der E-Mail der Schaden größer als der Nutzen.