Männig

Der Werbeblocker für Werbebefürworter

Mit der Einführung von Inhaltsblockern für den Webbrowser Safari unter iOS 9 ist die Diskussion über die Legitimität von Werbeblockern im Mainstream angelangt. Neu ist diese Debatte freilich nicht: Bereits 1998, bei der Markteinführung des Ur-Blockers Webwasher aus dem Hause Siemens wurden alle bis heute bekannten und immer wieder aufs Neue vorgebrachten Argumente für und wider den Gebrauch von Werbeblockern ausgetauscht. Die Betreiber kommerzieller Webseiten, die sich durch Werbeeinblendungen refinanzieren, werden nicht müde, zu erklären, dass der Leser eben für die wertvolle Leistung redaktioneller Inhalte mit seiner Aufmerksamkeit zu zahlen habe. Interessanterweise jedoch nicht mit Aufmerksamkeit gegenüber den redaktionellen Inhalten selbst, sondern mit Aufmerksamkeit gegenüber der Werbung, die ebenfalls angeboten wird.

In der Praxis ist diese hypothetische Aufmerksamkeit jedoch nur in wenigen Fällen nachweisbar. Und so bezahlen die Werbekunden der Webplattformen in der überwiegenden Zahl der Fälle auch heute noch den aus der Printbranche bekannten TKP, einen Preis für 1.000 Kontakte, also schlicht dafür, dass die Werbung bei 1.000 Aufrufen der Webseite angezeigt wurde. Ob die Werbung zur Kenntnis genommen, gelesen, gar verstanden wurde oder ob sie darüber hinaus zu einer Reaktion des Lesers geführt hat, ist normalerweise nicht part of the deal. Entsprechend sanktionieren seit einigen Tagen die Betreiber mehrerer Webseiten – meist große Verlage – auch nicht Leser, die ihrer Werbung unzureichende Aufmerksamkeit geschenkt haben, sondern diejenigen, die das Anzeigen der Werbung auf ihren Bildschirmen schlicht mit einem entsprechenden Hilfsmittel unterdrücken. Dies erachten die erwähnten Seitenbetreiber als nicht legitim, weshalb sie versuchen, für die entsprechenden Leser auch den Zugang zu allen weiteren Informationen auf ihren Webseiten zu unterbinden. Leser, die Werbung zwar auf ihren Endgeräten anzeigen ließen, sie jedoch nicht zur Kenntnis nahmen, wurden dagegen von Verlagen, Werbewirtschaft oder Webseitenbetreibern noch nie sanktioniert.

Diese Feststellung verweist die viel zitierte Aufmerksamkeitsökonomie ins Reich der Fabel – oder ins Reich der Wunschträume der Werbewirtschaft. Die tatsächliche Grundlage des von den Seitenanbietern unterstellten deals mit dem Leser scheint vielmehr eine Anzeige- oder Displayökonomie zu sein: Man lässt Werbung anzeigen und erhält dafür auch mehr oder weniger wertvolle redaktionelle Inhalte. Lesern der entsprechenden Webseiten, die der Argumentation der Anbieter folgen und die deshalb bisher keinen Werbeblocker nutzen mochten, sich jedoch dennoch von der Werbung gestört fühlten, bietet sich auf dieser Grundlage eine neuartige und gleichzeitig legitime Möglichkeit: Statt eines Werbeblockers können sie eine – noch zu entwickelnde – Werbeweiche installieren, die die Werbung auf allen genutzten Webseiten konsequent darstellt – allerdings auf einem anderen Display als die redaktionellen Inhalte.

Obwohl der reinen Verpflichtung der Anzeige von Werbung damit bereits Genüge getan wäre, lässt es sich freilich trefflich darüber diskutieren, wie und wo die Anzeige der ausgegliederten Werbung zu erfolgen hat. Steht ein der Werbung vorbehaltener Monitor beispielsweise in einer dunklen Kammer oder im Schrank, so wird sicherlich von interessierten Kreisen darauf hingewiesen werden, dass dies ethisch keinesfalls ausreichend sei. Was aber, wenn der Werbemonitor im Fenster steht, an einer vielbegangenen Straße, wo er von vielen Menschen gesehen werden kann, von weit mehr als einem einzelnen Leser vor seinem Computer? Was sich in jedem Fall anbieten wird, ist eine Börse für Aufmerksamkeits-, nein, Anzeigepflichten, die es ermöglicht, die Obliegenheit der Darstellung der Werbung gegen eine entsprechende finanzielle Kompensation an Dritte weiterzugeben. Seitens der Werbewirtschaft dürfte sich kaum Widerspruch gegen eine solche Börse regen, wird doch Gleichartiges in der Form von Emissionshandel oder Ökokonten von der Wirtschaft selbst nur allzu gern in Anspruch genommen und auch für ethisch richtig befunden.

Die Kosten, zu denen die Werbepflichten an der Börse gehandelt werden, werden Angebot und Nachfrage regeln. Dabei spielen selbstverständlich auch Art, Ort und Zeit der Werbeanzeige durch entsprechende Dienstleister eine Rolle. Wird die Onlinewerbung lediglich in einem gewaltigen, professionellen Werbekonsumcenter in China gezeigt oder von einem hochqualifizierten, mitteleuropäischen Akademiker mit hoher Kaufkraft betrachtet? Mit zunehmenden Kosten für die Dienstleistung kann sich der Nutzer gleichzeitig ein immer besseres Gewissen gegenüber den Absendern der Werbebotschaft erkaufen, wobei er gleichzeitig noch einen weiteren, neuen, aufblühenden Wirtschaftszweig unterstützt.

Fazit: Der Werbeblocker für Werbebefürworter nebst angehängter Werbebörse stellt eine zukunftsträchtige Innovation dar, aus der alle Akteure – Leser, Verlage, Werbewirtschaft und Dienstleister – nur Vorteile ziehen.


Solide Informationen und interessante Bewertungen zum Thema Werbeblocker gibts bei Felix Schwenzel: sind adblock-benutzer „pack“?