Erstaunen macht sich breit in Boulder, Colorado: Das vor kurzem noch gefeierte Modellprojekt SmartGridCity wird zum Millionengrab. Die Kosten für die Hochgeschwindigkeits-Vernetzung aller Haushalte, ursprünglich mit 15 Millionen US-Dollar veranschlagt, sind schon jetzt auf die dreifache Höhe angewachsen. Um so genannte intelligente Stromzähler zu installieren, die eine Optimierung der Netzversorgung ermöglichen sollen, wurde eine aufwändige Glasfaserverkabelung aller Stromkunden erforderlich.

Der auch von europäischen SmartGrid-Protagonisten immer wieder gebetsmühlenartig vorgetragene Vorteil für den Verbraucher: Er kann kurzfristig per Computer überprüfen, wie hoch sein Stromverbrauch gerade liegt – und was er dafür zu bezahlen hat. Für die neuen Versorgungsmodelle träumen die Stromkonzerne nämlich von einer hohen Preisdynamik, abhängig von Tageszeit, momentanem Verbrauch des Kunden und der jeweiligen Last auf dem Gesamtnetz. Ziel: Die variablere und damit undurchsichtigere und profitablere Gestaltung der Preise, so, wie dies den Mineralölkonzernen schon seit vielen Jahren erfolgreich und gewinnträchtig an den Tankstellen gelingt.

Dass sich die Stromkunden von den scheinbaren Vorteilen so einfach überzeugen lassen, kann bei genauerer Betrachtung nur erstaunen: In meinem Haushalt verfüge ich beispielsweise über gerade einmal knapp 50 Stromverbraucher, deren individueller Verbrauch mir bekannt ist oder sich mit einem preiswerten Strommessgerät ermitteln lässt. Tagsüber sind kaum einmal mehr als zehn Prozent der stromverbrauchenden Geräte in Betrieb, bei Dunkelheit durch die Raumbeleuchtung meist etwas mehr. Der momentane Stromverbrauch lässt sich folglich in einem normalen Haushalt ganz einfach im Kopf errechnen. Ohne intelligenten Stromzähler, ohne Hochgeschwindigkeits-Breitbandkabel, ohne Übertragung meiner intimsten Lebensdaten an den Stromanbieter und ohne teuren Computer. Und das sooft ich will, nicht nur mit Updates alle 15 Minuten, wie sie beispielsweise in Boulder, CO zur Verfügung gestellt werden.

Die schon jetzt in der amerikanischen SmartGridCity aufgelaufenen Mehrkosten von 30 Millionen Dollar werden in jedem Fall die Verbraucher tragen. Ob die 1.200 Dollar für jeden der 25.000 Kunden in der Form höherer Stromkosten umgelegt werden oder ob sie die öffentliche Hand als Steuern eintreiben muss, ist derzeit noch unklar. Und über laufende und Folgekosten des Systems wurde bislang noch gar nicht diskutiert. Denn nur ungern werden die Aktionäre des örtlichen, börsengeführten Energieversorgers Xcel Energy vom erfreulichen Nettogewinn des Unternehmens von zuletzt 788 Millionen Dollar etwas abgeben wollen.