Männig

New New Twitter – Cui bono?

Jetzt überschlagen sie sich also wieder, die Rezensenten der Fachmagazine und Blogs, bei ihren Besprechungen des neuen Twitter-Designs. Freilich, zumeist werden brav die Verlautbarungen von Twitter Inc. wiedergekäut, aber manch ein Blogger oder Redakteur kann immerhin ob der Buttons, die jetzt eine Feder statt eines Bleistifts oder ein Vogelhäuschen statt eines normalen Hauses abbilden, in wahre Freudenstürme ausbrechen. Einfacher soll das abermals relaunchte Twitter für seine Nutzer sein, eine Botschaft, die sich nach dem Test der neuen Webseite wie auch der völlig neu strukturierten iPhone-App nicht ohne weiteres bestätigen lässt. Yours to discover, zu Deutsch Gehe auf Entdeckungsreise, preist Twitter seine optisch aufgefrischten und umstrukturierten Dienste an. Neue Zielgruppen möchte man ansprechen, die vom bislang technoiden Auftritt mit ach-so-kryptischen Zeichen wie # und @ doch allzu arg abgeschreckt worden seien.

Um was es neben der Erhöhung der Nutzerzahlen wirklich geht, wird schnell klar: Noch immer ist Twitter auf der Suche nach einem rentablen Geschäftsmodell, dessen Kern es zwangsläufig sein muss, mehr Werbung zu den Nutzern des Dienstes zu transportieren. Bisherige, diesbezügliche Versuche waren größtenteils so angelegt, dass sie die User Experience massiv beeinträchtigten und scheiterten daher mit steter Regelmäßigkeit. Man erinnert sich beispielsweise an den unseligen, Dickbar genannten Werbebalken in der iPhone-App, der nach nicht versiegenden Protesten der Twitter-User schließlich wieder eliminiert werden musste. Struktur und Design des überarbeiteten Twitter-Angebots sollen es nun endlich erlauben, bezahlte, werbliche Angebote subtiler an die Nutzer heranzutragen. Dies kann nach derzeitigem Stand beispielsweise durch Medien wie Bilder und Videos, die fließend in der Timeline auftauchen, Folgeempfehlungen, für die der Empfohlene bezahlt hat, gesponsorte Trends und jetzt auch durch Brand Pages erfolgen. Doch hiermit sind die Grenzen noch längst nicht gesetzt. Letztlich ist das neue Layout nämlich nichts anderes als schlicht unübersichtlicher strukturiert. Genau das ist es, was ein Entdecken durch die User erlaubt, wie es Twitter formuliert. Dass es sich dabei primär um das Entdecken von Werbebotschaften handelt, werden die Twitterer schon bald feststellen können.

Ob dies allerdings im Sinne der Nutzer ist? Natürlich kann ein Internetdienst nur dann im Sinne seiner Anwender sein, wenn er auf wirtschaftlich tragfähigen Füßen steht. Nur auf diese Weise ist ein längerfristiger Bestand des Angebots zu gewährleisten. Doch Twitter sollte es nicht übertreiben. Viele der Altnutzer werden die Einfachheit, die Konzentration auf den Kern des alten Twitter-Angebots, den Fokus auf einfache Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen vermissen. Der Bedarf, den Twitter nun zunehmend abzudecken versucht, wird bereits von Diensten wie Facebook und vielleicht Google+ erfolgreich bedient. Die bewährte, übersichtliche Schlichtheit der Kommunikationsplattform kann sich der Nutzer freilich einstweilen noch mit Programmen und Mobil-Apps erhalten, die auf die Twitter-API zugreifen. Zahlreiche dieser Tools bieten eine klare und sachliche Darstellung der Inhalte und nicht zuletzt auch Filtermöglichkeiten für ungewünschten Content und nicht benötigte Features. Der Kauf von Apps wie Tweetie oder TweetDeck durch Twitter Inc. und deren ebenfalls marketinggerechte Umgestaltung lässt es jedoch zumindest als unlogisch erscheinen, dass eine unbeschränkte API für die Apps anderer Anbieter noch dauerhaft erhalten bleiben wird. Zu einfach macht diese Konstellation es den Usern, die zur Refinanzierung des Dienstes so dringend benötigte Werbung durch die Nutzung von Drittanbieter-Programmen auszublenden.

Ob die Facebookisierung von Twitter die altgedienten Nutzer überzeugt, wird die Zeit zeigen. Dass Twitter neue Nutzer von Diensten anlocken kann, die Vergleichbares, jedoch bereits jetzt mit weit größerem Funktionsumfang anbieten, erscheint allerdings bei genauerer Betrachtung eher als eine äußerst gewagte Prognose.