Was bei der Durchsicht der mehr oder weniger bunten Blätter und Onlinepublikationen am heutigen 29. April wieder einmal ganz besonders auffällt: Die deutschsprachigen Medien finden offenbar mehr und mehr gefallen daran, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Drei Beispiele aus den Top-News des Tages:

1. Die Sitzordnung

Top-Meldung Nummer 1, zumindest in Bayern: Das Oberlandesgericht München verlost heute die Presse-Sitzplätze für das Strafverfahren gegen Beate Z. u. a. wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung u.a. So lautet zumindest die offizielle Bezeichnung des Verfahrens durch das Gericht. In den Medien hat sich dagegen längst der fragwürdige Begriff NSU-Prozess festgesetzt. Und ebenso ist es längst beschlossene Sache, dass dieses Strafverfahren zum medialen Großereignis aufgebauscht wird. Ein fester, während des gesamten Prozesses garantierter Beobachterplatz ist damit ein klarer, geldwerter Vorteil für jedes Medienunternehmen, erwartet man doch bessere Leser- und Zuschauerzahlen, wenn man endlich eine veritable Gerichtsshow aus dem richtigen Leben liefern kann. Und aus höherer Reichweite resultieren nun einmal höhere Werbeumsätze. Klar, dass da ein deutsches Oberlandesgericht schon einmal ein ganzes Strafverfahren vertagen muss. Das Recht von Presse, Funk und Fernsehen auf ein zünftiges Spektakel hat schließlich Vorrang. Und umso schöner, wenn die Journalisten es verstehen, selbst aus diesen ureigensten Belangen ihrer selbst und ihrer Brötchengeber eine Top-Nachricht zu machen.

2. Der Korrespondent

Bereits seit über zwei Jahren tobt in Syrien der Bürgerkrieg. Die Fronten sind selbst Kennern des Landes unklar, und laut schon etwas betagterer Mitteilungen der Vereinten Nationen haben die Kampfhandlungen mittlerweile weit über 60.000 Todesopfer gefordert. Die konkreten Nachrichten aus dem Land im Nahen Osten waren eher spärlich – bis vor einem Monat ein frisch verrenteter Mitarbeiter des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks von einer Kugel getroffen wurde. Offenbar wollte der pensionierte Journalist mit einem Dokumentarfilm von der Bürgerkriegsfront seine spärliche Rente aufbessern. Seitdem werden Deutschlands Medienkonsumenten von Journalisten aller Mediengattungen im Stunden- bis Tagesrhythmus über die Genesung ihres Kollegen Jörg Armbruster auf dem Laufenden gehalten. Heute beispielsweise in großer Aufmachung in einem Print-Nachrichtenmagazin, worüber dann dank Pressearbeit der Presse auch wieder einige Tageszeitungen freudig berichten. So eine Personality Story, noch dazu aus der eigenen Branche, ist freilich weit interessanter als gut dreitausend Kilometer entfernte Massenschicksale.

3. Die Attacke

„Huffington Post“ attackiert deutschen Markt, so titelte heute eine deutsche Tageszeitung, und einige weitere Publikationen formulierten Ähnliches. Die augenblicklich beim Leser auftretende Frage, die Thematik welches deutschen Markts denn im bekannten, US-amerikanischen Politblock so aggressiv aufgegriffen wurde, wurde allerdings anders beantwortet, als die Headline vermuten ließ: Von nichts anderem berichtete nämlich der Tageszeitungsartikel, als dass die Macher des Internetmagazins offenbar planen, eine weitere, diesmal deutschsprachige Internetseite zu publizieren. Diese Neuigkeit pfeifen allerdings schon seit zwei Jahren alle Medienspatzen von den Dächern der Pressehäuser. Aber wenn die Angst vor der Konkurrenz umgeht, dann versteigt sich die Journaille schon einmal zur Kriegsrhetorik. Schließlich soll der Leser wissen, dass es ihm ja nicht einfallen darf, fürderhin auch nur ein vorsichtiges Äuglein auf die Machenschaften des in deutsche Lande einfallenden amerikanischen Feindes zu werfen.

Was allen drei Beispielen gemein ist: Hier werden an prominenter Stelle Themen behandelt, die die Medienmacher selbst interessieren – nicht aber ihre Leser. Und selbst, wenn die Branche inzwischen schon den Berufszweig des Medienjournalisten zur Pflege der eigenen Befindlichkeiten in der Öffentlichkeit erfunden hat: Ob man mit dieser Art der medial-journalistischen Nabelschau wirklich seine Leser und Zuschauer zu begeistern vermag, ist mehr als fraglich. Und Gleiches werden sich Verleger und Intendanten auch mehr und mehr von ihren Werbekunden fragen lassen müssen. Unbehelligt von solcherlei Erwägungen können einzig und allein die Öffentlich-Rechtlichen agieren, kassiert doch der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio de lege lata auch dann satte Gebühren von den Bürgern, wenn diese mit dem Programm beim besten Willen nichts anfangen können.