Männig

Das iPhone auf dem Fahrrad: Komoot

Ein kleiner Tweet genügte: Auf meine kurze Statusmeldung vor einigen Wochen, in der ich mitteilte, dass mich die iPhone-App von Komoot nicht überzeugen kann, erhielt ich binnen weniger Minuten eine Reaktion von @komoot. Freundlich und kompetent wies man mich darauf hin, dass in Kürze eine neue, verbesserte Version des Programms erscheinen würde, die ich doch bitte noch einmal unter die Lupe nehmen solle. Professionelles Social-Media-Marketing, wie es sein soll! Und die Kombination von iPhone und Fahrrad ist ja ohnehin ein Thema, dem ich mich schon in früheren Tests (Teil 1, Teil 2) gewidmet habe. Am 27. August war es also soweit: Komoot 4.0 für das iPhone tauchte erstmals im iTunes Store auf. Und was die Potsdamer Softwareschmiede diesmal abgeliefert hat, sieht in der Tat auf den ersten Blick schicker aus als die Vorgängerversionen. Nach wie vor steht der soziale Aspekt der App im Vordergrund, wie die Einbindung von Diensten wie Facebook, Twitter und Google+ sofort deutlich macht. Was die Basis des Programms betrifft, bedient sich die Komoot GmbH auch in erster Linie bei bewährten Online-Communities: Die Kartendaten liefert OpenStreetMap, Kartenframework und Routing kommen von Route-Me, weitere Inhalte vom Wikipedia und Bilder von Panoramio. Ein sachlich gestalteter Homescreen führt zu den einzelnen Funktionen: Der Nutzer kann zwischen dem Routing für eine Rundtour und zwischen zwei ausgewählten Punkten wählen, seine Position auf der Karte anzeigen lassen, sich über seinen Account, gespeicherte Touren und aktivierte Regionen informieren. Hinter dem Begriff Regionen versteckt sich dabei nichts anderes als das Geschäftsmodell von Komoot. Die Software, ob für iPhone, Android oder die Nutzung der Webseite, ist zunächst kostenlos. Nach der obligatorischen Eröffnung eines Accounts erhält man eine Region kostenlos, innerhalb derer man navigieren kann. Die deutschen Komoot-Regionen sind in aller Regel deckungsgleich mit Landkreisen. Weitere Regionen oder Landkreise kosten je 3,99 Euro, so genannte Regionen-Pakete mit drei bis fünf Landkreisen 8,99 Euro. Alle Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind zusammen für 29,99 Euro zu haben. Letzteres wird für die meisten Nutzer die einzig wirklich sinnvolle Lösung sein, da die Software sich schlicht weigert, eine Navigation außerhalb der erworbenen Regionen zu starten. Das Verifizieren der gekauften Regionen dauert dann auch immer einige Sekunden beim Navigationsstart. Ist eine benötigte Region noch nicht gekauft worden, dann kann dies sofort aus der iPhone-App heraus nachgeholt werden. Sucht man nach bekannten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen – eine Funktion, die Komoot Start–Ziel nennt – dann stimmt es einen zunächst etwas verwundert, dass die App die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten fast nie zu kennen scheint. Im Test wurden meist merkwürdige Umwege vorgeschlagen, die sich freilich noch im erträglichen Rahmen bewegten, was die zusätzlich zu fahrenden Strecken betrifft. Man ist geneigt, diese Fehler der Kartenbasis von OpenStreetMap anzulasten, doch andere Fahrrad-Routingsysteme, die sich ebenfalls auf OpenStreetMap verlassen, können das auf den gleichen Strecken besser. Die eigentliche Stärke von Komoot will allerdings der Rundtour-Modus sein. Man gibt einen Zeitrahmen an, und die Software errechnet dem Nutzer eine dafür optimierte Rundfahrt. In der Theorie jedenfalls. In der Praxis erzielte diese Funktion eher fragwürdige Ergebnisse, zumindest in der im Test verwendeten Region München, die sich aus Stadt- und Landkreis zusammensetzt. Wählt man beispielsweise einen Fahrradtour-Zeitraum von drei Stunden vom Startpunkt Feldkirchen am östlichen Stadtrand, dann bietet einem Komoot vier Touren an, die allesamt den Nymphenburger Schlosspark zum Ziel haben und die diesen auch durchqueren. Das ist in sofern erstaunlich, als das Radfahren im Schlosspark strikt untersagt ist. Alle Parkwege sind denn auch in OpenStreetMap ordnungsgemäß mit bicycle=no getaggt, was allerdings vom Komoot-Routingsystem schlicht ignoriert wird. Die Hin- und Rückfahrt durch die Stadt sind überdies bei allen vorgeschlagenen Touren jeweils weitgehend deckungsgleich, was den Erlebniswert der Routen eher gering hält. Versucht man alternativ Touren mit vier, fünf, oder gar Stunden, stets bekommt man ausschließlich die Strecken nach Nymphenburg geliefert. Erst bei sechs Stunden gibt es noch eine einzelne Alternative zum Schlossbesuch. Bei einer gewählten Tourdauer von über sechs Stunden trat im Test dagegen stets ein Verbindungsfehler zum Server auf. Routing und Tourenvorschläge können also zunächst nicht überzeugen, aber da ist ja noch die Sprachnavigation, mit der sich die Komoot-App von der Masse abhebt. Die eingesetzte weibliche Stimme ist angenehm, die Anweisungen sind sprachlich gut verständlich. Was die Komoot-Uschi nicht dagegen kennt, sind Straßennamen. So muss man sich mit Ansagen wie Biegen Sie rechts ab auf Straße begnügen. Auf dem Display des iPhones wird der Straßenname dagegen zur gleichen Zeit angezeigt. Überhaupt zeigt sich beim Einsatz der Sprachnavigation immer wieder, dass mit dem Fahrrad befahrene Strecken oft feingliedriger sind als Kfz-Routen, insbesondere bei getrennter Radwegeführung. Hier wird Uschi in vielen Fällen zu ungenau, so dass der gleichzeitige Blick aufs Display unvermeidlich ist. Verpasst man eine vorgesehene Abzweigung, dann meldet sich Komoot in der Regel erst 150 Meter, nachdem man von der geplanten Route abgewichen ist. Da das System keine dynamisches Routing beherrscht, erhält man in diesem Fall keine veränderten Fahranweisungen, sondern lediglich den Hinweis, dass man die Route verlassen hat. Man kann zwar manuell die Neuberechnung einer Route anstoßen, was aber aufgrund der bereits beschriebenen, eingeschränkten Streckenkenntnisse von Komoot meist wieder zum gleichen Ergebnis führt: Umkehren und zurück auf die ursprüngliche Route. Die oft zu hörende Anweisung Bei nächster Möglichkeit rechts sorgt beim Nutzer oft für Zweifel: Ist wirklich dieses kleine Wegchen hier gemeint oder doch erst die größere Straße weiter vorn? Vernimmt man schließlich noch einmal die Worte Jetzt rechts, dann ist man häufig nur noch fünf bis zehn Meter vor der vorgesehenen Abzweigung, was den Fahrer diese bei zügiger Fahrweise und Folgeverkehr fast zwangsläufig verpassen lässt, sofern er keine Auffahrunfälle oder Stürze provozieren will. Wie bereits gesagt: Der regelmäßige Blick aufs Display ist trotz Sprachanweisungen anzuraten. Dort weist ein Pfeil darauf hin, in welche Richtung man beim nächsten Mal abzubiegen hat. Daneben erhält man den Namen der Straße, in die abzubiegen ist, sofern dieser in OpenStreetMap hinterlegt ist. Unter diesem ist die verbleibende Entfernung bis zu dieser Abzweigung zu lesen. Richtiger allerdings: Wäre zu lesen, denn Komoot hat für diese Information eine Schriftgröße gewählt, die sich auf dem iPhone-Display mit nur sechs bis sieben Punkt darstellt. Und das ist leider nicht lesbar, wenn das Gerät in der Lenkerhalterung steckt, zudem dann nicht, wenn die Schrift, wie im Komoot-Display, negativ weiß auf schwarz dargestellt wird. Aus unerfindlichen Gründen erhält man die geschriebenen Fahranweisungen allerdings nur dann, wenn man sich gleichzeitig das Höhenprofil der Strecke anzeigen lässt. Entscheidet man sich dagegen für eine der drei Tachometer-Optionen, so muss man auf die geschriebenen Routinghinweise verzichten. Wählt man dennoch einen der Tachometer-Modi, bei denen es sich eigentlich um eine Entfernungs-, eine Zeit- und eine Geschwindigkeitsanzeige handelt, dann merkt sich die App diese präferierte Einstellung nicht. Kommt man in den entsprechenden Modus zurück, dann wird stets Entfernung angezeigt, andere Optionen müssen jedes Mal wieder neu ausgewählt werden. Was beim Betrieb von Komoot noch auffällt, ist, dass dem Programm offenbar der Begriff Kreisverkehr fremd ist. Kreisverkehre werden vom System wie Kreuzungen behandelt, und so erteilt es auch entsprechende Anweisungen wie Fahren Sie an der Kreuzung links. Dies erfordert stets eine gewisse gedankliche Nachbearbeitung durch den User – und natürlich abermals den Blick aufs Display, bei dem man auch wieder feststellt, dass das Format des angezeigten Kartenausschnitts ruhig größer sein könnte. Beim Fahren protokolliert Komoot die tatsächlich gefahrene Strecke stets mit. Am Ende einer Tour kann diese im Account des Nutzers abgespeichert werden. Das Abrufen einer solchen, zuvor gespeicherten Tour dauerte im Test allerdings teilweise auch einmal einige Minuten. Will man eigene Touren nachfahren, so wird man durch eine Anzeige informiert, dass keine Detailinformationen vorliegen und Sprachanweisungen in diesem Fall nicht möglich sind. Dafür erhält man auch hier in der Tourübersicht hübsche Bilder von Panoramio angezeigt, die sich freilich nicht zwangsläufig mit dem decken, was man selbst auf der entsprechenden Strecke eindrucksvoll fand. Fazit: Die Version 4.0 der Komoot-App für das iPhone mag für bisweilen radfahrende Social-Media-Freaks ihren Charme haben, pragmatische Alltags- und Vielradler kann sie aber nach wie vor nicht überzeugen. Insofern erstaunen auch die zahlreichen Fünf-Sterne-Bewertungen, die bereits im iTunes Store für das Programm abgegeben wurden. Für meine Navigationszwecke auf dem Fahrrad tut nach wie vor MotionX GPS beste Dienste, wenn aus Naviki exportierte GPX-Daten in das Tool eingeladen wurden. Wenn der Blick auf das iPhone-Display ohnehin unverzichtbar ist, dann sind auch zusätzliche Sprachanweisungen eigentlich obsolet. Und weit günstiger ist die Naviki-MotionX-Lösung mit derzeit gerade einmal 79 Cent allemal.