Männig

Blogosphäre goes Swabedoo

Seit Jahren hoffen sie jetzt auf eine wie auch immer geartete Möglichkeit, ihre geistigen Leistungen zu monetarisieren, die deutschen Großblogger. Aber der Werbemarkt ist nun mal nicht nur im Internet zusammengebrochen, und Aktivitäten wie Gründung eigener Vermarktungsagenturen waren auch nicht gerade von überragendem Erfolg gekrönt. In einer solchen Situation klammert man sich ja gern an jeden Strohhalm. Und so verwundert es nur wenig, dass im Rahmen des aktuellen Hypes der deutschen Blogosphäre das schwedische Startup Flattr als neuer Heilsbringer gesehen wird.

Ist ein entsprechender Button erstmal ins eigene Blog eingebaut und ein Grundbetrag über die eBay-Tochter PayPal an Flattr eingezahlt, dann werden, so hoffen die Protagonisten der Bloggerszene, die verdienten Einnahmen schon endlich sprudeln – oder zumindest tröpfeln. Und um die Sache auch noch auf ein philosophisches Fundament zustellen, liefert Michael Seemann heute in seinem FAZ-Blog einen Beitrag, in dem er eine neue Ökonomie des Schenkens beschwört. Diese soll auf den Theorien des französischen Soziologen Marcel Mauss wurzeln und findet mit Pirate-Bay- und Flattr-Gründer Peter Sunde offenbar endlich ihren Messias. (Anmerkung: Das Blog von Michael Seemann bei der FAZ wurde mittlerweile nach einer Auseinandersetzung zwischen Autor und Verlag vom Netz genommen. Dieser Artikel steht deshalb leider nicht mehr zur Verfügung.)

Letztlich weckt aber der Blogartikel eher Erinnerungen an das unsägliche Märchen Die kleinen Leuten von Swabedoo, das in den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der alternativen Szene kursierte. Jeder in der großen Bloggerfamilie hat sich lieb und macht sich kleine Geschenke, genau wie die Swabedoodahs am Beginn und am Ende der Geschichte. Was aber Seemann offensichtlich vergisst: Ein Geschenk, um das vorher gebettelt wurde – mit Klick mich! schreienden Buttons beispielsweise – ist kein Geschenk, sondern bestenfalls eine milde Gabe.

Für Geschenke braucht man auch keinen Apparat aus diversen Unternehmen (hier: Flattr und PayPal nebst Mutter eBay), die an allererster Stelle mitverdienen. Ein Geschenk findet zwischen zwei Menschen statt. Natürlich kann das auch zwischen einem Blogleser und einem Blogautor sein. Die Anschrift steht im Impressum, und eine Banknote ist schnell in einen Briefumschlag gesteckt. Ab einer Zuwendung von 5,50 Euro sind die Portokosten sogar günstiger als die Transferkosten, die Flattr einbehält.

Und überdies überlässt man es so dem Empfänger, ob er das Geschenk als solches betrachten mag. Ein »Geschenk« via Flattr sieht nämlich zumindest das Finanzamt nicht als solches, sondern als ganz gewöhnliches, zu versteuerndes Einkommen. Ob die eigenen Zahlungen an Flattr von der Behörde genauso freudig als Betriebsausgabe oder Werbungskosten anerkannt werden, bleibt abzuwarten.

Neben dem finanziellen Aspekt stellt sich hier auch, wie so oft, die Frage nach der Datensparsamkeit. Neben der Tatsache, dass die privacy policy einige nicht wirklich glückliche Passagen enthält, landen umfangreiche Daten natürlich auch beim Zahlungspartner PayPal. Das alles für ein Geschenk? Sollte es nicht auch möglich sein, ein Geschenk einfach anonym zu machen, ohne dessen Publizierung an alle anderen Flattr-Kunden, wie dies die Datenpolicy des Unternehmens vorsieht?

Nein, man kann beruhigt sein: Flattr wird sicherlich nicht der neue Sozialdienst des Internets. Sicherlich kann aber das System bei einigen Menschen eine Lücke füllen, die Caritas und Innere Mission beim Kirchenaustritt hinterlassen haben. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wenn sich der Hype gelegt haben und Flattr, wie einige Unternehmen zuvor, vielleicht sogar in der öffentlichen Meinung vom good guy zum bad guy des Web 2.0 mutiert sein wird.

Allen anderen, die es gern persönlich und effizient haben, sei empfohlen: Steckt doch mal einfach einen Zehner oder Zwanziger in einen Briefumschlag und schickt ihn an euren Lieblingsblogbetreiber. Anonym oder mit Absender, ganz wie ihr mögt. So einfach ist das. Allerdings bitte nicht an mich, mir wäre das peinlich. Aber ich bin ja auch kein Blogger.